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Pränataldiagnostik
Zweifel an Zuverlässigkeit von Trisomie-Bluttests

Von Marieke Degen | 13.08.2014
    Wenn eine werdende Mutter wissen möchte, ob ihr Kind möglicherweise das Down Syndrom hat, kann sie heutzutage einen Bluttest machen. Denn im Blut der Mutter schwimmt immer auch ein bisschen DNA des Kindes - und die reicht aus, um zu berechnen, wie oft das Chromosom 21 vorkommt. Wenn der Test positiv ausfällt, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Kind tatsächlich eine Trisomie 21, also das Down Syndrom hat. Genauso lassen sich auch eine Trisomie 13 oder 18 aufspüren. Doch ein Genetiker aus den USA sagt jetzt: So zuverlässig, wie viele glauben, sind die Tests gar nicht.
    "Ich will die Bluttests nicht schlechtmachen, sie sind ein großer Fortschritt in der Pränataldiagnostik. Aber sie sind eben nicht perfekt."
    Charles Strom arbeitet bei Quest Diagnostics, einer Firma in den USA, die unter anderem Fruchtwasseruntersuchungen anbietet. Das ist die herkömmliche, aber auch etwas gefährlichere Methode, um eine Trisomie aufzuspüren: Der Mutter wird Fruchtwasser entnommen, weil darin ganze Zellen des Fötus schwimmen, die dann direkt untersucht werden können.
    Die Forscher um Strom hatten rund 100 Patientinnen in ihre Studie eingeschlossen. Bei allen war der nicht-invasive Bluttest positiv. Alle hatten daraufhin zusätzlich eine Fruchtwasseruntersuchung gemacht. Und die hat ergeben, dass der Bluttest öfter mal daneben lag.
    "Von den 41 Frauen, deren Bluttest für Trisomie 21 positiv ausgefallen ist, waren im Endeffekt nur 38 betroffen. Drei der Kinder hatten also keine Trisomie 21. Bei 25 Frauen hatte das Testergebnis eine Trisomie 18 angezeigt – aber tatsächlich waren dann nur 16 Föten betroffen. Ähnlich war das bei Trisomie 13: Bei 16 Frauen war der Test positiv – aber nur sechs Kinder hatten wirklich eine Trisomie 13."
    Falsch-positive Ergebnisse
    Die Tests hatten also in einigen Fällen falschen Alarm geschlagen, die Ergebnisse waren falsch-positiv. Wera Hofmann ist die ärztliche Direktorin von Lifecodexx, das ist die Firma, die den Bluttest in Deutschland anbietet. Sie hat sich die Studie angesehen:
    "Grundsätzlich muss ich bemerken, dass die Arbeit aber auch nichts wirklich Neues aufweist. Die bestätigt bereits andere Arbeiten, die darüber geschrieben haben, dass NIPT natürlich Grenzen hat, diese Grenzen gibt es aber auch in anderen Untersuchungen."
    Falsch-positive Ergebnisse können immer mal wieder vorkommen. Die fetale DNA, die im mütterlichen Blut schwimmt, stammt vom Mutterkuchen. Der ist zwar vom Erbgut her identisch mit dem Kind, aber es kann passieren, dass nur der Mutterkuchen eine Trisomie hat und nicht das Kind. Wenn der Bluttest positiv ausfällt, wird deshalb immer noch eine Fruchtwasseranalyse gemacht – um ganz sicher zu gehen.
    "Der Praenatest wurde ja im August 2012 erstmals in Deutschland und auch den Nachbarländern angeboten in Europa, und wir haben bis zum Juli dieses Jahres insgesamt 12 000 Untersuchungen erfolgreich durchgeführt, die Testgenauigkeit ist basierend auf der Rückmeldung unserer Ärzte und auch von schwangeren Frauen ausgezeichnet."
    240 positive Tests bei 12.000 Frauen
    Lifecodexx präsentiert folgende Zahlen aus der Praxis: 12 000 Frauen haben den Test bislang gemacht, bei 240 war er positiv, und bei 17 Frauen war es falscher Alarm. So haben es die Ärzte an die Firma zurückgemeldet. Es könnte zwar sein, dass es noch mehr falsch-positive Fälle gibt, dass vielleicht nicht jeder Fall gemeldet worden ist, sagt Wera Hofmann. Sie geht aber nicht davon aus, dass es wesentlich mehr sind.
    "Wir fordern die Ärzte zunehmend auf, uns Rückmeldung zu geben. Und ich bin mir sehr sicher, dass - wenn ein Arzt ein Ergebnis bekommt, das mit dem Praenatest nicht übereinstimmt - dass sofort diese Meldung an uns weitergeleitet wird. Allein schon deshalb, weil der Arzt genaueres darüber erfahren will, wie so etwas passieren kann."
    In der Studie von Quest Diagnostics haben die Bluttests schlechter abgeschnitten. Warum, ist unklar. Aber: Die Tests in der Studie stammten von verschiedenen Anbietern in den USA, die alle mit unterschiedlichen Methoden arbeiten. Möglicherweise sind manche davon zuverlässiger als andere. Das, schreiben die Forscher, müsste man aber noch genauer untersuchen.