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Preisgekrönter Übersetzer klagt an

Übersetzerinnen und Übersetzer sind die Underdogs im Literaturbetrieb. Heute ist von einem traurigen Kuriosum zu berichten. Der Übersetzer Tobias Scheffel bekam in dieser Woche den mit 6000 Euro ziemlich hoch dotierten ersten Eugen-Helmlé-Übersetzer-Preis des Saarländischen Rundfunks verliehen - für die elegante und einfühlsame Übersetzung der Krimis von Fred Vargas. Krimis, die Tobias Scheffel seit neuestem nicht mehr übersetzen darf.

Von Dorothea Marcus | 09.09.2005
    Vor sieben Jahren hat Tobias Scheffel den ersten Krimi von Fred Vargas übersetzt, für ein Seitenhonorar von umgerechnet 16 Euro. Damals kalkulierte der Aufbau-Verlag angeblich mit einer verkauften Auflage von 4-5000 Exemplaren. Inzwischen ist Vargas fast schon zur Bestseller-Autorin geworden: zwischen 70 und 90.000 Exemplaren verkauft Aufbau von einem Titel. Seit Jahren zählen ihre Bücher unter Kennern zum Besten, was die Krimi-Szene zu bieten hat. Für Scheffel, der alle sieben Vargas-Krimis übersetzt hat, vor einem Jahr Grund genug, beim Aufbau-Verlag nach einer Gewinnbeteiligung zu fragen:

    " Nachdem ich diesen Brief geschrieben hatte, hörte ich lange Zeit nichts, bis ich mit der Lektorin über die neue Übersetzung des neuen Buches von Fred Vargas sprechen wollte, von ihr habe ich auch längere Zeit nichts gehört, dann bekam ich einen Brief, dass sie, weil sie mit meiner bisherigen Arbeit nicht zufrieden seien, sich für einen anderen Übersetzer entschieden hätten. Dies wohlgemerkt nach sieben Büchern, die in der Presse gut angekommen sind...die bei der Lektorin gut angekommen sind... die Lektorin hat mir häufig betont, wie zufrieden sie mit meiner Arbeit sei... Das scheint mir doch ein mir gegenüber vorgeschütztes Argument zu sein. "

    Mangelnde Qualität von Übersetzungen, die jetzt mit einem hochdotierten Preis ausgezeichnet werden? Nach diesem Schreiben beschloss Tobias Scheffel, gegen Aufbau zu klagen. Nicht um Fred Vargas weiter übersetzen zu dürfen - darauf hat er als Freiberufler keinen Anspruch. Sondern um zu klären, welche Rechte der Übersetzer an einem Werk hat. Schon einmal gab es ein spektakuläres Urteil, das einer Übersetzerin Recht gab. Im Jahr 2004 entschied der Bundesgerichtshof, der Piper-Verlag dürfe die Übertragungen des italienischen Bestseller-Autors Alessandro Barrico der renommierten Übersetzerin Karin Krieger nicht einfach vom Markt nehmen.

    " Was sich ähnelt ist, dass hier wieder ein Verlag versucht, mit einer einmaligen Zahlung einen Übersetzer abzuspeisen. Und in dem Moment, wo ein Autor Erfolg hat, das Geld, dass rein kommt, für sich zu behalten. Es wundert mich tatsächlich vor dem Hintergrund dieses Piper-Urteils, dass hier ein Verlag so klar sagt, nee, das machen wir nicht, wir sägen den Übersetzer ab, und gucken mal, was passiert. "

    Der Programmleiter des Aufbau-Verlags René Strien meint allerdings nicht, dass die Qualität, sondern die Honorarforderungen Scheffels zum Bruch geführt haben:

    " Tobias Scheffel übersetzt im Moment für uns keine Fred Vargas-Romane, weil wir in den Vorstellungen, was einen Vertrag betrifft, sehr weit auseinander liegen. Herr Scheffel vertritt die Vorstellung, die auch der Übersetzerverband vertritt, und das ist etwas, das für einen Verlag wie Aufbau, der sehr viele Übersetzungen im Programm hat, das wirtschaftliche Aus bedeuten. Ein Großteil der heutigen Übersetzungsvielfalt würde auf dem Markt nicht mehr existieren. Die Übersetzer wollen das wirtschaftliche Risiko der Verlage verständlicherweise nicht tragen, wenn es ins Negative geht. Die Chance, mehr Geld zu verdienen, möchten sie gerne teilen. Die viel häufigere Variante, es wird Geld verloren, da wollen sie natürlich keinen Anteil dran haben. "

    Es ist eine heikle Frage. Denn Verlage leben davon, dass sie Bestsellerautoren im Programm haben – und haben laut Strien bestenfalls Gewinnmargen von 2-3 Prozent. Trotzdem scheint nur logisch, dass Übersetzer an Bucherfolgen beteiligt werden, die ihnen ja zum großen Teil zu verdanken sind.

    " Denn wir partizipieren ja auch oft genug am Misserfolg. Die Verlage sagen uns zwar häufig: ja ihr kriegt ja eure festen Seitenpreise. Diese Seitenhonorierung bewegen sich aber in Kategorien, die sozusagen einen chronischen Misserfolg darstellen. Von dem Seitenpreis allein kann man praktisch kaum leben. "

    Nur knapp über 1000 Euro verdient ein vollbeschäftigter Übersetzer im Monat nach Abzug von Büro- und Recherchekosten - ein Hungerlohn. Die Klage von Tobias Scheffel ist auch ein Versuch, daran etwas zu ändern und die Urheberschaft von Autoren genauer zu klären. Eine Beteiligung am Verkaufserfolg würde Übersetzern eine potentielle Einkommensquelle verschaffen, die nach Scheffel sogar die geringen Seitenhonorare rechtfertigen könnte. Die Verhandlung vor dem Landgericht Berlin beginnt Mitte Oktober. Scheffel Klage könnte durchaus Erfolg haben - denn nach dem spektakulären Krieger-Urteil von 2004 sind bereits mehrere Prozesse zugunsten von Übersetzern ausgegangen. Allerdings nach dem alten Urheberrecht. Scheffels Klage ist eine von mehreren, die nach dem neuen Gesetz geführt werden – und könnte damit zum weit beachteten Präzedenzfall werden. Vielleicht wird er Scheffel zumindest damit aussöhnen, dass er seine Lieblingsautorin nicht mehr übersetzen darf.