Am Dienstagabend stürzten zur gleichen Zeit zwei Flugzeuge ab, die beide in Moskau Domodjedjewo gestartet waren. Die Anzeichen verdichten sich, dass es sich um Anschläge der so genannten Schwarzen Witwen, also tschetschenischer Selbstmordattentäterinnen handelt.
Da ein abermaliges Attentat nicht in Moskaus Politik der Gesundbeterei passt, verfolgte der Kreml zunächst die Informationspolitik des Leugnens, Vertuschens und Abwiegelns. Doch zu viele Zufälle wären im Spiel gewesen, zu viele Hinweise gab es, dass es sich nicht nur um das unglückliche Zusammentreffen zweier Tragödien handelte.
Bestätigt sich der Verdacht, dass Tschetschenen eines oder sogar beide Flugzeuge in die Luft gesprengt haben, würde dies einmal mehr beweisen, dass den Terroristen keineswegs das Handwerk gelegt wurde. Moskaus Tschetschenienpolitik des Diktats und der militärischen Gewalt ist unverändert wirkungs- und erfolglos, trotzdem hält der russische Präsident an ihr fest.
Achmed Kadyrow, sein Statthalter in Tschetschenien, der nicht einmal ein dreiviertel Jahr das Amt des Präsidenten inne hatte, starb im Stadion von Grosny. Mit über 80 Prozent hatten am 5.Oktober 2003 bei angeblich 85 Prozent Wahlbeteiligung den gewendeten Mufti gewählt, der im ersten Tschetschenienkrieg von 1994 bis 96 noch gegen die Russen kämpfte, sich im zweiten dann aber auf ihre Seite schlug.
Die Wahl vor knapp einem Jahr war gefälscht, plump manipuliert. Das Ergebnis von über 80 Prozent sagt nichts über das wahre Verhältnis der Tschetschenen zu Kadyrow aus. Nun soll, muss erneut gewählt werden, und wieder will der Kreml nichts dem Zufall oder gar dem Willen der Wähler überlassen. Wie schon im vergangenen Wahlkampf hat auch in diesem der russische Präsident Wladimir Putin Partei ergriffen und seinem Favoriten Alu Alchanow einen Werbevorteil verschafft, gegen den die restlichen sechs Kandidaten nichts ausrichten und nur noch kapitulieren konnten.
Generalmajor Alchanow, der bislang in der Polizei, nicht aber in der Politik Karriere gemacht hat, fürchtet das gefährliche Amt, das ab Sonntag auf ihn zukommt, nicht.
Mein Schicksal wird so sein, wie Allah es für mich vorgesehen hat, wie es mit dem Augenblick meiner Geburt vorherbestimmt war.
Alchachnows größtes Plus ist seine uneingeschränkte Loyalität. Sein vom Kreml in Moskau vorgegebenes Wahlprogramm ist simpel: Alles so machen wie Achmed Kadyrow.
Es wird keinen Unterschied zwischen der Politik von Achmed Kadyrow und mir geben, es kann ihn gar nicht geben, denn seine Bestrebungen steuerten auf Konsolidierung, Frieden und Stabilität, auf die Entwicklung und das Aufblühen von Tschetschenien. Was soll man daran ändern? Ich war darin mit ihm immer einverstanden und deshalb auch sein Mitstreiter.
Günstigerweise fiel der Geburtstag des getöteten Vorgängers in die letzte Phase des Wahlkampfes. So konnten publikumswirksam Gedenktafeln enthüllt, Straßen benannt und Museen eröffnet werden, immer in Anwesenheit des Kremlfavoriten. Für alle an Kadyrows Geburtstag geborenen Kinder wurden Geldprämien überreicht. Eltern, die ihren Sohn Achmed nannten, bekamen 10.000 Rubel, für alle anderen und Mädchen gab es nur 5.000. Doch diese Glückskinder dürfen ihr Leben lang öffentliche Verkehrsmittel frei benutzen - noch so ein Geschenk, dass ihnen Achmed Kadyrows zu Ehren in die Wiege gelegt wurde. An Kadyrows Grab in seinem Heimatort Zentoroi erinnerte der russische Präsident an den enormen Verlust, den Tschetschenien und Russland insgesamt seiner Meinung nach durch Kadyrows Tod erlitten haben. Mit trauerumflorten Blick stand Putin, Schulter an Schulter mit Alu Alchanow und Ramsan Kadyrow, dem Sohn des getöteten Präsidenten, am frisch aufgeschütteten Grabhügel. Anders als der bärbeißige Kadyrow hat Putins neuer Favorit Alchanow nie gegen Moskaus Truppen gekämpft.
Ich habe von Anfang an auf Seiten des Staates gestanden, weil ich wusste, dass Tschetschenien durch diese illegalen Kämpfe in einen neuen Krieg hineingezogen wird. Ich wusste, wohin die Politik der Anführer Dudajew und Maschadow führt und zwar schon Anfang der 90er Jahre und war kategorisch dagegen.
Alchanow vereinigt damit gleich zwei für Moskau wichtige Qualitäten in seiner Person: die Treue Russland gegenüber und die enge Bindung an Kadyrow. Damit hält Alchanow genau die richtige Balance: nicht zu russisch, nicht zu wenig tschetschenisch. 60 bis 70 Prozent der Stimmen soll der 47jährige am Sonntag holen. Melden die Wahlhelfer andere Ergebnisse, müssen sie, die häufig Staatsbeamte sind, mit ihrer Entlassung rechnen. Über diese unverhohlene Drohung haben Menschenrechtsorganisationen Kenntnis erlangt. Die Wahlhelfer können sich zudem ihres Lebens nicht sicher sein, wie die Überfälle auf die Wahllokale am vergangenen Samstag gezeigt haben. Mindestens 17 Tote waren zu beklagen. Doch trotz der zahlreichen Anschläge, allein seit Kadyrows offizieller Präsidentschaft vor knapp einem Jahr, ist Spitzendkandidat Alchanow davon überzeugt, dass sein Vorgänger die Entwicklung in die richtige Richtung gelenkt hat.
Ja, es stimmt, in der tschetschenischen Republik finden Verbrechen und Terroranschläge statt, das streiten wir nicht ab. Aber sie werden von Jahr zu Jahr bedeutend weniger, denn wir ziehen diese Leute, die diese Verbrechen begehen, zur Verantwortung.
Mit dieser Einschätzung erweist sich auch Alchanow als Gesundbeter. Rund 300 unschuldige Menschen sind allein in den vergangenen neun Monaten getötet worden. Mit den Absturzopfern von Dienstagnacht steigt die Zahl um weitere 90.
Von einer Befriedung kann keine Rede sein, im Gegenteil: Immer mehr Menschen werden jährlich Opfer dieser Anschläge. Statt Sicherheitskräfte abzuziehen, entstehen immer neue Einheiten, wie die von Ramsan Kadyrow, der rund 5.000 Mann befehligen soll. Nach dem Anschlag auf dessen Vater stockte Putin Moskaus Truppen in Tschetschenien noch einmal um 1.000 Mann auf. Insgesamt befinden sich rund 100.000 Sicherheitskräfte in der kleinen Republik, die so groß wie Schleswig-Holstein ist. Auf fünf Einwohner kommt ein Soldat, doch eine andere Lösung als militärische Gewalt und politisches Diktat fällt dem russischen Präsidenten nicht ein, obwohl die Entwicklung zeigt, wie erfolglos dieses Konzept ist. Der Fehler, dem tschetschenischen Volk einen Präsidenten zu verordnen, statt es selbst frei wählen zu lassen, wird sich auch am Sonntag wiederholen. Wie die Wahl im vorigen Oktober war auch schon das Referendum im März 2003 eine einzige Lügenveranstaltung.
Dem schwerreichen tschetschenischen Unternehmer Malik Saidulajew hatten Beobachter große Chancen bei einer erneuten Präsidentschaftswahl eingeräumt. Saidulajew hält Moskaus Tschetschenienpolitik für fatal.
Es bringt nichts, militärisch gegen die Kämpfer vorzugehen. Viel wichtiger ist, für sie Bedingungen zu schaffen, die ihnen eine Rückkehr in das friedliche Leben ermöglichen. Unter Kadyrow und jetzt unter seinem Sohn werden die Kämpfer einfach von den Separatisten in die Kadyrow-Einheit abgeworben, wo sie wiederum unter Waffen stehen.
Man kann von niemandem verlangen aufzugeben, wenn seine Tochter, sein Sohn oder die Mutter ermordet wurden, wenn man seine Frau oder Schwester vergewaltigt hat. Einen solchen Mann kann man nur durch Dialog überzeugen und damit, dass die Beamten für Recht und Ordnung sorgen und die Gesellschaft den einzelnen schützt, so dass er sein Recht nicht mehr selbst mit der Waffe in der Hand durchsetzen muss.
Wie ein Adler so stolz,
wie ein Bergmädchen so schön,
hast du dich nicht ergeben, nicht gezittert, nicht gewankt.
Nach jedem Krieg bist du aus den Ruinen auferstanden.
Grosny - du bist eine Heldenstadt.
Deine Straßen sind Schutt, unsere Kindheit liegt unter Trümmern.
Aber, Grosny, wir sind stolz auf dich.
Lisa Umars Grosny-Titel ist ein Hit, eine Million Mal illegal kopiert und in Umlauf gebracht. Die 38jährige Tschetschenin hat keinen einzigen Rubel daran verdient, weiß am Monatsanfang immer noch nicht, wie sie am Monatsende die 120 Euro Miete für ihre kleine Moskauer Wohnung bezahlen soll. Doch die alleinerziehende Mutter dreier Kinder, Autodidaktin, ist stolz auf ihren Erfolg.
Mir haben schon unzählige tschetschenische Frauen berichtet, dass ihre Männer, wenn sie meine Musik im Auto hören, anhalten müssen. Sie verlassen den Wagen, setzen sich in den Straßengraben, damit die Frauen ihre Tränen nicht sehen. Mir hat ein Mann gesagt, dass er seine Zeit in einem russischen Gefängnis nur ausgehalten hat, weil er in der Zelle mein Lied gehört hat. Es war "Heimat, für die wir so leiden". Und gestern erzählte mir jemand, dass ein Bekannter an einen Kontrollpunkt in Tschetschenien, an dem russische Soldaten dienen, herangefahren ist, die Musik im Auto in voller Lautstärke. Er hörte "Grosny - Heldenstadt". Der russische Soldat, der die Papiere prüfte, sagte, lass an, mach die Musik nicht leiser.
Sie war Flüchtling, als sie 1996 nachts, als alle schon schliefen, in der Küche saß und ihr erstes Lied schrieb. Solange in ihrer Heimat kein Frieden herrscht, kommen ihr immer neue Ideen. Das nächste Album ist in ihrem Kopf bereits fertig. Es erzählt wieder von Grosny, der tschetschenischen Hauptstadt, in die laut russischen Regierungsangaben Milliardenbeträge fließen. Malik Saidulajew, der ausgebremste Präsidentschaftskandidat, fragt sich, was mit all dem Geld geschieht.
Grosny ist eine einzige Ruine, in die nichts investiert wurde. Nicht ein einziges Haus wurde neu aufgebaut. Hin und wieder gibt es mal ein Cafe im Erdgeschoss, oder an der Fassade wurde etwas getan, aber der Rest liegt in Trümmern. Tschetschenien hat angeblich allein im vergangenen Jahr rund 20 Milliarden Rubel Wiederaufbauhilfe bekommen, aber von diesen umgerechnet 600 Millionen Euro habe ich nicht ein einziges Objekt gesehen, für das auch nur eine Millionen Euro ausgegeben worden ist. Außer dem Regierungsgebäude, dem Innenministerium und dem Sitz der tschetschenischen Ölgesellschaft ist kaum etwas neu entstanden. Diese Gebäude werden mit Panzern, Sicherheitsdiensten und Zäunen geschützt, man versteckt sich vor dem Volk. Die Menschen sollten Kompensationszahlungen für ihre zerstörten Häuser bekommen. Tatsächlich haben bislang nur 20 Prozent der Berechtigten das Geld erhalten, und auch das nur zu einem Drittel, den Rest haben die Beamten in ihre eigenen Taschen gesteckt.
Es sind die Kriegsgewinnler, die ein Ende des fast zwölf Jahre währenden Konflikts unter allen Umständen verhindern wollen. Die nicht nur die Wiederaufbauhilfen einstecken, sondern auch an den Rüstungsausgaben verdienen. Kaum jemand prüft nämlich nach, welches Kriegsgerät tatsächlich beschafft wurde, was zum Einsatz kam und im Kampf verloren wurde. Soldaten wie Vorgesetzte verdienen sich mehr als nur ein Zubrot mit dem Verhökern der Waffen an die Gegenseite.
Dass der Kremlkandidat Alu Alchanow diesen finsteren Machenschaften ein Ende bereitet, ist kaum anzunehmen. Im Gegenteil. Er fordert, Tschetschenien zu einer Sonderwirtschaftszone zu deklarieren. Damit dürfte Kontrolle von außen nur noch schwerer möglich sein.
Niemand wird in Tschetschenien Geld investieren, wenn nicht zusätzliche Steuer- oder Zollanreize geschaffen werden. Und wenn das Bankkapital, das jedes Jahr mehr ins Ausland fließt, in Tschetschenien investiert werden würde, was könnte damit alles geschaffen werden. Wie nützlich könnte dieses Geld nicht nur für Tschetschenien, sondern auch für Russland sein.
Alachnow gilt trotz seines mehr als wahrscheinlichen Wahlsieges am kommenden Sonntag nur als Mann des Übergangs, der dafür sorgen muss, dass die Macht in den Händen des Kadyrow-Clans bleibt. Zwei Jahre, bis zur politischen Volljährigkeit Ramsan Kadyrows muss er aushalten. Magomed Alchasurow, ehemaliger Nationalitätenminister in Tschetschenien, beschreibt das denkbare Szenario:
Sie bereiten Ramsan Kadyrow für das Amt seines Vaters vor. Das war natürlich auch der Grund, warum er zusammen mit dem Präsidenten im Fernsehen gezeigt wird. Von Leuten aus seiner Umgebung weiß ich, dass sie so etwas ähnliches ohnehin vorhatten. Der Vater sollte zwei Amtszeiten lang an der Macht bleiben und dann von Ramsan abgelöst werden. Genau so geschieht es jetzt, nur eben früher.
Der Interimskandidat Alchanow, der als Uniformträger das Empfangen und Ausführen von Befehlen gewohnt ist, macht gute Mine zu diesem undemokratischen Spiel.
Wer immer zum Präsidenten gewählt werden wird, weiß sehr genau, dass er an Ramsan Kadyrow nicht vorbeikommt. Ramsan kämpft gegen das Verbrechen, gegen den Terrorismus und Wahhabismus und hat in diesem Kampf seine allernächsten Angehörigen verloren. Er ist ein Mann, der sich zutiefst um das Schicksal seiner Heimat sorgt. Er ist auf dem richtigen Platz, und ich bin davon überzeugt, dass er dem tschetschenischen Volk und Russland insgesamt noch von großem Nutzen sein wird.
Kandidaten, die im vorigen Herbst seinen Vater herausgefordert haben, dürften sich weit weniger lobend äußern über den grobschlächtigen, ungelenken Kommandeur der von seinem Vater geschaffenen Sondertruppe, die Kadyrow-Gegner mit brutaler Gewalt in die Schranken weist.
Kyrill Karateejew, Jurist bei der Hilfsorganisation Memorial, die seit Jahren Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien dokumentiert.
Ramsan Kadyrow ist ein Mann, bei dem in vielen Fällen der begründete Verdacht vorliegt, dass er Gewalt gegen Zivilisten angewendet, dass er getötet und Menschen ihrer Freiheit beraubt hat.
Doch Ramsan Kadyrow ist dem Kreml nützlich. Genau wie sein Vater erledigt er die Schmutzarbeit für Moskau, bekämpft die Rebellen in den Bergen und zwingt die Tschetschenen mit Gewalt zusammen. Auch die Tschetschenienexpertin und Journalistin Anna Politkowskaja hat Belege für die Brutalität des möglicherweise kommenden Hoffnungsträgers in Tschetschenien, den Präsident Putin so unverhohlen protegiert.
Er ist ein äußerst brutaler Mann. Sein Stabschef ist mindestens genauso grausam. Er hat vorher im Kommando des Terroristenführers Schamil Bassajew gekämpft und dann die Seiten gewechselt.
Ich habe verschiedene Leute getroffen, die mir erzählt haben, dass sie von Ramsan Kadyrow höchstpersönlich gefoltert worden sind, und zwar im Hause der Kadyrows in Zentaroi, wo der Vater beerdigt worden ist. Bei den Personen hat es sich um Wahlhelfer anderer Präsidentschaftskandidaten gehandelt. Er und sein zweiter Mann haben sie mit grausamen Methoden im August und September vorigen Jahres, also mitten im Wahlkampf, gefoltert. Einer erzählte, dass ihm die Haut auf dem Rücken in feinen Streifen abgeschnitten wurde. Das ist ein Niveau wie im Mittelalter. Und in diesem Zentaroi, das inzwischen ja ausgebaut ist wie eine Festung, sollen nach den Folterungen Orgien stattgefunden haben, auch das haben mir die Opfer persönlich erzählt.
Anders als die allermeisten anderen Zeitungen wird die "Nowaja Gaseta", für die Anna Poltikowskaja schreibt, nicht müde, die andauernden Vergehen an die Zivilbevölkerung von Seiten der Kadyrow-Truppe und auch durch die Sicherheitskräfte des russischen und tschetschenischen Innenministeriums zu veröffentlichen. Mit der Gründung der Kadyrow-Truppe ist die Situation für die einfachen Menschen in Tschetschenien noch unübersichtlicher und gefährlicher geworden. Sie geraten zwischen die Mühlsteine von Rebellen, Moskaus Truppen und Kadyrows Leuten. Politkowskaja warnt eindringlich vor dem 27jährigen Ramsan, der bislang die meiste Zeit seines Lebens eine Waffe in der Hand trug.
Dieser Mann kann auf Grund seiner kriminellen Vergangenheit kein Präsident sein. Er kann es nicht sein, weil er völlig ungebildet, äußerst brutal und zudem noch korrupt ist. Das wäre ein großes Unglück für das tschetschenische Volk.
Optimisten halten jedoch auch noch ein anderes Szenario für möglich. Alchanow und Putin haben jetzt zwar die Popularität und unbestrittene Autorität des ermordeten Vorgängers Kadyrow genutzt, um den Wahlsieg sicherzustellen. Aber einmal im Amt löst sich der stets Moskautreue und damit verlässliche Generalmajor dann von der Kadyrow-Familie und weist vor allem Ramsan in seine Schranken.
Dezent, aber doch unüberhörbar, hat auch Präsident Putin dieser Tage den allzeit gewaltbereiten Sohn schon zurückgepfiffen, als der nämlich in den Konflikt um die Nachbarrepublik Georgien Öl ins Feuer gießen wollte. Ramsan Kadyrow schlug vor, seine Truppe nach Südossetien zu schicken, um mit den russlandfreundlichen Osseten gegen die Georgier zu kämpfen. Soviel Forschheit war selbst Putin zuviel.
Und noch eine Niederlage hatte Ramsan zu verkraften. Der leidenschaftliche Fußballfan musste zu Hause bleiben, als gestern die Anhänger des tschetschenischen Meisterclubs Terek ihre Mannschaft in Polen beim UEFA-Cup-Spiel moralisch unterstützen. Sie feuerten sie nicht nur mit lauten Schlachtrufen, sondern auch im stillen Gebet an, wie dieser Fan.
Ich habe Allah gebeten, dass er der Mannschaft bei ihrem Sieg und den Schritt in die nächste Qualifizierungsrunde hilft.
In Polen gilt Ramsan Kadyrow als Kriegsverbrecher, den die Polizei kurzerhand festnehmen könnte, deshalb ist er lieber zu Hause geblieben.
Ob mit Alu Alchanow Tschetschenien zu Ruhe, Frieden und Ordnung zurückfindet, hängt maßgeblich vom Kreml ab. Alchanow erfüllt, was seine Vorgesetzten ihm auftragen. Bleibt zu hoffen, dass ihre Befehle klüger sind, als in der Vergangenheit.
Da ein abermaliges Attentat nicht in Moskaus Politik der Gesundbeterei passt, verfolgte der Kreml zunächst die Informationspolitik des Leugnens, Vertuschens und Abwiegelns. Doch zu viele Zufälle wären im Spiel gewesen, zu viele Hinweise gab es, dass es sich nicht nur um das unglückliche Zusammentreffen zweier Tragödien handelte.
Bestätigt sich der Verdacht, dass Tschetschenen eines oder sogar beide Flugzeuge in die Luft gesprengt haben, würde dies einmal mehr beweisen, dass den Terroristen keineswegs das Handwerk gelegt wurde. Moskaus Tschetschenienpolitik des Diktats und der militärischen Gewalt ist unverändert wirkungs- und erfolglos, trotzdem hält der russische Präsident an ihr fest.
Achmed Kadyrow, sein Statthalter in Tschetschenien, der nicht einmal ein dreiviertel Jahr das Amt des Präsidenten inne hatte, starb im Stadion von Grosny. Mit über 80 Prozent hatten am 5.Oktober 2003 bei angeblich 85 Prozent Wahlbeteiligung den gewendeten Mufti gewählt, der im ersten Tschetschenienkrieg von 1994 bis 96 noch gegen die Russen kämpfte, sich im zweiten dann aber auf ihre Seite schlug.
Die Wahl vor knapp einem Jahr war gefälscht, plump manipuliert. Das Ergebnis von über 80 Prozent sagt nichts über das wahre Verhältnis der Tschetschenen zu Kadyrow aus. Nun soll, muss erneut gewählt werden, und wieder will der Kreml nichts dem Zufall oder gar dem Willen der Wähler überlassen. Wie schon im vergangenen Wahlkampf hat auch in diesem der russische Präsident Wladimir Putin Partei ergriffen und seinem Favoriten Alu Alchanow einen Werbevorteil verschafft, gegen den die restlichen sechs Kandidaten nichts ausrichten und nur noch kapitulieren konnten.
Generalmajor Alchanow, der bislang in der Polizei, nicht aber in der Politik Karriere gemacht hat, fürchtet das gefährliche Amt, das ab Sonntag auf ihn zukommt, nicht.
Mein Schicksal wird so sein, wie Allah es für mich vorgesehen hat, wie es mit dem Augenblick meiner Geburt vorherbestimmt war.
Alchachnows größtes Plus ist seine uneingeschränkte Loyalität. Sein vom Kreml in Moskau vorgegebenes Wahlprogramm ist simpel: Alles so machen wie Achmed Kadyrow.
Es wird keinen Unterschied zwischen der Politik von Achmed Kadyrow und mir geben, es kann ihn gar nicht geben, denn seine Bestrebungen steuerten auf Konsolidierung, Frieden und Stabilität, auf die Entwicklung und das Aufblühen von Tschetschenien. Was soll man daran ändern? Ich war darin mit ihm immer einverstanden und deshalb auch sein Mitstreiter.
Günstigerweise fiel der Geburtstag des getöteten Vorgängers in die letzte Phase des Wahlkampfes. So konnten publikumswirksam Gedenktafeln enthüllt, Straßen benannt und Museen eröffnet werden, immer in Anwesenheit des Kremlfavoriten. Für alle an Kadyrows Geburtstag geborenen Kinder wurden Geldprämien überreicht. Eltern, die ihren Sohn Achmed nannten, bekamen 10.000 Rubel, für alle anderen und Mädchen gab es nur 5.000. Doch diese Glückskinder dürfen ihr Leben lang öffentliche Verkehrsmittel frei benutzen - noch so ein Geschenk, dass ihnen Achmed Kadyrows zu Ehren in die Wiege gelegt wurde. An Kadyrows Grab in seinem Heimatort Zentoroi erinnerte der russische Präsident an den enormen Verlust, den Tschetschenien und Russland insgesamt seiner Meinung nach durch Kadyrows Tod erlitten haben. Mit trauerumflorten Blick stand Putin, Schulter an Schulter mit Alu Alchanow und Ramsan Kadyrow, dem Sohn des getöteten Präsidenten, am frisch aufgeschütteten Grabhügel. Anders als der bärbeißige Kadyrow hat Putins neuer Favorit Alchanow nie gegen Moskaus Truppen gekämpft.
Ich habe von Anfang an auf Seiten des Staates gestanden, weil ich wusste, dass Tschetschenien durch diese illegalen Kämpfe in einen neuen Krieg hineingezogen wird. Ich wusste, wohin die Politik der Anführer Dudajew und Maschadow führt und zwar schon Anfang der 90er Jahre und war kategorisch dagegen.
Alchanow vereinigt damit gleich zwei für Moskau wichtige Qualitäten in seiner Person: die Treue Russland gegenüber und die enge Bindung an Kadyrow. Damit hält Alchanow genau die richtige Balance: nicht zu russisch, nicht zu wenig tschetschenisch. 60 bis 70 Prozent der Stimmen soll der 47jährige am Sonntag holen. Melden die Wahlhelfer andere Ergebnisse, müssen sie, die häufig Staatsbeamte sind, mit ihrer Entlassung rechnen. Über diese unverhohlene Drohung haben Menschenrechtsorganisationen Kenntnis erlangt. Die Wahlhelfer können sich zudem ihres Lebens nicht sicher sein, wie die Überfälle auf die Wahllokale am vergangenen Samstag gezeigt haben. Mindestens 17 Tote waren zu beklagen. Doch trotz der zahlreichen Anschläge, allein seit Kadyrows offizieller Präsidentschaft vor knapp einem Jahr, ist Spitzendkandidat Alchanow davon überzeugt, dass sein Vorgänger die Entwicklung in die richtige Richtung gelenkt hat.
Ja, es stimmt, in der tschetschenischen Republik finden Verbrechen und Terroranschläge statt, das streiten wir nicht ab. Aber sie werden von Jahr zu Jahr bedeutend weniger, denn wir ziehen diese Leute, die diese Verbrechen begehen, zur Verantwortung.
Mit dieser Einschätzung erweist sich auch Alchanow als Gesundbeter. Rund 300 unschuldige Menschen sind allein in den vergangenen neun Monaten getötet worden. Mit den Absturzopfern von Dienstagnacht steigt die Zahl um weitere 90.
Von einer Befriedung kann keine Rede sein, im Gegenteil: Immer mehr Menschen werden jährlich Opfer dieser Anschläge. Statt Sicherheitskräfte abzuziehen, entstehen immer neue Einheiten, wie die von Ramsan Kadyrow, der rund 5.000 Mann befehligen soll. Nach dem Anschlag auf dessen Vater stockte Putin Moskaus Truppen in Tschetschenien noch einmal um 1.000 Mann auf. Insgesamt befinden sich rund 100.000 Sicherheitskräfte in der kleinen Republik, die so groß wie Schleswig-Holstein ist. Auf fünf Einwohner kommt ein Soldat, doch eine andere Lösung als militärische Gewalt und politisches Diktat fällt dem russischen Präsidenten nicht ein, obwohl die Entwicklung zeigt, wie erfolglos dieses Konzept ist. Der Fehler, dem tschetschenischen Volk einen Präsidenten zu verordnen, statt es selbst frei wählen zu lassen, wird sich auch am Sonntag wiederholen. Wie die Wahl im vorigen Oktober war auch schon das Referendum im März 2003 eine einzige Lügenveranstaltung.
Dem schwerreichen tschetschenischen Unternehmer Malik Saidulajew hatten Beobachter große Chancen bei einer erneuten Präsidentschaftswahl eingeräumt. Saidulajew hält Moskaus Tschetschenienpolitik für fatal.
Es bringt nichts, militärisch gegen die Kämpfer vorzugehen. Viel wichtiger ist, für sie Bedingungen zu schaffen, die ihnen eine Rückkehr in das friedliche Leben ermöglichen. Unter Kadyrow und jetzt unter seinem Sohn werden die Kämpfer einfach von den Separatisten in die Kadyrow-Einheit abgeworben, wo sie wiederum unter Waffen stehen.
Man kann von niemandem verlangen aufzugeben, wenn seine Tochter, sein Sohn oder die Mutter ermordet wurden, wenn man seine Frau oder Schwester vergewaltigt hat. Einen solchen Mann kann man nur durch Dialog überzeugen und damit, dass die Beamten für Recht und Ordnung sorgen und die Gesellschaft den einzelnen schützt, so dass er sein Recht nicht mehr selbst mit der Waffe in der Hand durchsetzen muss.
Wie ein Adler so stolz,
wie ein Bergmädchen so schön,
hast du dich nicht ergeben, nicht gezittert, nicht gewankt.
Nach jedem Krieg bist du aus den Ruinen auferstanden.
Grosny - du bist eine Heldenstadt.
Deine Straßen sind Schutt, unsere Kindheit liegt unter Trümmern.
Aber, Grosny, wir sind stolz auf dich.
Lisa Umars Grosny-Titel ist ein Hit, eine Million Mal illegal kopiert und in Umlauf gebracht. Die 38jährige Tschetschenin hat keinen einzigen Rubel daran verdient, weiß am Monatsanfang immer noch nicht, wie sie am Monatsende die 120 Euro Miete für ihre kleine Moskauer Wohnung bezahlen soll. Doch die alleinerziehende Mutter dreier Kinder, Autodidaktin, ist stolz auf ihren Erfolg.
Mir haben schon unzählige tschetschenische Frauen berichtet, dass ihre Männer, wenn sie meine Musik im Auto hören, anhalten müssen. Sie verlassen den Wagen, setzen sich in den Straßengraben, damit die Frauen ihre Tränen nicht sehen. Mir hat ein Mann gesagt, dass er seine Zeit in einem russischen Gefängnis nur ausgehalten hat, weil er in der Zelle mein Lied gehört hat. Es war "Heimat, für die wir so leiden". Und gestern erzählte mir jemand, dass ein Bekannter an einen Kontrollpunkt in Tschetschenien, an dem russische Soldaten dienen, herangefahren ist, die Musik im Auto in voller Lautstärke. Er hörte "Grosny - Heldenstadt". Der russische Soldat, der die Papiere prüfte, sagte, lass an, mach die Musik nicht leiser.
Sie war Flüchtling, als sie 1996 nachts, als alle schon schliefen, in der Küche saß und ihr erstes Lied schrieb. Solange in ihrer Heimat kein Frieden herrscht, kommen ihr immer neue Ideen. Das nächste Album ist in ihrem Kopf bereits fertig. Es erzählt wieder von Grosny, der tschetschenischen Hauptstadt, in die laut russischen Regierungsangaben Milliardenbeträge fließen. Malik Saidulajew, der ausgebremste Präsidentschaftskandidat, fragt sich, was mit all dem Geld geschieht.
Grosny ist eine einzige Ruine, in die nichts investiert wurde. Nicht ein einziges Haus wurde neu aufgebaut. Hin und wieder gibt es mal ein Cafe im Erdgeschoss, oder an der Fassade wurde etwas getan, aber der Rest liegt in Trümmern. Tschetschenien hat angeblich allein im vergangenen Jahr rund 20 Milliarden Rubel Wiederaufbauhilfe bekommen, aber von diesen umgerechnet 600 Millionen Euro habe ich nicht ein einziges Objekt gesehen, für das auch nur eine Millionen Euro ausgegeben worden ist. Außer dem Regierungsgebäude, dem Innenministerium und dem Sitz der tschetschenischen Ölgesellschaft ist kaum etwas neu entstanden. Diese Gebäude werden mit Panzern, Sicherheitsdiensten und Zäunen geschützt, man versteckt sich vor dem Volk. Die Menschen sollten Kompensationszahlungen für ihre zerstörten Häuser bekommen. Tatsächlich haben bislang nur 20 Prozent der Berechtigten das Geld erhalten, und auch das nur zu einem Drittel, den Rest haben die Beamten in ihre eigenen Taschen gesteckt.
Es sind die Kriegsgewinnler, die ein Ende des fast zwölf Jahre währenden Konflikts unter allen Umständen verhindern wollen. Die nicht nur die Wiederaufbauhilfen einstecken, sondern auch an den Rüstungsausgaben verdienen. Kaum jemand prüft nämlich nach, welches Kriegsgerät tatsächlich beschafft wurde, was zum Einsatz kam und im Kampf verloren wurde. Soldaten wie Vorgesetzte verdienen sich mehr als nur ein Zubrot mit dem Verhökern der Waffen an die Gegenseite.
Dass der Kremlkandidat Alu Alchanow diesen finsteren Machenschaften ein Ende bereitet, ist kaum anzunehmen. Im Gegenteil. Er fordert, Tschetschenien zu einer Sonderwirtschaftszone zu deklarieren. Damit dürfte Kontrolle von außen nur noch schwerer möglich sein.
Niemand wird in Tschetschenien Geld investieren, wenn nicht zusätzliche Steuer- oder Zollanreize geschaffen werden. Und wenn das Bankkapital, das jedes Jahr mehr ins Ausland fließt, in Tschetschenien investiert werden würde, was könnte damit alles geschaffen werden. Wie nützlich könnte dieses Geld nicht nur für Tschetschenien, sondern auch für Russland sein.
Alachnow gilt trotz seines mehr als wahrscheinlichen Wahlsieges am kommenden Sonntag nur als Mann des Übergangs, der dafür sorgen muss, dass die Macht in den Händen des Kadyrow-Clans bleibt. Zwei Jahre, bis zur politischen Volljährigkeit Ramsan Kadyrows muss er aushalten. Magomed Alchasurow, ehemaliger Nationalitätenminister in Tschetschenien, beschreibt das denkbare Szenario:
Sie bereiten Ramsan Kadyrow für das Amt seines Vaters vor. Das war natürlich auch der Grund, warum er zusammen mit dem Präsidenten im Fernsehen gezeigt wird. Von Leuten aus seiner Umgebung weiß ich, dass sie so etwas ähnliches ohnehin vorhatten. Der Vater sollte zwei Amtszeiten lang an der Macht bleiben und dann von Ramsan abgelöst werden. Genau so geschieht es jetzt, nur eben früher.
Der Interimskandidat Alchanow, der als Uniformträger das Empfangen und Ausführen von Befehlen gewohnt ist, macht gute Mine zu diesem undemokratischen Spiel.
Wer immer zum Präsidenten gewählt werden wird, weiß sehr genau, dass er an Ramsan Kadyrow nicht vorbeikommt. Ramsan kämpft gegen das Verbrechen, gegen den Terrorismus und Wahhabismus und hat in diesem Kampf seine allernächsten Angehörigen verloren. Er ist ein Mann, der sich zutiefst um das Schicksal seiner Heimat sorgt. Er ist auf dem richtigen Platz, und ich bin davon überzeugt, dass er dem tschetschenischen Volk und Russland insgesamt noch von großem Nutzen sein wird.
Kandidaten, die im vorigen Herbst seinen Vater herausgefordert haben, dürften sich weit weniger lobend äußern über den grobschlächtigen, ungelenken Kommandeur der von seinem Vater geschaffenen Sondertruppe, die Kadyrow-Gegner mit brutaler Gewalt in die Schranken weist.
Kyrill Karateejew, Jurist bei der Hilfsorganisation Memorial, die seit Jahren Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien dokumentiert.
Ramsan Kadyrow ist ein Mann, bei dem in vielen Fällen der begründete Verdacht vorliegt, dass er Gewalt gegen Zivilisten angewendet, dass er getötet und Menschen ihrer Freiheit beraubt hat.
Doch Ramsan Kadyrow ist dem Kreml nützlich. Genau wie sein Vater erledigt er die Schmutzarbeit für Moskau, bekämpft die Rebellen in den Bergen und zwingt die Tschetschenen mit Gewalt zusammen. Auch die Tschetschenienexpertin und Journalistin Anna Politkowskaja hat Belege für die Brutalität des möglicherweise kommenden Hoffnungsträgers in Tschetschenien, den Präsident Putin so unverhohlen protegiert.
Er ist ein äußerst brutaler Mann. Sein Stabschef ist mindestens genauso grausam. Er hat vorher im Kommando des Terroristenführers Schamil Bassajew gekämpft und dann die Seiten gewechselt.
Ich habe verschiedene Leute getroffen, die mir erzählt haben, dass sie von Ramsan Kadyrow höchstpersönlich gefoltert worden sind, und zwar im Hause der Kadyrows in Zentaroi, wo der Vater beerdigt worden ist. Bei den Personen hat es sich um Wahlhelfer anderer Präsidentschaftskandidaten gehandelt. Er und sein zweiter Mann haben sie mit grausamen Methoden im August und September vorigen Jahres, also mitten im Wahlkampf, gefoltert. Einer erzählte, dass ihm die Haut auf dem Rücken in feinen Streifen abgeschnitten wurde. Das ist ein Niveau wie im Mittelalter. Und in diesem Zentaroi, das inzwischen ja ausgebaut ist wie eine Festung, sollen nach den Folterungen Orgien stattgefunden haben, auch das haben mir die Opfer persönlich erzählt.
Anders als die allermeisten anderen Zeitungen wird die "Nowaja Gaseta", für die Anna Poltikowskaja schreibt, nicht müde, die andauernden Vergehen an die Zivilbevölkerung von Seiten der Kadyrow-Truppe und auch durch die Sicherheitskräfte des russischen und tschetschenischen Innenministeriums zu veröffentlichen. Mit der Gründung der Kadyrow-Truppe ist die Situation für die einfachen Menschen in Tschetschenien noch unübersichtlicher und gefährlicher geworden. Sie geraten zwischen die Mühlsteine von Rebellen, Moskaus Truppen und Kadyrows Leuten. Politkowskaja warnt eindringlich vor dem 27jährigen Ramsan, der bislang die meiste Zeit seines Lebens eine Waffe in der Hand trug.
Dieser Mann kann auf Grund seiner kriminellen Vergangenheit kein Präsident sein. Er kann es nicht sein, weil er völlig ungebildet, äußerst brutal und zudem noch korrupt ist. Das wäre ein großes Unglück für das tschetschenische Volk.
Optimisten halten jedoch auch noch ein anderes Szenario für möglich. Alchanow und Putin haben jetzt zwar die Popularität und unbestrittene Autorität des ermordeten Vorgängers Kadyrow genutzt, um den Wahlsieg sicherzustellen. Aber einmal im Amt löst sich der stets Moskautreue und damit verlässliche Generalmajor dann von der Kadyrow-Familie und weist vor allem Ramsan in seine Schranken.
Dezent, aber doch unüberhörbar, hat auch Präsident Putin dieser Tage den allzeit gewaltbereiten Sohn schon zurückgepfiffen, als der nämlich in den Konflikt um die Nachbarrepublik Georgien Öl ins Feuer gießen wollte. Ramsan Kadyrow schlug vor, seine Truppe nach Südossetien zu schicken, um mit den russlandfreundlichen Osseten gegen die Georgier zu kämpfen. Soviel Forschheit war selbst Putin zuviel.
Und noch eine Niederlage hatte Ramsan zu verkraften. Der leidenschaftliche Fußballfan musste zu Hause bleiben, als gestern die Anhänger des tschetschenischen Meisterclubs Terek ihre Mannschaft in Polen beim UEFA-Cup-Spiel moralisch unterstützen. Sie feuerten sie nicht nur mit lauten Schlachtrufen, sondern auch im stillen Gebet an, wie dieser Fan.
Ich habe Allah gebeten, dass er der Mannschaft bei ihrem Sieg und den Schritt in die nächste Qualifizierungsrunde hilft.
In Polen gilt Ramsan Kadyrow als Kriegsverbrecher, den die Polizei kurzerhand festnehmen könnte, deshalb ist er lieber zu Hause geblieben.
Ob mit Alu Alchanow Tschetschenien zu Ruhe, Frieden und Ordnung zurückfindet, hängt maßgeblich vom Kreml ab. Alchanow erfüllt, was seine Vorgesetzten ihm auftragen. Bleibt zu hoffen, dass ihre Befehle klüger sind, als in der Vergangenheit.