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Präventive Dopingforschung

Chemie. - Wie kann man Dopingsündern am besten das Handwerk legen? Mit präventiver Dopingforschung, hofft die Deutsche Sporthochschule in Köln. Hier versucht man, Nachweisverfahren für pharmazeutische Wirkstoffe zu entwickeln, die vielleicht noch nicht, aber in Zukunft als Dopingsubstanzen missbraucht werden könnten. Das aktuelle Ziel der Kölner Dopingfahnder ist ein Verfahren zum Nachweis von Gendoping.

Von Volker Mrasek | 25.03.2009
    "Exakt 1000 Mikroliter. Ja, jetzt werde ich damit die Proben in gleiche Portionen aufteilen."

    Andreas Thomas hantiert mit einer Pipetierpistole und kleinen, verschließbaren Plastikhütchen. Alle enthalten ein paar Tropfen einer Blutprobe:

    "Jetzt werden diese Proben in die Zentrifuge gestellt. Und dort dann zentrifugiert bei 13.000 Umdrehungen pro Minute."

    Eine Minute lang läuft das Tischgerät im Labor für Biochemie und Dopinganalytik an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Dann kann der wissenschaftliche Mitarbeiter die Minibehälter schon wieder herausholen.

    "Man hat also die spezifisch schwereren Bestandteile von den leichteren getrennt. Also, es hat sich jetzt praktisch ein Bodensatz gebildet. Und dementsprechend auch ein Überstand. Und diesen Überstand kann man jetzt zur Massenspektrometrie einsetzen."

    In Thomas' Laborproben steckt etwas, das nennt sich GW 1516. Ein pharmazeutischer Wirkstoff, den Sportler missbrauchen könnten - als neuartiges Gendopingmittel. Seit diesem Jahr steht der Stoff auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur. Sie nennt erstmals zwei verdächtige Substanzen namentlich. GW1516 ist eine von ihnen.

    Kaum ist der Stoff auf dem Index, haben die Kölner Biochemiker schon eine Nachweismethode für ihn entwickelt und in einer Fachzeitschrift publiziert. Mario Thevis, Professor für präventive Dopingforschung an der Sporthochschule:

    "Gendoping im engeren Sinne, also der Transfer von genetischem Material oder Zellen in den Organismus, kann man im Grunde als Missbrauch der Gentherapie bezeichnen. Da gehen wir davon aus, dass wir tatsächlich noch nicht so weit sind, dass es in größerem Maßstab eingesetzt werden kann. Es ist mit Sicherheit nicht eine so umfangreiche und gegenwärtige Gefahr darin zu sehen wie beim Einsatz von verhältnismäßig einfach zu erhaltenden Präparaten wie GW 1516."

    Dieser Wirkstoff erlaubt Gendoping im weiteren Sinne. Und zwar steigert er die sogenannte Genexpression. Konkret heißt das: Wer GW 1516 schluckt, dessen Muskelzellen werden so umprogrammiert, dass sie mehr Enzyme für den Abbau von Körperfett produzieren. Das soll eigentlich Übergewichtigen nutzen, an denen der Stoff derzeit klinisch getestet wird; es kann aber auch Ausdauersportler zum Missbrauch verführen:

    "Man hat in den Studien, in den Tierversuchen im wesentlichen, gesehen, dass ein Ausdauerleistungszuwachs von bis zu 70 Prozent beobachtet werden konnte. Denn der oxidative Metabolismus, wie er dann heißt, basiert im wesentlichen auf der Nutzung der Fettreserven. Und das ist im Ausdauersport das, worauf es ankommt."

    Die neue Analysemethode erlaubt es, GW 1516 in Blutproben nachzuweisen. Dazu sind mehrere Schritte nötig. Zunächst wird das Blutplasma in einer Zentrifuge von den Blutproteinen getrennt. Dann folgt eine weitere Absonderung störender Substanzen durch eine Chromatographie. Am Ende lässt sich das potentielle Gendopingmittel dann in einem Massenspektrometer sicher identifizieren.

    Die benutzten Geräte seien Standard in jedem Dopinglabor, sagt Thevis. Die Analyse dauere nur wenige Stunden. Perfekt ist das Verfahren aber noch nicht:

    "Bisher gibt es nur wissenschaftliche Daten, die sich auf Blutproben beziehen. Auf der anderen Seite wollen wir natürlich diesen Test auch auf Urin erweitern, denn das ist nach wie vor die Matrix, die wir am häufigsten zu Dopingkontrollzwecken bekommen."

    Das wollen die Kölner Dopinganalytiker als nächstes: Herausbekommen, wie GW 1516 im Körper umgesetzt wird und in welcher Form es schließlich im Urin auftaucht. Dann könnte man den Stoff auch dort nachweisen - und dopingwilligen Sportlern signalisieren: Vergesst den Fettverbrenner, wir finden es sowieso.

    "Der Abschreckungseffekt ist in aller Regel sehr groß."