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Praxistipps für die digitale Selbstverteidigung

Nach dem NSA-Überwachungsskandal und der Debatte über die Datensicherheit im Internet haben Cryptopartys Zulauf. Dort gibt es praktische Hilfe bei der Verschlüsselung von E-Mails und Computerdaten.

Von Cornelius Wüllenkemper | 22.08.2013
    "Ich heiße euch alle recht herzlich willkommen zur digitalen Selbstverteidigung. Warum sind wir heute hier? Wir möchten euch heute dazu befähigen, eure digitale Privatsphäre besser zu schützen, als das bisher der Fall war, aus gegebenen Anlässen."

    Samstag Nachmittag in einem versteckten Hinterhof in Berlin-Lichtenberg. Etwa 60 Menschen sitzen auf Holzbänken in einem ehemaligen Tanzsaal, draußen brennt die Sonne, drinnen steht die Luft. Denis Sabin, der Direktkandidat der Piratenpartei, begrüßt die Gäste zur Cryptoparty. Um Party geht es hier allerdings nur am Rande, abgesehen von der Elektromusik zur Einstimmung und einer kleinen Bar, an der es Limo und Heißgetränke gibt. Im Mittelpunkt steht hier die Frage: Wie kann ich mich durch Verschlüsselungstechniken vor der Überwachung im Internet schützen? Malte Dik, 27 Jahre alt und Student, ist Cryptopartygänger der ersten Stunde.

    "Ich verschlüssele meine E-Mails schon seit vielen Jahren, nur fehlt es mir ein bisschen an den Leuten, mit denen ich verschlüsselte E-Mails austauschen kann. Und ich denke, hier tut Bildung not. Normalerweise kann man unbehelligt über die Straße gehen. Aber es gibt halt immer wieder Leute oder Situationen, die einem gefährlich werden können. Und auch in der virtuellen oder digitalen Welt ist es von Vorteil, wie man sich gegen entsprechende Gefahren zur Wehr setzen kann."

    Die ersten Cryptopartys wurden vor einem Jahr in Melbourne, London und Berlin organisiert. Damals kamen nur ein paar IT-Freaks. Heute, nach Edward Snowden und dem NSA-Skandal, wollen sich immer mehr Menschen informieren. Wenn sogar Bundesinnenminister Friedrich verlauten lässt, Datensicherheit im Internet sei Privatsache und nicht Angelegenheit der Bundesregierung, lässt das auch den Normalbürger aufhorchen. Ein Abiturient, der sich Momo nennt und gebürtig aus Schweden stammt, kommt vom anderen Ende der Stadt. Er ist heute zum ersten Mal dabei.

    "Weil ich mich halt verteidigen will. Ich mag es nicht, dass mich jemand ausspioniert, was ich gerade mache. Wenn ich zu Hause bin, möchte ich auch nicht, dass jemand meine Post durchgeht, auch, wenn da nichts Gefährliches drin ist oder wirklich Privates. Aber trotzdem will man die Sicherheit haben, dass man seine Privatsphäre hat."

    Weit gefehlt, wer denkt, nur der klassische Computerfreak opfert seinen Samstag Nachmittag für die IT-Party. Ein 70-ähriger Rentner hat sich aus dem noblen Zehlendorf auf den Weg nach Lichtenberg gemacht.

    "Weil ich keine Ahnung habe und einfach nur reinhören wollte, um meine Ohren zu schulen, für den Fall, dass ich etwas lesen kann oder Weiteres höre."

    "Ihr müsst zwischen zwei Begriffe unterscheiden. Das sind die symmetrische Kryptografie und die asymmetrische Kryptografie. Keine Angst, das sind die beiden schlimmsten Begriffe, danach haben wir es überstanden."

    Und schon geht es los. Der Pirat Kevin Price erklärt mit scheinbar einfachen Worten, wie wer was verschlüsseln kann. Hundertprozentige Sicherheit gibt es zwar auch mit Verschlüsselung nicht, aber wer würde schon seine Haustür offen stehen lassen, nur weil es Einbrecher gibt? Viele Partybesucher haben ihren Laptop gleich mitgebracht, um die Anleitung zur Installation der Verschlüsselungssoftware gleich auszuprobieren. Eine Internetdienstleisterin um die 50 rückt ihre Brille zurecht und wischt über ihren Tablet-Computer.

    "Ich habe neulich eine Email bekommen von einem Kunden, und er schickte mir seinen GPG-Schlüssel – was ich ja heute hier gelernt habe – und ich dachte: Was ist das? Und da habe ich mich ein bisschen belesen, bin aber nicht daraus schlau geworden. Dann kam die Einladung und ich dachte mir: Musst du dir mal angucken. Ich könnte ihnen das jetzt nicht machen. Ich schalte bei so etwas ab irgendwann und denke mir: Junge, schreib das mal alles ordentlich auf, dann kann ich es nachlesen. Aber im Prinzip habe ich verstanden, um was es geht. Das Programm habe ich auch schon gefunden im Web."

    Momo, der Abiturient aus Schweden, sieht nach 90 Minuten Cryptoparty etwas angestrengt aus, will aber alles dafür tun, dass NSA, BND, Google, Microsoft und Apple es in Zukunft nicht mehr so leicht haben.

    "Es gibt natürlich einige, die sich dafür interessieren, aber die nehmen das nicht so ernst. Was ich eigentlich nicht verstehen kann, insbesondere mit unserer Geschichte hier in Deutschland. Ich bin heute alleine hier, aber ich hoffe, dass ich ein paar Freunde überzeugen kann oder denen das selbst beibringen kann, wie man das haltmacht."