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Präventionsarbeit an Schulen
Mit Comics gegen Neofaschisten

In "Drei Steine" schildert der Autor und Zeichner Nils Oskamp den harten Konflikt, den er als 14-Jähriger mit alten und jungen Nazis hatte. Seit er das Buch 2016 veröffentlicht hat, ist er mit einem antifaschistischen Präventionsprogramm auf Tour - immer öfter auch an Schulen.

Von Ralf Hutter | 05.03.2019
Aus dem Comic "Drei Steine" des Autors und Zeichners Nils Oskamp
Mit seinem Comic "Drei Steine" betreibt der Zeichner Nils Oskamp Präventionsarbeit gegen Neonazis an Schulen (Nils Oskamp)
"Deutschland erwache, schrie er mit ausgestrecktem Arm."
Nils Oskamp steht in einer Galerie in Berlin-Mitte und liest aus seinem autobiografischen Comic, in dem er seinen Kampf als 14-Jähriger gegen Nazis schildert. Neben ihm werden die Comic-Bildchen auf eine große Leinwand geworfen. Vor ihm sitzen über 40 Jugendliche der Klassenstufen acht und zehn. Oskamp erzählt von Nazi-Mitschülern und Wehrmachtsveteranen an seiner Schule in Dortmund in den frühen 80er-Jahren. Im Umfeld der Schule ging ein SS-Veteran auf Nachwuchsjagd, und sogar eine Nazi-Hooligan-Truppe bildete sich.
"Also in Dortmund war's dann so, dass es wirklich nachher eskaliert ist. Von 1990 bis 2012 haben die fünf Menschen umgebracht. Und von den fünf Menschen, da war nur ein Ausländer dabei."
Oskamp selbst wurde mehrmals zusammengeschlagen, doch weder Schule noch Polizei halfen ihm wirklich. Wer seinen Comic "Drei Steine" liest, versteht besser, wie sich in Dortmund die heutigen bundesweit berüchtigten Nazi-Strukturen bilden konnten.
Nach der Lesung haben die Jugendlichen Fragen: Was sagten die Eltern? Was wurde aus den Nazis? Gibt es solche Leute immer noch? Als Oskamp sie fragt, ob sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben, meldet sich niemand.
"Hier ist der Rudolph-Dirks-Award. Den hab ich gekriegt 2016 für beste Biografie, ein Comic-Preis."
Gezeichnete Prävention gegen Neofaschismus
Nach der Lesung führt der freiberufliche Illustrator, der mittlerweile in Hamburg lebt, die Jugendlichen durch die Begleitausstellung. Sie enthält vor allem Originalzeichnungen und Bilder von seinen vielen Auftritten.
Oskamp reist immer wieder durch die Republik, um per Vortrag, Ausstellung und gelegentlich auch mit diversen künstlerischen Workshops Präventionsarbeit gegen Neofaschismus zu machen, vor allem an Schulen.
"Von der Schulbuchausgabe, mein Buch gab es dann 5.000 Schulbücher, da hat Manuela Schwesig, die damalige Familienministerin, noch das Grußwort geschrieben."
"Ich wusste nichts von den Neonazis damals"
Die vom Ministerium bezahlte Sonderausgabe ist vergriffen, aber aus dem Förderprogramm "Demokratie leben!" können Schulen Veranstaltungen mit Oskamp finanzieren. Der promovierte Pädagoge Frank Greuel vom Deutschen Jugendinstitut in Halle hält Oskamps Buch für besonders geeignet für Jugendliche. Comics als Anti-Nazi-Präventionsmedien gebe es sonst kaum. Mehr noch: Es gebe überhaupt kaum Werke, die von realen Erlebnissen junger Menschen mit Faschisten erzählen. Entsprechend positiv äußern sich einige der Jugendlichen nach der Berliner Lesung.
"Ich wusste schon immer, dass die Nazis relativ aktiv sind, aber nicht, dass es schon so in dem frühen Alter begonnen hat. Also, uns wurde erzählt, dass wirklich die Jungs 13 bis 14 Jahre alt waren und da schon Nazi-Propaganda begonnen hat." - "Ich wusste auch nicht, dass das in den 70ern, 80ern so aktiv war. Ich wusste nichts von den Neonazis damals. Und dass die auch in der heutigen Zeit Menschen umbringen. Ich wusste, dass sie brutal sind, und ihre Meinung sehr stark vertreten, aber dass Menschen sterben wegen denen, wusste ich nicht."
"Ich hab jetzt viele Freunde, die nicht so gerne lesen, aber doch sehr an Comics interessiert sind, und das würde denen wahrscheinlich sehr ansprechend gefallen." - "Ich finde auch, dass ein Comic einen mehr anspricht, weil man Bücher nicht so gerne liest, also die meisten, die ich kenne halt."
Sabine Minsel unterrichtet die Jugendlichen an der privaten Moser-Schule in Geschichte. Sie glaubt, dass die Schülerinnen und Schüler bei der Lesung einiges darüber gelernt haben, wie Nazis nach dem Krieg weiterwirkten. Dieses Thema werde im Lehrplan kaum berücksichtigt.
"Da muss ich gestehen, dass wir das relativ wenig im Unterricht machen, also dass wir uns wirklich so die gesamte Bandbreite ab dem Zweiten Weltkrieg angucken."
Engagiert und faktenreich gegen Neonazis
Oskamp redet über solche Themen, und er tut es engagiert und faktenreich. Eine Nähe zum jungen Publikum schafft er dadurch, dass er ähnlich angezogen ist wie als Junge im Comic und seine Lehrkräfte nachäfft. Sowohl seinen Vortrag, als auch sein Comic-Buch findet Lehrerin Minsel wirkmächtig.
"Also ich finde, dass er sehr authentisch ist, und dass das bei den Schülern noch einmal ganz anders ankommt, als wenn man im Geschichtsunterricht dieses Thema behandeln würde ohne diesen persönlichen Bezug."
Der Comic soll nun an der Moser-Schule weiter Thema sein.