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Preisgekrönt

Mediale Unabhängigkeit ist in Brasilien ein Fremdwort. Nur sechs Familien herrschen dort über den Medienmarkt. Darum boomen kleine, freie Radiosender. Die Radioagentur "Pulsar" in Rio de Janeiro stellt ihnen kostenlose Radiobeiträge zur Verfügung.

Von Gudrun Fischer |
    "In Brasilien bringen Radios fast nur Musik und Blablabla. Hier in Rio de Janeiro haben wir nur zwei Sender, die Informationen liefern, alle anderen spielen ausschließlich Musik. Für die Radiobetreiber ist das super, denn sie sparen Gehälter und können mehr vom Werbegewinn einstreichen."

    Lívia Duarte, Chefredakteurin der freien Radioagentur "Pulsar", sitzt in ihrem Büro im 16. Stock eines Hochhauses im Zentrum von Rio de Janeiro. Ihre Radioagentur setzt auf Inhalte, nicht auf dumme Sprüche. "Pulsar" bedeutet pulsierend, nah dran, sagt sie. Lívia Duarte ist verantwortlich für die täglichen Kurzmeldungen und Audios, die sie in die "Pulsar"-Homepage einstellt.

    Auch die Pulsar-Redaktion benutzt Musik, fast alle Beiträge sind mit Musik unterlegt. Denn die Musik hilft, Inhalte zu transportieren, ist die einhellige Meinung in der Redaktion.

    Im letzten Jahr gewann "Pulsar" einen hoch dotierten brasilianischen Medienpreis. Damit lässt sich die Arbeit noch eine Weile mit angemessenen Honoraren fortsetzen, so Andreas Behn. Er ist deutscher Journalist und Mitarbeiter im zehnköpfigen Team von Pulsar. Dienen sollen die fertigen Beiträge von "Pulsar" ausschließlich den "Radios Comunitários", den freien Radios. Diese sind aber keine Dorfradios, erklärt Behn.

    "In Deutschland würde man dazu Gemeinderadios sagen, aber hier ist der Begriff der Gemeinde, also der "comunidade" viel weiter entwickelt, es gibt wirklich immer ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl in kleinen geografischen Räumen; hier in Brasilien, wie auch anderen Ländern Lateinamerikas ist es möglich, dass es kleine Radiostationen in diesen Gemeinden gibt."

    Etwa 500 registrierte freie Radios laden sich täglich das Material von "Pulsar" aus dem Internet herunter, um es zu senden. Radios, die keinen Zugang zum Internet haben, lassen sich von "Pulsar" regelmäßig eine CD mit den längeren Reportagen schicken. Manchmal, so Lívia Duarte, ist es aber auch umgekehrt. Dann schicken Menschen ihr Material an "Pulsar".

    "Ein Cartoonist, der uns kennt, Latufe, er ist ein Aktivist gegen Gewalt, schickte uns gestern Fotos und Informationen über eine Schülerdemo im Zentrum. Er sah, dass die Polizei mit Granatenwerfern ausgerüstet war, mit militärischen Waffen! Als er die Polizisten fragte, weshalb sie so schwer bewaffnet seien, war die Antwort: "Die Schüler sind auch auf alles vorbereitet." Ich weiß noch nicht, wie ich das heute publiziere. Es ist eine wichtige Information."

    Bei "Pulsar" kommen Menschen aus den sozialen Bewegungen zu Wort. Nachrichten tauchen auf, die andere Medien nicht senden.

    Bei "Pulsar" geht es nicht nur um Brasilien, sondern um ganz Lateinamerika. Die Pulsar-Homepage zeigt sich auf portugiesisch und auf spanisch. Die spanischsprachigen Audios berichten von überall aus Lateinamerika, sie werden von freien Radios in den spanischsprachigen Ländern genutzt. Wie wichtig freie Radios weltweit sind, zeigte sich nach dem Putsch in Honduras im letzten Jahr, als nur die freien Radios von dort kritisch berichteten. Bedeutung bekamen die freien Radios auch nach dem Erdbeben im Januar in Haiti, sagt Andreas Behn.

    "Wenn ganz schnell die Radiostationen wieder aufgebaut werden, die ganze Panik von den Leuten, dann können alle zu solch einem Radiosender hingehen und kurz mal informieren wie es aussieht und Tipps gebe. Das heißt Radios, das hat man in Haiti gesehen, sind unvorstellbar wichtig, und auf Initiative von Amarc, hat die Unesco sehr schnell Geld bewilligt, damit diese Radiosender, zumindest in Port au Prince, so schnell wie möglich aufgebaut werden können, direkt nach dem Erdbeben. Amarc ist ja der Weltverband der freien Radios und zu der lateinamerikanischen Sektion dazu gehört "Pulsar"."