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Präsidentschaftswahl in Polen
Trzaskowski spielt auf Zeit

Die Präsidentschaftswahl in Polen ist aufgrund der Corona-Pandemie verschoben. Der Regierungspartei PiS kommt das nicht gelegen. Denn der Vorsprung von Amtsinhaber Andrzej Duda schmilzt. Die Opposition positioniert sich derweil mit einem neuen Herausforderer: Warschauer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski.

Von Florian Kellermann | 23.05.2020
Rafal Trzaskowski blickt bei einer politischen Veranstaltung mit ernster Miene.
Überraschend hat die polnische Opposition den beliebten Warschauer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski zum Herausforderer von Präsident Andrzej Duda nominiert. (imago/Eastnews)
Die Karten werden neu gemischt für die polnische Präsidentschaftswahl. Rafal Trzaskowski, der neue Kandidat, landet in Umfragen schon bei rund 15 Prozent. Damit hat er gute Chancen, gegen den Amtsinhaber Andrzej Duda in eine Stichwahl einzuziehen. Der 48-Jährige machte sofort klar, dass er einen harten Wahlkampf führen will.
"Ich stehe vor Ihnen als Kandidat, der die riesige Verantwortung auf sich nimmt, für einen starken Staat, für ein demokratisches Polen zu kämpfen. Ich kämpfe für ein Polen, in dem wir aus unseren Fehlern lernen. Wo aber nicht all das mit Füßen getreten wird, was wir in den vergangenen 30 Jahren gemeinsam erreicht haben."
Wahlverschiebung mischt die Karten neu
Trzaskowski will die rechtskonservative Regierungspartei PiS frontal angehen – und mit ihr den Amtsinhaber Andrzej Duda. Deren Justizreform gefährde die Gewaltenteilung, und die öffentlichen Medien verbreiteten nur noch Regierungspropaganda. Trzaskowski geht so weit, dass er die Nachrichten im öffentlichen Fernsehen ganz abschaffen will.
Mit diesem Stil setzt er sich deutlich ab von der bisherigen Kandidatin der rechtsliberalen "Bürgerplattform", kurz PO. Malgorzata Kidawa-Blonska hatte auf versöhnliche Töne gesetzt. Doch ihre Umfragewerte waren zuletzt eingebrochen.
Wahlwerbung für die polnische Präsidentschaftswahl
Polens Präsidentschaftswahl - Streit um die Wahlverschiebung
Millionen Polen verfolgten im die TV-Debatte kurz vor der Präsidentschaftswahl. Neben dem amtierenden Präsidenten Duda haben drei Kandidaten und eine Kandidatin eine reale Chance.
Corona und die Verschiebung der Präsidentschaftswahl geben dem Anti-Regierungslager neue Hoffnung, so dem Publizisten Tomasz Lis. Er sagte im privaten Radiosender TOK FM:
"Fast alles hat sich geändert in der vergangenen Woche. Wir haben einen echten Kandidaten einer echten Opposition. Der amtierende Präsident fällt in Umfragen zum ersten Mal unter die 40-Prozent-Marke. Das ist eine Trendwende. Das heißt, schon im ersten Wahlgang werden die beiden in etwa gleichauf liegen."
Trzaskowski bietet ausreichend Angriffsfläche
Trzaskowski gewann die Bürgermeisterwahl in Warschau vor zwei Jahren furios im ersten Wahlgang. Für ihn spricht auch, dass er die Basis der "Bürgerplattform" begeistert.
Allerdings bietet der Doktor der Politologie auch genug Angriffsfläche. Die PiS-Strategen werden ihn als typischen Warschauer Yuppie darstellen, mit Studienaufenthalt in Oxford, modischer Kleidung und Drei-Tage-Bart. Gerade auf dem Land und in kleineren Städten könnte ihm dieses Image schaden.
Seine Wahlversprechen hat Trzaskowski nicht alle erfüllt
Außerdem ist Trzaskowskis Bilanz in Warschau nicht unbedingt glänzend. Die meisten Wahlversprechen, darunter neue Straßenbahnlinien und unterirdische Parkplätze, hat er bisher nicht erfüllt.
Der Kandidat setzt nun konsequent auf ein aktuelles Thema, die Corona-Maßnahmen der Regierung: "Ihr hattet doch auch das Gefühl, dass manche dieser Entscheidungen nicht besonders gut durchdacht waren. Erst sollten wir keine Masken tragen, jetzt müssen wir sie tragen. Die Wälder und Parks wurden geschlossen, um sie zwei Wochen später mit großem Tamtam wieder zugänglich zu machen. Und dann plötzlich die Öffnung der Wirtschaft. Ich freue mich darüber, aber auch das geschah planlos."
Wie die Bürger das Corona-Management der Regierung bewerten, könnte die Wahl letztendlich entscheiden. Bisher zeigten sich die meisten Polen zufrieden, aber der Unmut über die wirtschaftlichen und finanziellen Einbußen wächst.