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Präimplantationsdiagnostik weiterhin nicht möglich

Medizinethik. - Vor einem halben Jahr hat der Bundestag entschieden, die Präimplantationsdiagnostik in Ausnahmefällen zuzulassen. Reproduktionsmediziner dürfen also künstlich oder erzeugte Embryonen auf schwere Abgang keinen untersuchen, und falls sie fündig werden diese Embryonen verwerfen. Das Embryonenschutzgesetz wurde nach der Bundestagsentscheidung entsprechend geändert und heute treffen sich in Lübeck Reproduktionsmediziner, Juristen und Politiker, um zu beraten, wie es jetzt weitergehen soll. Die Wissenschaftsjournalistin Marieke Degen berichtet im Gespräch mit Monika Seynsche.

Marieke Degen im Gespräch mit Monika Seynsche | 13.01.2012
    Seynsche: Frau Degen, was ist denn im letzten halben Jahr passiert?

    Degen: Das Gesetz ist am 8. Dezember in Kraft getreten. Was aber fehlt, das ist die Rechtsverordnung, also die Spielregeln, wie die PID hier in Deutschland konkret umgesetzt werden soll. Das Bundesgesundheitsministerium arbeitet im Moment daran, aber solange die Verordnung nicht auf dem Tisch liegt, solange darf die PID hier auch nicht angeboten werden.

    Seynsche: Das heißt, hier ist gar keine PID durchgeführt worden?

    Degen: Doch, schon. Also gerade hier in Lübeck zum Beispiel ist eine PID gemacht worden. Das war im März 2011, das Kind soll jetzt auch im Januar auf die Welt kommen. Aber damals im März 2011 war die PID auch für kurze Zeit erlaubt. Also im Jahr 2010 hat der Bundesgerichtshof ja entschieden, dass die PID nicht strafbar ist, und solange es kein offizielles Gesetz gab, durfte man das machen. Aber jetzt gibt es das Gesetz und jetzt muss die Rechtsverordnung her, vorher geht gar nichts.

    Seynsche: Was soll denn in dieser Verordnung geklärt werden?

    Degen: Erst einmal muss geregelt werden, wer eine PID überhaupt machen darf. Im Gesetz steht ja, dass das nur zugelassene Zentren machen dürfen. So ein Zentrum muss ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Da müssen Reproduktionsmediziner und Humangenetiker ganz eng zusammenarbeiten zum Beispiel, und es muss eine Ethikkommission geben, die über jeden PID-Fall entscheidet. Und im Moment ist noch gar nicht klar, welche Zentren das sein werden, wie viele Zentren das sein werden, und es ist auch noch nicht klar, wie diese Ethikkommissionen aussehen sollen.

    Seynsche: Welche Rolle sollen denn diese Ethikkommissionen spielen?

    Degen: Na, der Begriff Ethikkommission ist immer ein bisschen missverständlich, weil eine Ethikkommission trifft in dem Sinne keine ethische Entscheidung. Es geht also nicht darum, ob ob sie die PID für ethisch vertretbar hält, sondern sie muss prüfen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine PID erfüllt sind und nichts anderes.

    Seynsche: Bei welchen Krankheiten soll denn die PID zum Einsatz kommen?

    Degen: Im Gesetz ist die Rede von schweren Erbkrankheiten. Das ist ein weiter Begriff, deswegen sagt man eher, es geht um unheilbare Krankheiten. Aber auch da gibt es natürlich Grauzonen. Es gibt Krankheiten wie Mukoviszidose, die sind schwer, die kann man aber behandeln. Und da sollten die Eltern dann selbst entscheiden, ob sie eine PID möchten oder nicht. Es soll aber auch möglich sein, eine PID bei Krankheiten zu machen, die erst später im Leben auftauchen, zum Beispiel Morbus Huntington, das ist eine sehr schwere Erkrankung des Gehirns, die meistens erst ausbricht, wenn man so um die 40 ist. Und es soll auch möglich sein, den Embryo auf Risikogene zu untersuchen. Also da ganz konkret Risikogene für Brustkrebs, da ist quasi noch nicht einmal sicher, dass die Krankheit überhaupt auftreten würde, aber es gibt Familien, in denen fast jede Frau an Brustkrebs stirbt. Und da sagen viele Reproduktionsmediziner, da ist es verständlich, wenn die Paare das für Kinder nicht wollen.

    Seynsche: Und wann soll dieser Rechtsverordnung vorliegen?

    Degen: Das Bundesgesundheitsministerium sagt: Im Frühjahr, so etwa im März. Und dann werden die Zentren hoffentlich bald loslegen können.