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Praktikum im Ausland
"Am Ende traut man sich selbst viel mehr zu"

Maria Kulzer weiß nicht nur, wie man nach dem deutschen Reinheitsgebot braut. Auch die schwedische Braukunst kennt die Bierbrauerin dank ihres Praktikums in einer Brauerei in Schweden. Möglich war dies durch Erasmus+, wie das europäische Austauschprogramm seit 2014 offiziell heißt.

Maria Kulzer im Gespräch mit Michael Böddeker | 06.06.2017
    Maria Kulzer steht vor einem Bierbrauereigefäß
    Auslandspraktikum: Maria Kulzer bei ihrer Arbeit in der Brauerei in Schweden. (Maria Kulzer)
    Michael Böddeker: Das Erasmus-Programm für Austausch in Europa feiert in diesen Tagen seinen 30. Geburtstag. Und zum Jubiläum blicken wir in Campus und Karriere im Juni etwas genauer auf dieses Austauschprogramm. "Wir sind Europa" , so heißt unser Themenschwerpunkt.
    Wir sprechen über Erasmus+, wie das Programm inzwischen offiziell heißt. Und wir sprechen vor allem auch mit jungen Menschen, die gerade im Ausland sind und uns von ihren Eindrücken erzählen. Und das sind nicht nur Studierende. Auch für viele andere Zielgruppen gibt es nämlich Erasmus-Stipendien. Zum Beispiel für Auszubildende. Maria Kulzer ist Bierbrauerin, und sie ist gerade über Erasmus in Schweden, inzwischen schon zum zweiten Mal. Das erste Mal war sie während ihrer Lehre dort, die hat sie inzwischen abgeschlossen. Ich habe sie nach ihren Eindrücken aus dem Praktikum gefragt.
    Maria Kulzer: Es war super hier, und ich wurde auch gleich wieder eingeladen, noch mal dann später zu kommen.
    Böddeker: Was gefällt Ihnen dort besonders?
    Kulzer: Die Herzlichkeit der Menschen eigentlich. Wir wurden super aufgenommen. Als ich während der Ausbildung das erste Mal da war, waren wir ja zu zweit, und wir wurden super aufgenommen, und es wurde auch gleich gesagt, wir sind ein Teil des Teams hier, und auch so, wenn wir jemals wieder nach Schweden kommen wollen, sind wir immer herzlich eingeladen.
    Böddeker: Und das haben Sie wahrgenommen, Sie sind ja zum zweiten Mal da...
    Kulzer: Ja, das funktioniert auch über Erasmus. Das läuft so, während der Ausbildung ist es möglich, zwei Wochen ins Ausland zu gehen, und wenn man dann mit der Ausbildung fertig ist, muss man ein Jahr nach Ausbildungsende praktisch die zwei Monate beendet haben.
    "Hier gibt es das Reinheitsgebot überhaupt nicht"
    Böddeker: Was lernen Sie dort, was man in Deutschland sonst nicht lernt beim Bierbrauen?
    Kulzer: Besonders interessant fand ich, weil ich, wie man wahrscheinlich hört, aus Bayern komme, und in meiner Brauerei wird eben nur so Standardbier gebraut, also Helles, Pils, Weizen. Hier gibt es das Reinheitsgebot überhaupt nicht, und es wird auch nicht danach gebraut, und auch eher so Craft-Biere und so spezielle Bierstile. Da kann man eben schon viel mitnehmen, auch von den Techniken her, den Rezepten und auch von den Rohstoffen her, denn normalerweise ist es üblich, dass eben Hopfenpellets zum Brauen verwendet werden, aber hier wird nur mit ganzen Hopfendolden gearbeitet.
    Böddeker: Also durchaus andere Methoden und Verfahren, die man dann lernen kann, die es so in Deutschland gar nicht gibt in der Ausbildung?
    Kulzer: Genau.
    Böddeker: Sie haben eben schon gesagt, dass die Menschen dort sehr herzlich aufgenommen haben. Wie war das mit den neuen schwedischen Kolleginnen und Kollegen? Wie haben Sie sich zum Beispiel mit denen verständigt.
    Kulzer: Ich habe nur drei Kollegen und zwei Chefs, und meine Chefin hat Deutsch studiert, die kann auch Deutsch sprechen und ihr Mann auch, und so haben wir eigentlich als Verständigungsbasis Englisch, und jeder spricht auch Englisch, auch untereinander, dass ich eben die Gespräche auch verstehen kann.
    "Ich bin wirklich glücklich, dass ich das gemacht habe"
    Böddeker: Wie kam es überhaupt, dass Sie nach Schweden gegangen sind, woher kam die Idee?
    Kulzer: Ich habe meine Ausbildung angefangen zur Bierbrauerin, und die Berufsschule ist in Karlsstadt, und dort mein Lehrer, Herr Dietz, der leitet eben ein Projekt, dass mit Erasmus+ verbunden ist, und hat uns eben dazu angehalten, doch ins Ausland zu gehen, vor allem mich. Und am Anfang war ich nicht so begeistert, weil ich gedacht habe, in Schweden ist es immer kalt, und warum soll ich ausgerechnet nach Schweden gehen? Aber ich habe mich überzeugen lassen und bin auch wirklich glücklich, dass ich das gemacht habe.
    Böddeker: Mit welchen Argumenten hat Ihr Lehrer Sie dann überzeugt am Ende?
    Kulzer: Dass ich es einfach mal ausprobieren soll. Dass ich keine Angst haben muss, dass ich irgendwas falsch mache oder eben Angst vor der Herausforderung.
    Böddeker: Und jetzt im Nachhinein würden Sie ihm Recht geben?
    Kulzer: Ja, auf jeden Fall.
    Böddeker: So eine Reise macht man ja auch nicht mal eben so. Man muss vorher viel organisieren, die Reise selbst zum Beispiel, oder auch, wo man dann wohnt am Ende. Wie lief das ab? Um was mussten Sie sich selbst kümmern?
    Kulzer: Ich musste eigentlich nur sagen, in welchem Zeitraum ich nach Schweden möchte, und mein Lehrer, der Herr Dietz, der hat dann eben den Flug organisiert und auch die Unterkunft. Ich musste halt einfach nur bestätigen, dass mir der Zeitraum passt. Das wird auch komplett vom Projekt übernommen. Ich muss nichts bezahlen, keine Miete und auch keine Reisekosten.
    Böddeker: Ein paar Wochen sind Sie jetzt noch dort. Können Sie sich vorstellen, später auch mal außerhalb von Deutschland zu arbeiten?
    Kulzer: Nicht für immer, aber für ein, zwei Jahre, denke ich mal, schon. Aber man freut sich dann schon, wieder heimzukommen.
    Böddeker: Wie ist das eigentlich für die Betriebe, die dann jemanden entsenden ins Ausland. Vielleicht haben Sie da auch von Kolleginnen und Kollegen gehört. Finden die das gut, wenn ihre Azubis auch mal ins Ausland gehen?
    Kulzer: Prinzipiell wird es schon gut aufgenommen, aber es gibt eben das Problem, dass auch viele, auch ich zum Beispiel, nicht freigestellt werden. Für die zwei Monate würde ich jetzt nicht freigestellt werden wollen, aber während der Ausbildung, für die zwei Wochen, finde ich, könnten die Betriebe ihre Azubis schon freistellen.
    "Am Ende traut man sich selbst viel mehr zu"
    Böddeker: Das heißt, Sie haben dann Urlaub genommen für die Zeit?
    Kulzer: Genau. Zwei Wochen sind schon eine ziemlich lange Zeit, und wir sind ja auch zum Arbeiten hier, und nicht, um Urlaub zu machen. Und der Urlaub, der fehlt uns ja dann im Endeffekt, der ja eigentlich der Erholung von der Arbeit dienen sollte.
    Böddeker: Unterm Strich, was würden Sie sagen, war das eine gute Erfahrung?
    Kulzer: Ja, auf jeden Fall. Und jeder, der die Chance hat, sollte die auch nutzen.
    Böddeker: Was ist für Sie das Beste an diesem Praktikum in Schweden?
    Kulzer: Ich finde eigentlich das Beste an so einem Praktikum oder allgemein so einer Auslandserfahrung ist, dass man sich selber einfach besser kennenlernt und selbstständiger und auch viel selbstbewusster wird und sich selber am Ende viel mehr zutraut.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.