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Pränataldiagnostik
Kostenübernahme für Bluttests gefordert

Die Evangelische Kirche in Deutschland plädiert dafür, dass die Krankenkassen Bluttests für Schwangere bezahlen. Mit diesen Tests kann gegebenenfalls eine Behinderung des Kindes nachgewiesen werden. Die Kassenzahlung sei auch eine Frage der sozialer Gerechtigkeit. Kritiker halten das für ein fatales Signal.

Von Michael Hollenbach | 05.11.2018
    Eine Mitarbeiterin der Firma Lifecodexx ordnet Reagenzgläser. Im Vordergrund ist die Verpackung für den Trisomie-Bluttest der Firma zu sehen.
    Firmen bieten Bluttests an, um eine mögliche Behinderung zu erkennen (dpa / picture alliance / Patrick Seeger)
    Die achtjährige Chiara und die ein Jahr jüngere Caja trommeln und tanzen zu der Musik, die aus den Lautsprechern kommt. Zwei Mädchen aus Hannover mit Down Syndrom, die sich des Lebens freuen. Die Mutter von Chiara, Sabine Buntrock, erinnert sich an die Gespräche mit Ärzten, nachdem in der 22. Schwangerschaftswoche bei ihrem Kind das Down Syndrom diagnostiziert wurde. Sie hat sich damals für das Kind entschieden:
    "Ich bin sehr oft von Medizinern gefragt worden, ob ich mir das gut überlegt hätte, mir würde ein hartes Leben bevorstehen, und ob ich wüsste, was da auf mich zukäme."
    Auch heute würden einige Menschen, die Chiara sehen, mit Ablehnung reagieren.
    "Ich erlebe manchmal die Aussage: ja, hätte das denn heutzutage denn sein müssen? Solche Sprüche gibt es wirklich."
    Für Silja Stegemeier ist ihre Tochter Caja eigentlich ein ganz normales Mädchen:
    "Ich will nicht sagen, dass diese Kinder immer ein riesiges Glück sind und ein Geschenk, aber sie sind es genau so viel und so wenig, wie andere Kinder das auch sind, und jeder Mensch, der sich ein Kind wünscht, kann sich auch drauf freuen, ein Kind mit Down Syndrom zu bekommen."
    Nur entweder oder?
    Mit einem Test lässt sich im Blut der Mutter DNA des Kindes nachweisen und auf Chromosomenveränderungen untersuchen. Anders als eine Fruchtwasseruntersuchung ist dieses Verfahren mit keinem Eingriff verbunden. Nicht-invasiv heißt das in der Fachsprache. Der Test kostet rund 200 Euro, bisher zahlen Schwangere selbst. Der katholische Moraltheologe Franz Josef Bormann ist gegen eine Kassenfinanzierung:
    "Ich halte es für ein ganz fatales Signal in die falsche Richtung. Der Pränatest ist ein reines Diskriminierungsinstrument für Kinder mit Down Syndrom."
    Und auch der Bischof der evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, ist kein Freund dieser Pränataldiagnostik:
    "Der Pränatest sagt nur: entweder oder. Und lässt keine Abwägung des Grades der Behinderung offen."
    Schätzungen gehen davon aus, dass sich rund 90 Prozent der Paare für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, wenn bei dem Kind ein Down Syndrom festgestellt wird. Trotz aller Bedenken - die EKD, die Evangelische Kirche in Deutschland, hat sich nun in einem Papier der Kammer für Öffentliche Verantwortung für die Finanzierung des Tests durch die Krankenversicherung ausgesprochen. Ein Argument nennt der evangelische Theologe Peter Dabrock, der auch Vorsitzender des Deutschen Ethikrates ist:
    "Wenn wir das nicht als Regelleistung zulassen, sorgt es dann nicht dafür, dass nur die Reicheren sich das leisten können und die Ärmeren nicht? Das hielte ich für gesellschaftlich und ethisch ungerecht."
    "Dieses Tests sind nur ein Einstieg"
    Der Münchener Theologieprofessor Reiner Anselm ist Vorsitzender der EKD-Kammer für Öffentliche Verantwortung:
    "Es soll so werden, dass parallel zu dem Vorhalten der Tests auch eine entsprechende Beratung über die gesetzlichen Krankenversicherung finanziert werden, die auf freiwilliger Basis in Anspruch genommen werden kann vor der Inanspruchnahme von Pränataldiagnostik."
    Das Beratungsgespräch, das allerdings nicht wie bei der Schwangerschaftskonfliktberatung verpflichtend sein soll, soll im Sinn des Lebensschutzes geführt werden, betont Martin Hein, der auch Mitglied des Deutschen Ethikrates ist. Die Eltern sollen nicht allein gelassen werden.
    "Ich glaube, dass der gesellschaftliche Druck zunimmt und man fragt: Warum muten sich die Eltern zu, ein behindertes Kind zu haben? Und warum muten sie uns als Gesellschaft die Folgekosten einer besonderen Betreuung zu?"
    Einigkeit besteht bei Ethikern und Medizinern, dass der Bluttest auf das Down Syndrom nur der Anfang sein wird. Künftig wird es ohne großen Aufwand möglich sein, das gesamte Genom eines Ungeborenen aus dem Blut der Mutter zu sequenzieren. Der Münchener Theologe Rainer Anselm:
    "Wir dürfen die Augen nicht davor zumachen, die Entwicklung wird in die Richtung geht. In der Tat sind diese Tests nur ein Einstieg. Gerade deshalb scheint es uns wichtig zu sein, dass wir sie einbetten in eine verantwortliche Entscheidung, die auf der Grundlage einer Beratung erfolgt."
    Gottgleich übers Leben entscheiden
    Auch wenn sich die evangelische Kirche - im Gegensatz zu den katholischen Bischöfen - nun dafür ausspricht, dass der Pränatest von den Krankenkassen bezahlt wird: für den Kasseler Bischof Martin Hein gilt:
    "Insgesamt sind für mich diejenigen, die sich mit einem behinderten Kind liebevolle befassen, die wahren Helden, die wir haben."
    Er meint damit Frauen wie Silja Stegemeier, die Mutter der siebenjährigen Caja:
    "Meiner Ansicht nach gehören alle Menschen in unsere Gesellschaft und es gibt keinen Grund, warum man sich vorher gottgleich hinstellen darf zu sagen, dieses menschliche Wesen hat eine Berechtigung, auf die Welt zu kommen und das andere nicht."