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Preiswertes Mittel gegen EHEC

Medizin. - Der EHEC-Ausbruch im Sommer des vergangenen Jahres gehört zu den schwersten in der Geschichte. Fast 1000 Infektionen und 16 Todesfälle gingen auf das Konto des Darmbakteriums. Vor allem dem Giftstoff Shiga-Toxin waren die schweren Symptome zuzuschreiben. Jetzt berichten Forscher in der aktuellen Ausgabe von "Science", dass ein ganz simpler Wirkstoff vor den Effekten dieses Toxins schützt.

Von Volkart Wildermuth | 20.01.2012
    Escherichia coli ist ein ganz gewöhnliches Bakterium. Milliarden Exemplare finden sich in jedem Darm – helfen bei der Verdauung oder schaden zumindest nicht. Aber es gibt Varianten wie EHEC oder EAEC die schwere Krankheiten verursachen. Für die Verwandlung von friedlichen Mitbewohner zum bösartigen Erreger sind mehrere Faktoren verantwortlich. Einer ist das Shiga-Toxin.

    "Das Toxin wird von den Bakterien freigesetzt, dann dringt es in die Zellen ein, vor allem im Darm und in der Niere und tötet sie. Dadurch entstehen Symptome wie blutiger Durchfall oder ein Nierenversagen, das sogar tödlich sein kann."

    Adam Linstedt ist Biologieprofessor an der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh. Mit Bakterien beschäftigt er sich erst seit kurzem. Sein Spezialgebiet ist eigentlich das Transportsystem im Inneren der Zelle. Dort läuft alles ganz geordnet. Kleine Bläschen transportieren neu gebildete Eiweiße nach außen, andere holen Baustoffe ins Zellinnere und wieder andere bringen Abfälle zu den Lysosomen, sozusagen den Müllverbrennungsanlagen der Zelle. Adam Linstedt beschäftigt sich mit einem Eiweiß namens GPP130, das sich unabhängig von diesen großen Stoffströmen bewegt.

    "Das ist der Schlüssel unserer Entdeckung. Dieses Protein wird von allen Zellen des Körpers gebildet. Es kreist zwischen den verschiedenen Bläschen, aber es kommt nie ins Lysosom, es wird nicht abgebaut. Das Shiga-Toxin bindet an dieses besondere Protein, es nutzt es als Mitfahrgelegenheit. Es wird nicht zerstört und gelangt ins Innere der Zelle."

    Und dort kann es seine tödliche Wirkung entfalten. Adam Linstedt wusste, dass Mangansalze den Abbau von GPP130 bewirken. Also versuchte er auf diesem Weg das Shiga-Toxin seiner Mitfahrgelegenheit zu berauben. In der Zellkultur funktionierte das wunderbar.

    "Mangansalze sind überraschend effektiv. Sie führen zum Abbau von GPP130 und ohne dieses Eiweiß landet das Shiga-Toxin in den Lysosomen und wird zerstört. Wenn wir Mäuse vorab mit Mangan behandelten, dann zeigte das Gift keinerlei Wirkung. Die Tiere überlebten nicht nur, sie blieben sogar völlig gesund."

    Mangan ist effektiv, aber ist sein Einsatz auch praktikabel? Schließlich musste Adam Linstedt das Medikament den Mäusen über fünf Tage vorab geben, erst dann waren sie vor dem Toxin geschützt.

    "Wir müssen das GPP130 im Vorfeld mit den Mangansalzen loswerden. Beim Mensch ist die Situation aber so, dass die Leute mit Durchfällen in die Klinik kommen, lange bevor es lebensbedrohlich wird. Es bleibt Zeit für eine Behandlung mit Mangan um schlimmere Beschwerden und Todesfälle zu verhindern."

    Gerade wenn ein Ausbruch im Gange ist, könnten Ärzte schon bei leichten Darmproblemen Mangansalze verschreiben, und Menschen in den besonders gefährdeten Gesundheitsberufen die Salze sogar vorbeugend einnehmen. Besonders vielversprechend wäre auch eine Kombinationstherapie mit Antibiotika, die bei EHEC- oder EAEC-Infektionen mehr schaden, als nützen. Antibiotika töten zwar auch diese Bakterien ab, aber dabei werden die Toxine in großen Mengen frei, so dass es zu einer Verschlimmerung der Symptome kommt. Mit einer Kombination von Mangan und Antibiotika ließen sich Keime und Toxine gleichzeitig bekämpfen. Ließen, denn noch sind das alles Laborexperimente. Vor einem Einsatz von Mangansalzen in der ärztlichen Praxis stehen erst noch klinische Studien, die sicher mehrere Jahre in Anspruch nehmen werden. Adam Linstedt ist aber davon überzeugt, dass sich der Aufwand lohnen wird.

    "Diese Krankheiten sind schon in Industrienationen wie Deutschland beängstigend. Besonders schwer treffen sie aber die Dritte Welt. Da wäre eine billige Therapie ideal. Mangan ist da vielversprechend. Es ist überall erhältlich, kostet fast nichts und ist einfach anzuwenden. Das könnte einmal eine sehr effektive Behandlung für diese Krankheiten werden."