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Präsidialer Selbstversuch in der Studentenbude

In Frankfurt sind Wohnräume exorbitant teuer. Das minimalistische Studentenhausen will Univize Manfred Schubert-Zsilavecz am eigenen Leib erleben und demonstrieren - und ist dafür auf 15 Quadratmeter gezogen.

Von Anke Petermann |
    Orangefarbene Tür, grau getünchte Wände - bei 15 Quadratmetern ist die Zimmerbesichtigung schnell erledigt: der Schreibtisch samt ausgesessenem Leder-Drehstuhl, eigenem Laptop und Handy dient als temporäres Vizepräsidenten-Büro, direkt dahinter die Kochnische mit zwei Herdplatten und Einbauschrank,

    "… dann habe ich hier mein Bett, das ist ein sehr bescheidenes Bett, man könnte fast meinen, man sei in einer klösterlichen Zelle, aber das Bett ist gut, die Matratze ist top. Ich hatte im letzten Jahr nicht den Luxus einer eigenen Nasszelle, bei meinem ersten Aufenthalt in einem Studenten-Wohnheim in der Ludwig-Landmann-Straße, aber diesmal habe ich den Luxus einer eigenen Nasszelle, ich kann das gern auch zeigen ... da muss ich kurz ausstecken ..."

    Das Kabel des Wasserkochers hängt vor der Tür, Manfred Schubert- Zsilavecz zieht den Stecker und gibt den Blick frei auf ein weiß gefliestes Raumwunder mit Dusche, Toilette, Waschbecken. Mag sein, dass dem gebürtigen Steiermärker die Almhütten-Erfahrung auf 500 Meter Höhe mit 120 Stück Jungvieh zur Genügsamkeit verhilft - der Vizepräsident ist jedenfalls zufrieden mit seiner Sommerfrische im Betonturm - bis auf wenige Details. Der Professor blickt erst zur Decke, dann auf die gescheckten PVC Fliesen.:

    "Die Neonbeleuchtung ist tatsächlich ungemütlich, und ich habe dem Studentenwerk schon ein paar Vorschläge gemacht, wie man diese doch im Prinzip nicht schlechten Wohneinheiten ein klein wenig attraktiver gestalten könnte. Würde man hier so einen kleine Schirm machen, würde man das Licht ein bisschen dämpfen, und um's mal vorsichtig auszudrücken: der Charme meines Bodens in diesem Zimmer ist übersichtlich, man könnte sicherlich mit wenig Aufwand einen schöneren Boden da rein legen."

    Dass der Vizepräsident der Uni Frankfurt im selben Wohnheim lebt, für zwei Monate immerhin - die Musikstudentin im 13. Semester kann es kaum fassen:

    "Das ist mir komplett unbekannt, mich wundert's aber. Der Vizepräsident - was sucht der hier?"

    Preiswerten Wohnraum jedenfalls nicht, üblicherweise lebt der Professor für pharmazeutische Chemie mit seiner Familie in Bad Homburg. Mit dem Aufenthalt will Schubert-Zsilavecz unter anderem darauf aufmerksam machen, dass Studierende in der Bankenmetropole kaum eine günstige Bleibe finden.

    "Wir haben hier einen eklatanten Standort-Nachteil. Wenn wir uns mit anderen Universitätsstädten vergleichen, befinden wir uns im untersten und nicht im obersten Drittel."

    ... was Wohnheimplätze angeht und preiswerte Studenten-Unterkünfte insgesamt. Im kommenden Jahr aber wird ein verwaistes Polizei-Kommissariat zum Wohnheim umgebaut, Schubert-Zsilavec hofft darauf, dass das Land Hessen weitere Immobilien zur Verfügung stellt, er appelliert außerdem an Wohnungseigentümer, Studierende als Mieter zu akzeptieren. Und ganz nebenbei bekommt er bei Flurgesprächen mit, wie Geldsorgen, Zeitdruck und Probleme mit der Jobsuche die Studierenden plagen. Dass sich der Zuständige für Studium und Lehrer an der Uni Frankfurt das alles anhört ...

    "Das find ich aber sympathisch, muss ich sagen."

    Sechs Uhr aufstehen, Arbeiten am Laptop, Termine im Präsidium oder im Institut für pharmazeutische Chemie - das Tagesprogramm des Vize-Präsidenten weicht ab von dem seiner Mitbewohner. Partys feiert er nicht auf 15 Quadratmetern, aber Besuch empfängt er:

    "Ich erwarte den Präsidenten am Montagabend, ich werde noch einen Kollegen hier empfangen, weil wir uns abstimmen in Bezug auf ein Forschungsprojekt. - Bieten Sie dem Präsidenten den Platz auf dem Drehstuhl oder auf dem Bett an? - Der Präsident kriegt zunächst mal einen Stehplatz, und dann schau'n wir mal, wofür er sich entscheidet."

    Jetzt bricht Schubert-Zsilavecz auf - zum Termin mit der Wissenschaftsstaatssekretärin, doch vorher hat der Wohnheimbewohner noch ein bisschen Haushalt zu erledigen:

    "Der Österreicher sagt 'das Heferl abspülen', man könnte auch sagen, die Tasse reinigen - da war Nescafé drin - hm, und der schmeckt auch nicht schlecht - so jetzt machen wir die Tasse sauber."

    Anschließend das Jackett übers weiße Hemd - ein paar befremdete Blicke sind dem seltsam gewandeten Mitbewohner im Treppenhaus sicher. Ob er zum abendlichen Umtrunk in der Wohnheim-Bar kommt, weiß er noch nicht. Er muss noch einen Vortrag fertig schreiben. Wie gut, dass der kleine Korridor etwas Schallschutz bietet.