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Präsidenten für die Ewigkeit

Verfassungsrichter, Bundeskanzler und natürlich auch Bundespräsidenten werden gemalt verewigt. Vor einem Jahr hatte Bundespräsident Christian Wulff den kaum bekannten ostdeutschen Maler Volker Henze beauftragt, alle Staatsoberhäupter zu malen. Im Berliner Schloss Bellevue wird nun die "Präsidentengalerie" erstmals gezeigt.

Von Hans-Joachim Neubauer | 07.09.2012
    Eigentlich ist es ein einfacher Job: Der Bundespräsident schüttelt Hände, verleiht Orden, und einmal in seiner Amtszeit hält er eine große Rede. Mit der wird er dann ein bisschen unsterblich: Richard von Weizsäcker entdeckte die deutsche Verantwortung für die Geschichte, Roman Herzog ließ einen gewissen Ruck durchs Land gehen, und Christian Wulff sagte, der Islam gehöre zu uns. Ansonsten bewahrt der Präsident sein Amt, und das Amt schützt ihn. So war es lange, aber so ist es nicht mehr.

    Seit Horst Köhler aufgab, seit Wulff zurücktrat, ist das Präsidentenamt fast ein Amt wie jedes andere. Bellevue ist kein Schutzraum mehr. Und gerade jetzt, da Deutschland seine Staatsoberhäupter so oft wechselt wie nie zuvor, lassen die sich verewigen. Von einem Maler. Das kam so:

    "Es war eigentlich eine Mischung zwischen Zufall und Notwendigkeit: Der künstlerische Kurator dieses Projektes hat mich auf der Straße angesprochen, ob ich bereit wäre, die Bundespräsidenten zu porträtieren. So ging das los. Ich hab gesagt ja. Und dann wurde ich in diesen kleinen, begrenzten Wettbewerb eingeladen und hab dann den Zuschlag bekommen."

    Der Mann, der die Ersten unter den Bundesdeutschen gemalt hat, heißt Volker Henze. Geboren wurde er 1950 in Halle, er studierte in Dresden, lebte als abstrakter Künstler in Ost-Berlin. Kaum einer kennt ihn bislang, aber nun werden alle von ihm reden. Denn er ist Deutschlands Staatskünstler, seit dieser Woche hängen seine neuesten Werke in der Galerie in Schloss Bellevue an der Wand: Theodor Heuss, Heinrich Lübke, Gustav Heinemann, Walter Scheel, Karl Carstens, Richard von Weizsäcker, Roman Herzog, Johannes Rau, Horst Köhler und Christian Wulff. Sämtliche in Öl, alle auf Leinwand, jeder ist 76 mal 57 Zentimeter groß, das macht 4332 Quadratzentimeter Staatskunst für jeden.

    "Das war eine gute Zusammenarbeit mit dem Präsidialamt. Wir waren uns relativ schnell einig darüber, dass es nicht um die große Staatsrepräsentanz geht, sondern dass es wirklich um den Menschen, der Präsident war oder noch ist, geht. Es geht also nicht um Abzeichen von Würde, äußere Abzeichen von Macht, sondern letztendlich sind dort Gleiche unter Gleichen gemalt."

    Bürgerpräsidenten halt. Horst Köhler hatte die Idee und schrieb den geschlossenen Wettbewerb aus, Christian Wulff gab Henze den Auftrag, und vorgestern dann hat Joachim Gauck die Galerie seiner zehn Vorgänger zum ersten Mal gesehen. Bestimmt ein erhebender Moment: Während die Halbwertzeit des höchsten Amtes zerfällt, verleiht die Aussicht auf einen Platz an der Wand Gelassenheit.

    Wer gemalt wird, bleibt. Das ist uralte Magie, das Abbild vertritt den Menschen gegenüber der Nachwelt. Porträts sind Tickets für die Ewigkeit. Volker Henze hat erfahren, dass sein Auftrag aus dem Konjunkturpaket II finanziert wurde, das Förderargument soll "Nachhaltigkeit" gewesen sein. Das klingt fast schon wie "Ewigkeit". Bisher war Henzes Ahnen-Galerie ja geheim, doch am Sonntag ist sie zu besichtigen, beim Bürgerfest im Schloss Bellevue. Da hängen die Alt-Präsidenten und blicken in den Tiergarten – Privatleute im Jackett, mit Schlips und Kragen, ohne offizielle Insignien, ohne Schärpe oder Fahne. Das wünschte sich das Amt, das wollte auch Henze.

    "Mich interessiert der Mensch, der mir gegenübersitzt. Diese Präsidenten sind zum großen Teil ja nicht mehr am Leben, aber man kann sie ja über Fotografien, Filme, Videosequenzen sich durchaus nahebringen, und ich bin einfach interessiert, mich einem Menschen anzunähern. Und das kann ich natürlich deshalb, weil wir alle letztendlich gleich sind, egal ob jemand Präsident ist – wir tragen alle unseren Totenschädel in uns. Und diese Spannung zwischen dem Lebendigen und dem Vergänglichen, das ist etwas, was sehr reizt."

    So also kam die Galerie der Präsidenten zustande. Ein bisschen sind sie Leute wie du und ich, sterblich, normal, vom Leben gezeichnet. Die Ruhebezüge sind bei ihnen ein wenig höher als bei anderen, aber alle tragen wir den Totenschädel in uns. Memento Mori, ist das die Botschaft aus Bellevue? Soll deutsche Staatskunst bescheiden machen? Von solchen Deutungen will Maler Henze nichts wissen.

    "Ich begreife mich nicht als Staatskünstler, und mir wurde auch richtig gesagt, ich solle damit nicht hausieren gehen. Also ich denke, ich bin kein Staatskünstler, ich bin Maler und hatte das Glück, die zehn bisherigen Bundespräsidenten zu malen. Und das ist es."