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Prächtige Musik für Abt, Studierende und König

Heute mit mittelalterlicher Musik aus englischen Manuskripten mit dem Vokal-Trio "Liber unUsualis", eine CD, die beim Label Passacaille unter dem Titel "Flyleaves" erschien. Die zweite Aufnahme, die ich Ihnen vorstellen möchte, ist dem "Cancioniero de Palacio" gewidmet und wurde von der Capella de Ministrers unter der Leitung von Carles Magraner eingespielt, erschienen beim eigenen spanischen Label Licanus.

Von Christiane Lehnigk |
  • Musikbeispiel: Doleo super te / Absolon, fili me

    Eines der renommiertesten Alte Musik-Festivals, das Festival van Vlaanderen in Antwerpen "Laus polyphoniae" stellt nicht nur Jahr für Jahr ein interessantes Programm mit vielen international bekannten Ensembles zusammen, es kümmert sich auch intensiv um den Nachwuchs. Und so werden zum Beispiel junge Formationen ausgewählt, die es aufgrund ihrer Spezialisierung schwerer haben, im Konzertbetrieb Fuß zu fassen. Ein Schwerpunkt liegt auf Musikern, die sich der Musik vor 1600 gewidmet haben. Sie werden zu einem 3-tägigen Coaching eingeladen, erhalten die Möglichkeit, sich in einem Konzert während des Festivals einem größeren Publikum zu präsentieren und können sich einer Jury stellen, die aus Repräsentanten internationaler Netzwerke für Alte Musik, Festivals und Rundfunkstationen besteht.

    Im Jahre 2002 ging hier als unangefochtener Sieger das US-amerikanische Trio Liber unUsualis hervor, das seit 1996 besteht. Die Sänger, deren Ziel es ist, Musik des Mittelalters und der frühen Renaissance zu neuen Ausdruckformen zu verhelfen, wurden für ihre stimmliche Kunstfertigkeit und akademische Forschung ausgezeichnet.

    In ihrer Reihe "International Young Artist's Presentation - Early Music" hat das Label
    Passacaille eine CD veröffentlicht, die den Titel "Flying Leaves", "Fliegende Blätter" trägt.

    Liber unUsualis hat hier ein Programm zusammengestellt, das mittelalterliche Musik aus englischen Manuskripten enthält und sich aus Fragmenten zusammensetzt, die sich aus ehemaligen Sammlungen erhalten haben. Prächtige Musik zugedacht sowohl dem Abt, dem Studierenden wie dem König. Um ein solches Programm zu erarbeiten, bedurfte es umfangreicher Forschungsarbeit, denn in England existiert kein zusammenhängendes Musik-Manuskript mehr zwischen der Zeit des Winchester Troper vom 10. -11. Jahrhundert und dem Old Hall Manuskript aus dem späten 14., und frühen 15. Jahrhundert. Im Zuge der Reformation verschwanden nicht nur eine Vielzahl sakraler Bauten sondern auch deren Archive. Dass sich im Mittelalter die Musik in England anders entwickelt hat, als auf dem Festland, davon gibt diese CD einen guten Einblick. Zwar kannte und studierte man in den Klöstern zum Beispiel die Werke der Franzosen, doch es bildete sich ein ganz eigenständiger, typischer englischer Stil, der im umfangreichen Beiheft ausführlich erläutert wird. Am charakteristischsten war wohl die Gleichbehandlung von den "imperfekten" Intervallen, wie Terzen und Sexten und den "perfekten" Oktaven, Quinten und Quarten. Während die Komponisten auf dem Kontinent Terzen und Sexten nur selten und zumeist in kadenzierten Figuren benutzten, machten englische Komponisten recht freien Gebrauch davon. Die Stücke sind recht einfach gehalten, jede Stimme hat das gleiche rhythmische Muster und singt den gleichen Text. Es gibt kaum Werke in der Landessprache, die Sprache der Kirche war Latein und die des Hofes Französisch, Englisch galt in der Kunstwelt, bis es 1362 vom königlichen Hofe als Landessprache "verordnet" wurde, als "barbarisch" und nur den untersten Schichten vorbehalten. Eines der wenigen englischen Zeugnisse aus der Zeit ist das Lied "Gabriel fram heven-king", das ursprünglich eine lateinischen Text hatte und in England überaus populär war. Sogar Chaucer erwähnt das lateinische Lied in seinen "Canterbury Tales".

    Es singen Melanie Germon - Sopran, Carolann Buff - Mezzo-Sopran und William Hudson - Tenor.

  • Musikbeispiel: Gabriel fram heven-king

    Dies war ein Ausschnitt aus der CD "Flying Leaves" des Vokaltrios Liber unUsualis, die mittelalterlicher Musik aus englischen Manuskripten gewidmet ist.



    Von England nun nach Spanien, einer neuen Veröffentlichung der Capalla de Ministrers unter der Leitung von Carles Magraner.

    Am 26. November 1504, also vor 500 Jahren, starb Isabel die Katholische, Königin von Kastilien, im Alter von 53 Jahren. Durch die Hochzeit mit Don Fernando von Aragon, war es möglich geworden, die christlichen Königreiche von Spanien zu vereinigen und auch nach der Vertreibung der Mauren 1492 Granada zurück zu gewinnen.

    Dies war auch das Jahr der "Entdeckung" Amerikas durch Christoph Columbus, mit Hilfe der spanischen Krone und die unrühmliche Vertreibung der Juden nach dem Etablieren der spanischen Inquisition. Das bedeutendste musikalische Zeugnis aus der Zeit der katholischen Könige ist der Cancioniero Musical de Palacio, eine Sammlung, die im Palacio Real in Madrid liegt und rund 458 spanische Lieder enthält. Es sind überwiegend Balladen, villancicos und estrambotes aus dem letzten Drittel des 15. und dem Beginn des 16. Jahrhunderts von bekannten und unbekannten Autoren. Zu den bekannten zählen vor allem Gabriel Mena, Alonso, Francisco Millán, Pedro de Escobar und vor insbesondere der Poet und Dramatiker Juan del Encina , der repräsentativste literarische und musikalischer Autor der ersten spanischen Renaissance. Er stand zwar niemals in Diensten der katholischen Könige, verfügte aber über gute Kontakte zur königlichen Familie. Seine Texte sind teilweise ungemein realistisch, reflektieren Land und Leute, scheuten auch nicht vor drastischen Schilderungen erotischer Natur zurück , konnten aber auch sehr lyrisch sein, wenn es um die Schilderung der wahren Liebe ging.

    Im folgenden Titel geht es um eine untreue Ehefrau, - ein häufiges Sujet der Zeit- , sie wurde von ihrem Mann in flagranti erwischt und der machte gleich "kurzen Prozess".

  • Musikbeispiel: Juan del Encina - Fata la parte

    Die Capella de Ministrers wurde 1987 von Carles Magraner im spanischen Valencia gegründet. Ihr Repertoire-Schwerpunkt liegt auf der Musik vor 1800, gespielt wird auf historischem Instrumentarium. Auftritte auf internationalen Festivals machte sie auch außerhalb Spaniens bekannt. In einer eigenen CD-Reihe, die in Zusammenarbeit mit der Universität von Valencia und dem Institut Valencia de la Musica entstand, widmet sich die Capella ausschließlich spanischer Musik . Die neueste Einspielung ist dem Cancioniero de Palacio gewidmet, hier vor allem Kompositionen von Juan del Encina. Die sehr lebendige Musizierweise und die abwechslungsreiche Instrumentierung geben den Aufnahmen einen sehr authentischen, unakademischen Eindruck. Hier eines der bekanntesten Stücke aus dem Cancioniero über den Gänsehirten Rodrigo Martinez.

    Die Gesangssolisten auf dieser CD sind Pilar Esteban - Mezzosopran, Josep Hernández - Contratenor, Josep Benet - Tenor, Pedro Castro - Tenor und José Antonio López - Bariton.
    Die Leitung hat Carles Magraner.

  • Musikbeispiel: Anónimo - Rodrigo Martinez

    Nach dieser Komposition eines anonymen Autors hören Sie die Capella de Ministrers unter der Leitung von Carles Magraner abschließend noch mit einem deftigen Trink-Lied, einem Villancico von Juan del Encino.

  • Musikbeispiel: Juan del Encino - Oy comamos y bebamos

    Die Neue Platte im Deutschlandfunk. Wir stellten Ihnen heute zunächst mittelalterliche Musik aus englischen Manuskripten mit dem Vokal-Trio "Liber unUsualis" vor, eine CD, die beim Label passacaille unter dem Titel Flyleaves erschien. Und anschließend eine Aufnahme mit der Capella de Ministrers unter der Leitung von Carles Magraner die dem Cancioniero de Palacio gewidmet ist und beim spanischen Label Licanus veröffentlicht wurde.


    Diskografische Angaben

    CD 1:
    Titel: "Flyleaves"
    Ensemble: Liber unUsualis
    Mitwirkende: Melanie Germond - Sopran
    Carolann Buff - Mezzo-Sopran
    William Hudson - Tenor
    Label: Passacaille
    Labelcode: LC 10925
    Bestellnr.: 938

    CD 2:
    Titel: "Cancioniero de Palacio"
    Ensemble: Capella de Ministrers
    Leitung: Carles Magraner
    Label: Licanus
    Labelcode: o.A.
    Bestell-Nr.: CDM 0409