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England
Bankenaufsicht für die Premier League

Das Super-League-Desaster aus dem Frühjahr führt im Mutterland des Fußballs zu erheblichen Konsequenzen. Die britische Regierung schafft eine unabhängige Aufsicht, die die Premier League streng überwachen soll. Und selbst die Fans würden mehr Macht bekommen.

Von Thorsten Poppe |
Der Protest ist groß bei englischen Fans im Frühjahr dieses Jahres, als die Super League eingeführt werden sollte - eine praktisch geschlossene Liga mit europäischen Spitzenklubs abseits anderer Wettbewerbe wie der Champions League. Die englische Premier League hätte mit sechs Klubs die meisten Teilnehmer gestellt. Nur auf massiven Druck der englischen Fans ist diese Idee quasi über Nacht vorerst gestorben.
Doch daraus resultieren für den englischen Fußball enorme Konsequenzen. Denn kurz nach dem Scheitern kündigt die britische Regierung an, die Strukturen im Fußball zu prüfen und neue Regeln für die Premier League zu entwickeln - unter der Leitung der früheren Sportministerin und heutigen Abgeordneten Tracy Crouch. Jetzt hat sie den Abschlussbericht vorgestellt.
Am 21.04.21 an der Stamford Bridge in London: Chelsea-Fans protestieren gegen die geplante Super League.
Am 21.04.21 an der Stamford Bridge in London: Chelsea-Fans protestieren gegen die geplante Super League. (IMAGO / Sportimage)
"Letztendlich stellt der Report sicher, dass Fußballklubs gute finanzielle Regulierungen und eine gute Unternehmensführung haben. Zudem müssen sie sich mit ihren Fans auseinandersetzen, die einen großen Teil zu diesem Report beigetragen haben. Alles in allem wird das den englischen Fußball zukünftig stärken", sagt Crouch der BBC.

Vetorecht für die Fans

Der so genannte Fan-Led Review listet dabei knapp 50 Empfehlungen auf, die eingeführt werden sollen. Es soll ein Vetorecht für Fans geben, die so bei einer Reihe von grundlegenden Entscheidungen mitreden dürften.
Zum Beispiel beim etwaigen Verkauf des klubeigenen Stadions oder falls aus Marketinggründen die Vereinsfarben neugestaltet werden sollen. Aber auch, wenn der Klub an einem neuen Wettbewerb teilnehmen möchte.
In Manchester protestierten Fans gegen die Super-League-Pläne.
In Manchester protestierten Fans gegen die Super-League-Pläne. (www.imago-images.de)
"Wir sind davon absolut überzeugt, dass die Empfehlungen unseres Reports eine europäische Super League zukünftig stoppen werden. Wir haben deutlich gemacht, dass dies auch Teil der Lizenzbedingungen sein wird. Und vor allem den Fans ein Vetorecht einräumt, die zukünftig für solche Wettbewerbe zustimmen müssten."
Eine unabhängige Aufsicht soll diese Maßnahmen regelmäßig überprüfen. Selbst einen Namen gibt es dafür schon: Independent Regulator for English Football (IREF). Und die neue Aufsichtsbehörde soll sehr weitreichende Befugnisse erhalten.

Einmaliger Vorstoß im europäischen Profi-Fußball

Sie soll einerseits die finanzielle Situation der Klubs prüfen, so wie das beim Lizenzierungsverfahren in der Bundesliga passiert. Die Behörde soll aber auch die Eignung und Integrität von Klubbesitzern regelmäßig überprüfen. Dieses Vorgehen erinnert eher an eine Bankenaufsicht. Es wäre ein einmaliger Vorstoß im europäischen Profi-Fußball.
Für Martin Endemann von den Football Supporters Europe, die Fußballfans aus ganz Europa vertreten, ist dies sogar der ganz große Wurf:

Hier muss man natürlich auch fast schon wieder den Initiatoren der Super League danken. Ohne die es nicht dazu gekommen wäre, dass dieser Fan-Led Review so schnell vonstatten geht. Natürlich ist es gut zu sehen, dass in einem Land, wo der Fußball so durchkommerzialisiert ist, wie in England, auch dort gemerkt wurde: 'okay vielleicht kann es so nicht weitergehen.' Das gibt natürlich auch Hoffnung für andere Länder.

Die Regulierungsbehörde IREF soll sogar dafür sorgen, dass das Geld im britischen Fußball gerechter verteilt wird. Dafür soll eine Transferabgabe eingeführt werden: Wenn ein Premier-League-Klub einen Spieler kauft, soll ein Teil der Ablösesumme an den Breitensport fließen. Im Gespräch sind dabei zehn Prozent, das würde laut dem Crouch-Report in etwa 160 Millionen Pfund jährlich bedeuten. 

Was macht die Bundesliga?

Dass es Reformen braucht, sieht inzwischen auch die Premier League so, wie der Vorsitzende der Liga Richard Masters im BBC-Interview erklärt:

Wir sind offen für eine unabhängige Regulierungsbehörde und wollen Details mit der Regierung besprechen.

Allerdings seien viele Maßnahmen auch ein massiver Eingriff in den Profi-Fußball, stellt Masters klar: "Es stellt einen bedeutenden Wandel dar. Es steht für Veränderung. Wir müssen aufpassen, dass wir der Premier League und dem englischen Fußball keinen Schaden zufügen. Wir müssen darauf achten, das richtige Gleichgewicht zu finden!"
Chelsea Fans protestieren in London am 20.04.2021 gegen die Pläne einer europäischen Super League.
Proteste gegen Super League in London (picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Frank Augstein)
Viele Details müssen also noch geklärt werden. Mögliche Reformen in England würden aber auch die Debatte über die 50+1-Regel in Deutschland verändern. Diese Regel beschränkt den Einfluss von Investoren im deutschen Fußball. Und ist auch deshalb ein so großer Streitpunkt, weil es eine solche Regulierung eben im englischen Fußball nicht gibt. So hat letztens DFL-Boss Christian Seifert dazu in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung angemerkt, dass die englische Premier League ja nicht nur Scheichs oder Oligarchen, sondern auch hochprofessionelle US-Investoren umfasse.
Doch selbst die müssten sich einer regelmäßigen Überprüfung unterziehen, sollte der Crouch-Report wie geplant umgesetzt werden. Für Martin Endemann auch ein Zeichen für andere europäische Ligen, vor allem für die Bundesliga:

Weil es natürlich auch für Deutschland eine interessante Debatte ist. Wir haben ja jetzt weder die Frage, wo soll es mit dem deutschen Fußball hingehen? Wie viel Regulierung braucht oder soll der deutsche Fußball haben? Und natürlich ist es da auch für deutsche Fans relevant, was jetzt in England aus diesen Ideen wird.

Da die englische Regierung den Report beauftragt hat, steht sie dem Vorschlag einer unabhängigen Kontrollinstanz für den Profi-Fußball positiv gegenüber. Im Frühjahr 2022 sollen dafür die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden. In welcher Form diese letztendlich ausgestaltet werden, wird auch Einfluss auf den europäischen Fußball haben.