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Premiere als Klassenlehrerin

Fast genauso aufregend wie für Schüler, die in eine neue Klasse kommen, ist der Schulstart für die Berufsanfänger unter den rund 600.000 Lehrerinnen und Lehrern in Deutschland. Zum Beispiel für Susanne tho Pesch, die an einer Kölner Grundschule zum ersten Mal eine eigene Klasse übernimmt.

Von Miriam Berger | 06.09.2013
    Ein bunt gestrichener Klassenraum, Blick ins Grüne, Arbeits-, Bastel- und Spielmaterialien in den Regalen, winzige Stühlchen – und 29 Kinder. So sieht sie aus, die neue Klasse 3b der Florianschule in Köln-Weidenpesch. Aber da ist natürlich noch jemand: Eine junge, blonde Frau, die den Kindern strahlend ihre Namensschildchen aushändigt. Die neue Lehrerin heißt "Frau tho Pesch" – und fühlt sich schon sichtlich wohl an ihrem ersten Schultag, umringt von den Kindern ihrer ersten eigenen Klasse.

    Die werden kaum ahnen, wie anders ihr Klassenraum noch vor einer Woche aussah: Susanne tho Pesch steht mit einem großen Eimer in einer Ecke ihres Klassenraums inmitten von Ordnern, Kisten und Plastiktüten, hört Radio aus dem Ghettoblaster und wischt Regale. Die sind noch weitestgehend leer.

    "Da oben wird wahrscheinlich Kunst reinkommen! [Glanzfolie, Krepp-Papier, bisschen chaotisch, paar Bücher noch drin, kleine Schächtelchen, Farben…"

    Abgesehen von einer augenscheinlichen Sammelleidenschaft für Kunstmaterialien hat Susanne Englisch und Mathematik in Münster studiert. Nach ihrem Referendariat arbeitete sie zunächst ein halbes Jahr als Vertretungslehrerin. In Köln hat sie nun eine der raren festen Stellen bekommen. Erstmals wird die junge Lehrerin eine Klasse zwei Jahre lang begleiten.

    "Es ist total spannend! 29 Kinder sind einfach 29 total unterschiedliche kleine Persönlichkeiten, die dann zwei Jahre miteinander wachsen, wo man auch einfach schon sehr viel von den Kindern mitbekommt – was wie ein zweites Zuhause ist."

    Das Zuhause-Gefühl fängt im besten Fall im Kollegium an. Susanne hat Glück gehabt – sie fühlt sich bei ihren neuen Kollegen schon jetzt gut aufgehoben. Am Anfang sei deren Unterstützung auch besonders wichtig.

    "Ja es hilft ungemein – gerade wenn man Fächer unterrichtet, wo man vielleicht noch nicht soviel Erfahrung hat, dass man da parallel arbeitet, also sich auch immer abspricht mit den anderen Klassenlehrern, Ideen sammelt, Themen, die die Kinder besonders gut aufnehmen."

    Wobei auch Susanne längst keine blutige Anfängerin mehr ist. Die schönen, aber auch die schwierigen Seiten des Lehrerdaseins kennt sie zu genüge und weiß, dass man manchmal bis spätabends am Schreibtisch sitzt – obwohl sie ihren Unterricht schon viel routinierter planen kann als früher.

    "Am Anfang hab ich die Stunde in Phasen eingeteilt, aufgeschrieben und einer Kollegin gegeben, damit die drüberguckt und im Vorhinein sagt: Ja, die Stunde ist gut, oder nein, hier musst du noch mal gucken. Sowas nimmt ab. Man hat einfach da schon die Erfahrung, dass man weiß, ach ja, da haben wir die und die Arbeitszeit, das braucht ungefähr so und soviel, und ist einfach auch flexibler geworden."

    Da machen sich die zwei Jahre Referendariat bezahlt. Auch wenn Nachwuchslehrer in der Regel glücklich sind, die Zeit der Lehrproben und Prüfungen irgendwie überstanden zu haben. Ist es wirklich so schlimm?

    "Das Ref ist hart – aber alle erwarten auch von einem, dass es hart ist. Als Referendarin würde ich mich nicht trauen, in die Schule zu kommen und zu sagen, ich hatte ein schönes Wochenende. Das hätte ich mich nicht getraut im Referendariat! Weil: Du musst leiden. Alle erwarten von dir, dass du leidest, und wenn du nicht leidest, dann machst du nicht genug. Es ist so."

    Dienstag, der Tag vor Schulbeginn. Susanne stellt ein letztes Mal die Möbel in ihrem Klassenraum um. Die Kisten sind verschwunden, der Boden gewischt und alle Ordner sortiert. An der Tür hängt ein Namensschild: "Susanne tho Pesch. 3b". Zeit, dass es los geht.

    "Also ich freu mich und bis gespannt und bin neugierig – aber ich bin sehr aufgeregt!"

    Mittwoch Morgen, Punkt 8 Uhr, Florianschule, zweiter Stock. Die Arbeit hat sich gelohnt.

    "War toll, also ich bin richtig glücklich nach Hause gegangen und freu mich jetzt noch mehr, ja, ist wirklich gut!"

    Drei Tage vergehen wie im Flug und so haben die Kinder ihre erste Schulwoche schon wieder hinter sich und starten hoffentlich genauso zufrieden ins Wochenende wie ihre neue Klassenlehrerin.