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Praxis, die begeistert

Die Abbrecherquote der Maschinenbaustudenten ist überdurchschnittlich hoch. An der Technischen Universität Darmstadt heckte der Fachbereich daher ein gezieltes Coachingsystem mit Praxisbezug aus - und die Abbrecherquote ging kontinuierlich zurück.

Von Anke Petermann |
    In Kleingruppen zu jeweils einem Dutzend entwickeln derzeit rund 500 Maschinenbau-Erstsemester Modelle eines sogenannten Raumgestaltungsdruckers - ein Roboter, der Böden, Wände und Decken mit farbigen Motiven bedrucken kann. Soll das Gerät wie ein Gecko an der Wand lang fahren oder vom Boden aus arbeiten, fragt sich eine Gruppe von Studierenden. Nachteil des Gecko-Roboters:

    "Wir hängen extrem von der Wand ab, - deutlich komplexere Technik, mehr Aufwand also, - dass es Fehler in der Anwendung gibt, dass die Grundierung nicht ordentlich aufgetragen wird und dann fällt das Ding von der Wand."

    Beim Brainstorming über die Vor- und Nachteile diverser Modelle arbeiten die Studierenden komplett selbstständig, wissenschaftliche Mitarbeiter aus dem Fachbereich Maschinenbau leisten als sogenannte Fachanleiter allenfalls Hilfe zur Selbsthilfe, höhere Semester aus Psychologie und Pädagogik vermitteln Moderationstechniken. Studierende klären als Delegierte der Teams Detailfragen im Gespräch mit den Professoren. Was kosten farbige Wände mit einem Drucker, will Professor Edgar Dörsam von Nicolas Bartschat und Nikolai Herzog wissen:

    "So um die 10.000 Euro."

    "Pro was? "

    "Pro Wand, äh, pro Raum."

    "Welche Größe? Vielleicht sollten Sie vom Quadratmeterpreis ausgehen, das wäre vielleicht besser."

    "Wir haben ohnehin angenommen, dass sich das nicht jeder leisten kann."

    "Dann sind Sie eben Premiumanbieter, da muss die Qualität stimmen, sonst zahle ich das nicht. Das ist das mit dem Geschäftsmodell, was der zweite Teil der Aufgabe ist."

    Eine offene Aufgabe übrigens mit verschiedenen Lösungsmöglichkeiten. Auch die Professoren haben keine fertigen Entwicklungen parat, sie nehmen die Ideen der Studierenden auf. Nicolas und Nikolai sind begeistert dabei.

    "Wir sind ja im ersten Semester, also fangen gerade erst an, also können technisch diese Probleme überhaupt nicht lösen, deshalb geht es darum, die Methode zu lernen."

    "Ich denke, das Studium ist der Weg zum Beruf, und wenn man von vornherein weiß, wie das Arbeitsleben aussieht, wie man Probleme löst, dann ist das eine gute Hilfestellung, man hat eine größere Motivation im Studium, weiß, warum man manches lernen muss und wie man an manche Sachen eher angehen muss."

    Auch die Professoren profitieren von der Projektwoche: Sie vernetzen ihre Fachgebiete und lernen die Erstsemester kennen und einschätzen, so Professor Peter Pelz vom Institut für Fluidsystemtechnik:

    "Die Studenten sind gefordert, kreativ zu sein, was man in Vorlesungen so nicht fordert, da geht es eher um Wissensvermittlung weniger um das Kreative."

    Gemeinsam mit dem Eignungstest vor dem Studium und dem Drittsemestergespräch trägt die Projektwoche dazu bei, die Abbrecherquote in dem sperrigen Fach Maschinenbau spürbar zu senken. 90 Prozent der Studierenden bleiben inzwischen dabei. Professor Dörsam vom Institut für Druckmaschinen und Druckverfahren stellt fest, "dass wir am Ende die bekommen, die wirklich interessiert sind am Maschinenbau. Uns geht's ja darum die zu finden, die das durchhalten, weil ja am Anfang die ersten Semester - wir machen da Mathematik und Mechanik, und das ist ja nicht so wirklich Maschinenbau, das heißt, wir müssen die Phase überbrücken, am Anfang, wo wir die Grundlagen haben bis man zu den Elementen kommt, die den Maschinenbau darstellen."

    Ihr hilft die Projektwoche, die Durststrecke im Studium zu überstehen - da ist sich die 19-jährige Theresa Kozok sicher. Jetzt weiß sie nämlich wieder, "warum ich das genau machen wollte und wie viel Spaß das letztendlich macht - eben dieses Überlegen, verschiedene Lösungsansätze finden, - auch was für Ideen wir an den Tafeln stehen hatten - absolut merkwürdig auch jetzt- Ideen, wo man denkt, das geht doch gar nicht und dann so was umsetzen zu können, das ist wirklich toll," strahlt Jessica und kehrt zurück in ihr Team. Wie man es anstellt, dass der Gecko-Drucker nicht samt Putz von der Wand fällt - da hat die Arbeitsgruppe noch zu grübeln. Nach zwölf Jahren Erfahrung mit der Maschinenbau-Projektwoche weiß man an der Uni Darmstadt: Das schweißt zusammen. Als Lerngruppen bleiben die Teams oft bis zur Prüfung erhalten.