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Präventive Gesundheitsvorsorge verstärken

Die Angst, wie es nach dem Zeitvertrag weitergeht und der Druck, immer mehr Drittmittel einzuwerben - das sind nur einige Belastungen, die Menschen an Hochschulen ausgesetzt sind. Gesundheitliche Probleme sind auch im Umfeld der Hochschule ein Thema. Die "Sichere und gesunde Hochschule" steht deshalb derzeit in Dresden im Mittelpunkt einer Tagung.

Von Christian Forberg |
    Die "Sichere und gesunde Hochschule" steht derzeit in Dresden im Mittelpunkt einer Tagung. Rund 80 Vertreter in- und ausländischer Hochschulen lassen sich über Erkenntnisse und Projekte informieren und tauschen Erfahrungen aus.

    Um es vorweg zu schicken: Es geht nicht um die Sorge, dass Studieren und Lehren mit dem Warnhinweis "Gefährdet Ihre Gesundheit" versehen werden muss. Allerdings habe sich die Situation im Hochschulwesen in den letzten Jahren so verschärft, dass die präventive Gesundheitsvorsorge verstärkt werden müsse, meint Ulrich Winterfeld vom Veranstalter.

    "Dazu gehört einmal die Arbeitssituation des wissenschaftlichen Personals: Mehr Zeitverträge, größere Unsicherheit, was die Zukunft anbetrifft. Dann die verstärkten Bemühungen, Drittmittel einzuwerben, um überhaupt arbeitsfähig zu bleiben. Das heißt es müssen mehr Projekte durchgeführt werden in immer geringeren Zeiträumen. Und schließlich spielt eine Rolle die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge, die dazu geführt haben, dass sich bei den Studenten die Studiensituation erheblich verschärft hat."

    Im Extremfall verliert der Betroffene die Kontrolle über seine Arbeit, die Zeit, sein Leben. Die Folgen sind aus der gesamten Hochleistungsgesellschaft bekannt: Burn-out-Syndrom, innere Kündigung, Frühverrentung. Tendenz zunehmend. Dass Hochschulen davon nicht ausgenommen sind, erfuhr der Psychologe Stefan Poppelreuter von der Impuls-Beratung Bonn: Wer würde sich anhand bestimmter Kriterien als Workaholic einstufen, wurde online gefragt. Unter den Bekennenden habe sich fast ein Viertel Studierende befunden. Das Ergebnis sei zwar nicht repräsentativ, aber doch erschreckend: Studenten sind auch Führungskräfte der Unternehmen von morgen. Und die sind es vor allem, die Poppelreuter berät:

    "Unternehmen kommen deswegen auf uns zu, weil sie merken: Wir müssen gerade für unsere sogenannten High-Potencials, also für die Wissensträger, in unserer Organisation auch etwas machen, damit wir sie langfristig an uns binden und langfristig auch gesund erhalten für uns."

    ... was er von Hochschulen in nur geringerem Maße behaupten könne.
    Und dennoch tut sich seit Jahren einiges im Bereich selbst. So existiert seit 1995 der Arbeitskreis Gesundheitsfördernde Hochschulen, eine Kooperation untereinander und mit der Techniker-Krankenkasse. Inzwischen sind es rund 80 Hochschulen, die Gesundheitsmanagement als gesamtheitliches Konzept verstehen. Dazu gehören familiengerechte Bedingungen ebenso wie studentische Netzwerke, aber auch Krisenberatung, sagt Karl Klingenberg. Er arbeitet seit vier Jahren an der Uni Bielefeld als Gesundheitsmanager:

    "Ich wundere mich immer wieder, welche konflikthaften Themen es gibt, die aber nicht besprochen werden, also wo man nicht eine Form, eine Kultur gefunden hat, das zu besprechen. Entweder wird es am Kaffeetisch gemacht, wo die Führungskraft nicht dabei ist, also nicht an dem Ort, wo es nötig ist."

    Oder die Führungskräfte würden sich untereinander beklagen, welch untaugliche Mitarbeiter sie hätten. Gelöst werde dadurch ebenso wenig, wie allein durch schriftliche Direktiven.

    In dieser Phase der Sprachlosigkeit bietet sich Klingenberg zunächst als Moderator an:

    "Man kann Coaching nehmen, kann Seminare machen – dann kriegt man das auf den Weg. Aber bevor das nicht thematisiert ist, oder wenn das noch womöglich von außen kommt, 'Ihr müsst jetzt mal miteinander reden', dann bleibt es erst mal schwierig."

    Klingenberg präsentiert die Uni Bielefeld als "gesunde Hochschule". Der Titel ist kein Prädikat, wie überhaupt gesunde Studienbedingungen nicht zu den maßgeblichen Kriterien im Hochschul-Ranking zählen. Was ja nicht so bleiben müsse:

    "Mark Twain hat gesagt: 'Wenn sie das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten sie ihre Anstrengungen. Wenn wir keine Ziele haben, wissen wir nicht, wo's hingeht'."