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Preisgünstig Milch erzeugen

Die Preise für Milch sinken. Die Milchbauern demonstrieren für eine Ausweitung der Milchquote und bangen ums berufliche Überleben. Während sie noch klagen, hat ein Milchbauer auf seinem Hof bei Flensburg schon vor Monaten gehandelt. Er hat die Milcherzeugung umgestellt und arbeitet nun günstiger als die Konkurrenz: durch Weide- statt Stallhaltung.

Von Jens Wellhöner | 29.05.2009
    Eine Idylle: ein kleiner Teich, ein altes Haus, umgeben von grünen Weiden. Der Hof der Lehmans aus Sterup bei Flensburg könnte so in jedem Bilderbuch stehen. Auch wirtschaftlich geht es hier aufwärts, trotz Milchpreiskrise. Denn von der Massenproduktion auf Quote, die andernorts die Preise kaputtmacht, haben sich die Lehmans schon vor vier Jahren verabschiedet:

    "Ja, wir haben nicht in Quote investieren wollen, weil wir immer wussten: Die Quote wird irgendwann entwertet. Und wir haben gewartet."

    Und die Produktion auf Biomilch umgestellt, so Katharina Lehman. Vor allem aber haben die Lehmans ihre Produktionskosten gesenkt: Um ein Viertel auf jetzt 30 Cent pro Liter. Und es sollen noch weniger werden; eine gute Überlebensstrategie in der aktuellen Milchkrise. Das Erfolgsrezept der Lehmans: Sie lassen ihre Kühe einfach auf der Weide stehen - und nicht im Stall. Ezra Lehman:

    "Die Jungtiere kommen mit zwei, drei Wochen das erste Mal auf die Weide. Und von dort an sehen die dann keinen Stall, bis die dann gemolken werden."

    Die Weidehaltung für Kühe haben die Lehmans natürlich nicht neu erfunden. Andernorts ist sie mittlerweile längst wieder Standard, und zwar nicht nur für Bio-Betriebe, sondern auch für die konventionelle Milchwirtschaft:

    "In Irland ist es der Mainstream. In England gibt es mehr und mehr Betriebe, die so wirtschaften. Da ist der Strukturwandel schon weiter fortgeschritten."

    In den meisten deutschen Betrieben stehen die Kühe zumindest in der kalten Jahreszeit im Stall und müssen ständig gefüttert werden: mit Kraftfutter - damit sie auch viel Milch geben. Ein teures System. Die Lehmans dagegen sparen:

    "Dadurch, dass die Kühe ihr Futter selber ernten und auch ihren Mist selber raus bringen, dadurch, dass wir die Weidesaison auch in den Herbst hinein und in das frühe Frühjahr ausgedehnt haben. Und wir haben sehr wenig Kraftfutter inzwischen. Und das spart natürlich auch Kosten."

    Das Rinderhaltungssystem der Lehmans nennt sich neudeutsch Low-Cost-Erzeugung. Mit dem Namen ist Ezra Lehman aber nicht ganz einverstanden:

    "Dieses System, bloß, weil es low-cost heißt, heißt es ja nicht Geld sparen. Das ist ein falscher Ausdruck. Es geht darum, effizienter zu werden!"

    Die Lehmans haben kühl kalkuliert. Da ihre Tiere auch im Winter draußen auf der Weide leben sollen, haben sie neue, widerstandsfähige Jersey-Rinder gekauft. Denen macht das kühle schleswig-holsteinische Meeresklima nichts aus. Und das Ehepaar hat noch ein weiteres Problem gelöst: In herkömmlichen Betrieben bekommen die Kühe das ganze Jahr über Kälber. Auch das ist teuer für den Landwirt. Die Lehmans lassen ihre Kühe dagegen nur im Frühjahr kalben:

    "Die Arbeitszeiten sind sehr geregelt, sehr konzentriert. Alle Kühe kalben nur zu einer Zeit. Man muss sich nur auf eine Zeit konzentrieren. Sicher spart das Geld und Zeit. Zeit ist Geld!"

    Ezra Lehmans Kühe kauen gerade ihr natürliches Futter: Kohl und Weidegras. Neugierig schnuppern sie am Mikrofon. Weidehaltung sei auch ein aktiver Beitrag zum Umweltschutz, so Katharina Lehman:

    "Da bekommen die Tiere mehr Energie aus diesen Gräsern. Und sie können die Proteine besser aufschließen - und dadurch stoßen sie auch weniger Methan aus."

    Und Methan ist ein Treibhausgas, das den Klimawandel anheizt. Katharina Lehman ist jedenfalls optimistisch für die Zukunft. Die traditionelle und doch wieder neue Art, Kühe zu halten, ist für sie eine Möglichkeit, der Krise zu trotzen:

    "Es macht auch wirklich viel Spaß, muss ich sagen. Denn es gibt viele Dinge, die man machen kann!"

    Noch haben die Lehmans zwar einen kleinen Betrieb mit bald 60 Kühen. Aber auch für größere Milchhöfe könnte die Weidehaltung wirtschaftlich sinnvoll sein, meinen sie.