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Prähistorischer Bienenstich

Paläontologie. - Klappern gehört zum Handwerk, und ein Geistesblitz kann da schon mal Forschungsmittel über Jahre sichern. So entdeckte Luis Alvarez in Bodenschichten aus der Zeit vor 65 Millionen Jahren eine Iridiumlage, die von einem großen Einschlag eines kosmischen Körpers berichtet. Weil zur gleichen Zeit die Dinosaurier verschwanden, kam der Forscher auf die schlagzeilenträchtige Idee vom Dino-Tod per Meteoreinschlag. Doch immer neue Details passen nicht zu der Theorie, darunter etwa eine Geschichte von Zeitzeugen - kleinen Honigbienen.

08.11.2004
    Die Idee ist bestes Material für Kassenschlager a la Hollywood: da rast ein zehn Kilometer messender Fels auf die Erde zu, schlägt mit der Gewalt tausender Kernsprengköpfe ein und schickt den Planeten in den nuklearen Winter. Pflanzen gehen ein, Tiere - allen voran Saurier - finden keine Nahrung mehr, gehen zugrunde an Hunger und Kälte und machen Platz für ihre Nachfolger auf der Evolutionsleiter. Klingt bestechend logisch, muss aber nicht unbedingt auch so passiert sein. Eine andere Variante berichtet nämlich "Cretotrigona prisca", eine schlichte kleine Honigbienenart, die vom Ende der Kreidezeit bis ins Tertiär hinein, also vor 65 Millionen Jahren, gelebt hat und den Weltenvernichter aus dem All überstand - und zwar besser als gedacht. "Denn die kleinen Insekten betreiben keine Vorratswirtschaft und fanden offenbar noch immer genügend Blüten und deren Nektar, um zu überleben", schildert Jacqueline Kosicek von der Universität New Orleans.

    Zwar liegt "Cretotrigona prisca" für die Ewigkeit bewahrt in einem Tropfen Bernstein, dennoch schließt die Paläontologin mit einiger Sicherheit auf diese Lebensweise des Insekts, denn kaum etwas unterscheidet die Biene von ihren heutigen Nachfahren. "Sie sind sich sehr ähnlich, so sehr, dass man mit gutem Gewissen von den Lebensbedingungen des modernen Tiers auf die des ausgestorbenen schließen kann." Wenn es also der heutigen, in den Tropen lebenden Variante zu kalt wird, dürften die Temperaturen wohl auch für die fossile Art unverträglich gewesen sein. Nach dem Einschlag des Meteors aber sollen die Temperaturen in den Tropen von 31 bis 34 Grad Celsius um sieben bis zwölf Grad abgesunken sein, so lautet die Theorie. Diesen Kältesturz hätten aber weder Pflanzen noch Tiere in der Region überstanden. Auch eine anhaltende nukleare Nacht durch Staub in der Atmosphäre und eine Unterbrechung der Photosynthese für Monate wäre das sichere Ende der Blütenpflanzen gewesen.

    Demnach also fiel der nukleare Winter weniger heftig aus als angenommen. Damit Pflanzen und mit ihnen Bienen überleben konnten, durften die Temperaturen nicht mehr als zwei bis sieben Grad fallen. Dies wiederum bedeutet, dass die Einschlagswolke bei weitem nicht so dicht ausgefallen ist wie angenommen. Trotzdem steht außer Zweifel, dass vor 65 Millionen Jahren ein Meteor die Erde traf und sich im Chixculub Krater verewigte. Doch die exakten Folgen des Ereignisses geben heute Rätsel auf. "Die Leute schauen sich die Fossilien an und sagen: Oh mein Gott, alle diese Saurier starben, wie schrecklich muss das gewesen sein! Aber sie schauen nur auf das, was tot ist. Um die Geschichte wirklich zu verstehen, muss man auch die Überlebenden untersuchen - und zwar vor allem die Tiere, deren Überleben nur innerhalb von engen Grenzen möglich ist. So kann ich die unmittelbaren Effekte des Einschlags eingrenzen." Auch andere Entdeckungen sprechen kaum für einen globalen Winter nach dem Einschlag. So weisen Sedimente aus jener Zeit viel weniger Explosionsstaub auf als zu erwarten wäre. Und auch die dabei entstandenen Klimagase hätten nie ausgereicht, um einen weltweiten Klimawandel zu verursachen. So suchen die Forscher und warten weiter auf eine nützliche Eingebung.

    [Quelle: Dagmar Röhrlich]