Donnerstag, 25. April 2024

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Prekäres Arbeiten in den Medien
"Gefahr, dass Journalismus noch mehr Elitenjob wird"

Thomas Schnedler hat für seine Dissertation mit prekär beschäftigten Journalisten gesprochen. Einige könnten sich die unsicheren Bedingungen tatsächlich leisten, sagte der Wissenschaftler im Dlf. Dem Journalismus drohe deshalb eine "große Schieflage".

Thomas Schnedler im Gespräch mit Isabelle Klein | 11.09.2018
    Journalisten in München demonstrieren mit Plakaten gegen Sparmaßnahmen.
    Gegen Sparmaßnahmen wehrten sich diese Journalisten 2013 in München. (picture alliance / dpa)
    Isabelle Klein: Ab wann gilt Arbeit als prekär?
    Thomas Schnedler: Das ist nicht so einfach zu sagen, weil wir unterscheiden müssen zwischen neuen Erscheinungsformen von Arbeit wie atypischen Beschäftigungsformen, also das heißt befristete Arbeitsverträge, Leiharbeit, Teilzeit auch, und eben der freiberuflichen Arbeit. Die ist im Journalismus eigentlich üblich und schon seit vielen Jahrzehnten Teil unseres Berufs. Deshalb kann man nicht sagen: Jeder, der frei arbeitet, und jeder, der vielleicht einen befristeten Vertrag hat, ist automatisch auch prekär beschäftigt. In meiner Arbeit habe ich unterschieden zwischen mehreren Dimensionen, in denen Prekarität vorliegen kann. Eine der wichtigsten ist natürlich das Einkommen. Wenn das Einkommen nicht existenzsichernd ist, kann man von prekärer Arbeit sprechen. Aber auch wenn die ganze rechtliche Absicherung nicht wirklich ausreicht, kann das ein Kriterium sein, um zu sagen, hier liegt tatsächlich prekäre Arbeit vor.
    Klein: Ich würde ja mal sagen, das Gehalt, das ist für viele Journalisten auch selbst ein sicheres Anzeichen dafür, ob sie nun prekär sind oder nicht. Aber haben sich in Ihrer Studie die Befragten selber auch als prekär eingestuft? Haben sie das selber auch gesehen, dass sie wirklich prekäre Arbeit machen?
    Schnedler: Also mit dem Begriff selber haben relativ wenige der Befragten gearbeitet, vielleicht weil er so aus dem akademischen, politischen Bereich eher stammt. Die Probleme allerdings, um die es mir ging, nämlich zu erfahren, was machen eigentlich unsichere Arbeitsbedingungen mit den Journalisten und was bedeutet das für deren journalistische Arbeit, für das Produkt am Ende, das war denen schon sehr wichtig und sehr bewusst. Und das war für mich als Forscher eigentlich auch ganz wunderbar zu sehen, dass ich da offene Türen einrenne.
    Thomas Schnedler ist selbst Journalist und arbeitet als Projektleiter für das Netzwerk Recherche. Für seine Dissertation an der Universität Hamburg hat er 27 Journalisten in einer nicht repräsentativen Studie befragt.
    Klein: Was machen denn dann diese prekären Arbeitsverhältnisse mit den Journalisten? Was sind die Folgen?
    Schnedler: Das kommt ganz drauf an. Ich habe verschiedene Typen unterschieden. Und es gibt einen, bei dem führt das nicht dazu, dass sie sich unsicher fühlen. Das mag jetzt erstmal ein bisschen widersprüchlich klingen. Aber wenn ich dann weitergefragt habe, kam eben raus, es gibt weitere Sicherheitsgaranten, die dafür einstehen, dass der Journalist sich arrangiert mit seinen unsicheren Arbeitsbedingungen; das sind dann manchmal die Eltern, die Großeltern, vielleicht auch ein Lebenspartner, ein Ehemann, eine Ehefrau. Es gibt aber eine andere Gruppe, die sehr wohl dieses Gefühl der Unsicherheit in sich spürt und damit ringt. Und wenn die Bedingungen zu hart und zu krass werden, kann das zum einen gesundheitliche Folgen haben, und zum anderen kann das aber eben auch bedeuten, dass dann die Betroffenen sagen: Ich werde mich vom Journalismus abwenden und werde mir einen ganz anderen Beruf suchen. Das habe ich tatsächlich auch erfahren in vielen Gesprächen, dass dieser Abschied aus dem Journalismus für viele Betroffene ein ganz relevantes Thema ist.
    Klein: Sie haben gerade angesprochen die Unterstützung gegebenenfalls vom Lebenspartner, von Eltern. Da kann ich mir auch vorstellen, dass das zu einer sozialen Ungleichheit führt im Journalismus. Dass dann eben Leute, die die Unterstützung im Background haben, das machen können. Leute, die eh schon aus prekären Verhältnissen kommen, suchen sich den Job dann wahrscheinlich nicht.
    Schnedler: Das ist tatsächlich eine große Gefahr, dass der Journalismus noch mehr als ohnehin schon zu so einer Art Elitenjob wird, den man sich leisten können muss, weil man entweder selber über die nötigen Mittel verfügt oder weil man eben solche Sicherheitsgaranten und andere Unterstützer hat, die einem das dann erst ermöglichen. Und es würde schon zu einer großen Schieflage führen im Beruf, und auch dazu, dass bestimmte Wahrnehmungen und Erfahrungen gar nicht mehr in dem Berufsstand sich irgendwie wiederfinden.
    "Anerkennen, dass es etwas mit Journalisten macht"
    Klein: Viele Medien stehen aber nun unter enormem Spardruck. Was könnten die denn besser machen, um ihre Mitarbeiter besser zu beschäftigen?
    Schnedler: Ich glaube, zunächst einmal müssen sie anerkennen, dass diese Arten der Beschäftigung, also das Pauschalisten-Dasein, die kurzfristige Befristung von Arbeitsverträgen, dass das etwas macht mit den Journalisten, die unter diesen Bedingungen arbeiten. Weil das ist ja eine Frage gewesen, die mich besonders umgetrieben hat, ob das auch durchschlägt auf das journalistische Arbeitsverhalten. Also ob am Ende womöglich auch Einbußen bei der Qualität zu erwarten sind. Und es gab tatsächlich viele Indizien, die dafür gesprochen haben, dass unter bestimmten Bedingungen das sehr wohl durchschlägt auf die journalistische Qualität. Und sie eben nicht mehr das Arbeitsverhalten zeigen, zeigen können, was sie sich eigentlich für ihren Beruf erhoffen und auch für sich selbst erwarten würden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.