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Preisverfall mit Folgen

Die USA haben ihre Beihilfen für die Baumwollbauern innerhalb der vergangenen vier Jahre versechsfacht. In der Europäischen Union hat sich die Baumwollproduktion dank großzügiger Subventionspolitik in den 90er Jahren verdoppelt. Die Leidtragenden sind Bauern in Entwicklungsländern, zum Beispiel im afrikanischen Mali.

Von Bettina Rühl | 02.06.2007
    In den Dörfern des westafrikanischen Staates Mali gehört der stampfende Rhythmus zum Alltag: Frauen schälen und mahlen Sorghum oder Hirse in hölzernen Mörsern. So alltäglich der Klang der Mörser üblicherweise auch ist: In dem malischen Dorf Maniabougou ist er Teil der Wissenschaft. Denn die neuen Getreidesorten aus den Laboren des Agrarforschungsinstitutes ICRISAT werden von den Frauen auf ihre Qualität bei der Verarbeitung getestet und anschließend von allen gemeinsam verkostet. Der 42-jährige Bauer Bourama Dembele beteiligt sich seit einigen Jahren begeistert an diesen Versuchsreihen.

    "Als das Team von ICRISAT zum ersten Mal kam und fragte, ob wir bei den Versuchen mitmachen wollen, habe ich mich sofort gemeldet. Mir war klar, dass diese Versuche für uns sehr nützlich sind, weil wir durch die Zusammenarbeit mit den Forschern neue Sorten bekommen. Einige davon sind sehr viel ertragreicher als unsere alten."

    In seinem Heimatdorf Maniabougou hat sich die Landwirtschaft dank der Bemühungen des malischen Staates und etlicher Entwicklungshelfer in den vergangenen Jahren massiv verändert und ist sehr viel effektiver geworden. Früher bestellten die Bauern ihre Felder ausschließlich in Handarbeit. Weil sie kein Vieh hielten, fehlte ihnen auch der natürliche Dünger. Inzwischen haben fast alle Bauern Zugtiere, mit deren Hilfe sie ihre Felder bestellen. Das gilt auch für Bourama Dembele, denn anders würde er es gar nicht schaffen, seine zwölf Hektar Land zu beackern. Dembele baut Sorghum und Baumwolle, Mais und Erdnüsse an. Im Laufe der Jahre ist er zu bescheidenem Wohlstand gekommen und kann fünf von seinen sechs Kindern in die Schule schicken. Doch derzeit hat Bourama Dembele ein ernstes Problem - trotz aller Fortschritte in der Landwirtschaft, und obwohl seine letzte Sorghum-Ernte durchaus gut war.

    "Ich habe Sorge, dass mein Getreide nicht bis zur nächsten Ernte reicht, um davon meine Familie zu ernähren. Dabei habe ich diesmal eigentlich genug geerntet, aber ich musste leider einen Teil des Sorghums verkaufen, weil ich Geld brauchte. Ich musste Steuern bezahlen, Medikamente kaufen und noch andere Sachen, die meine Familie brauchte."

    Weil Bourama Dembele nicht länger warten konnte, musste er sein Sorghum zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt verkaufen direkt nach der Ernte, wenn die Preise wegen des großen Angebotes besonders niedrig sind. Dabei sollte er für solche Ausgaben eigentlich ausreichend Bargeld haben, schließlich baut er auch Baumwolle an, eine Pflanze, die für den Verkauf bestimmt ist und Geld bringen soll. Doch weil sein Produkt auf dem Weltmarkt kaum noch etwas einbringt, muss sich Bourama Dembeles verschulden, um kurz vor der nächsten Ernte Sorghum für seine Familie nachkaufen zu können. Da er keine anderen Kreditgarantien hat, wird er einen Teil seiner nächsten Ernte bei einem Händler versetzten, noch bevor er sie überhaupt eingebracht hat. So steigt er trotz Düngereinsatz und verbesserter Sorten in den Teufelskreis der Verschuldung ein. Und genau darin sieht Mathias Mogge von der Deutschen Welthungerhilfe einen wesentlichen Grund für die Armut der Menschen in Mali.

    "Die Bauern bekommen für ihre produzierte Baumwolle eigentlich nicht genug Geld, wenn man sich die Produktionskosten anschaut, sie machen also in manchen Jahren ein Minusgeschäft. Das hängt damit zusammen, dass andere Regierungen ihre Bauern subventionieren, und dadurch können sie ihre Baumwolle billig auf dem Weltmarkt verkaufen."

    Zum Beispiel die USA: Die Regierung hat ihren Beihilfen für die Baumwollbauern innerhalb der letzten vier Jahre versechsfacht. Oder die Europäische Union: In der EU hat sich die Baumwollproduktion dank der großzügigen Subventionspolitik in den 90er Jahren verdoppelt. Deshalb ist der Preis auf dem Weltmarkt in den vergangenen zehn Jahren um 40 Prozent zurückgegangen. Für Mali ist das eine Katastrophe. Fast 80 Prozent der Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft, die Baumwolle bringt rund ein Drittel aller Exporterlöse. Der Preisverfall auf dem Weltmarkt trifft deshalb den Lebensnerv der Bauern und Städter in Mali. Und es scheint, als sei der absolute Tiefpunkt noch immer nicht erreicht:

    "Obwohl Mali sehr, sehr günstig produziert und auch sehr, sehr gute, hochwertige Baumwolle produziert, haben sie Schwierigkeiten, die Baumwolle zu verkaufen. Diese Problemlage wird noch dadurch forciert, dass die Weltbank sagt: Ihr produziert eigentlich immer noch zu teuer, und ihr bekommt eigentlich noch zu viel Geld, und ihr müsstet eigentlich noch billiger und noch effizienter produzieren, und das funktioniert eigentlich nicht so richtig, das kann auf Dauer auch nicht funktionieren."

    Der Druck von Weltbank und Weltmarkt trifft das halbstaatliche Textilunternehmen CMDT und die malischen Bauern. Die CMDT fährt in die Dörfer, sammelt die Baumwolle ein und bringt sie anschließend in den Export. Ein Beispiel aus dem Erntejahr 2005: Die CMDT zahlte für jede Tonne Baumwolle umgerechnet 583 Dollar. Auf dem Weltmarkt bekam sie nur 550 Dollar zurück, ein Minusgeschäft von gut 30 Dollar pro Tonne. Die Weltbank nennt das defizitär, doch man könnte auch sagen: Die malische Regierung subventioniert ihre Bauern. Das aber lässt die Weltbank nicht gelten und zwingt die CMDT, den malischen Bauern künftig noch ein Viertel weniger für ihre Baumwolle zu zahlen. Dabei ist der Teufelskreis der Verschuldung schon jetzt einer der Gründe dafür, dass es in Mali noch immer zu Ernährungskrisen kommt - trotz aller Fortschritte in der Agrarforschung, trotz aller Verbesserungen in der Landwirtschaft.