Dienstag, 19. März 2024

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Premiere und Abgang in Dresden
"Thielemann scheint der Ministerin nicht der richtige Mann auf diesem Posten zu sein"

"Capriccio" in Dresden feiert digitale Premiere, doch im Hintergrund sind die Spannungen weiter präsent. Christian Thielemann wird nicht über 2024 hinaus verlängert - für eine geplante Modernisierung scheint er Kulturministerin Klepsch nicht der Richtige, meint Dlf-Kritiker Uwe Friedrich.

Uwe Friedrich im Gespräch mit Marie König | 17.05.2021
Die Musiker der Sächsischen Staatskapelle unter Leitung von Christian Thielemann.
Der Vertrag von Chefdirigent Christian Thielemann in Dresden wird nicht verlängert. (dpa/Sebastian Kahnert)
Am kommenden Samstag (22. Mai) feiert die Oper ihre digitale Premiere in Dresden. Dlf-Kritiker Uwe Friedrich hat die Produktion schon gesehen.
"Das war ein eigenartiges Gefühl – ein merkwürdige Atmosphäre, nur mit mehreren Kritikern", beschreibt Friedrich die Stimmung im Saal ohne Publikum. Man habe schnell gemerkt: "Da ist was falsch, wenn wir die einzigen hier sind! Oper ist eben auch ein soziales Ereignis. Wir erleben gemeinsam eine Aufführung und man merkt, ob das Publikum gefesselt ist oder nicht."
Trotzdem sei es in diesen Tagen ein Privileg gewesen, "in diesem prunkvollen Opernhaus die sächsische Staatskapelle in voller Besetzung erleben zu dürfen." Auch die Besetzung sei glanzvoll gewesen, so Friedrich. Vor allem Camilla Nylund als Gräfin und Georg Zeppenfeld als "La Roche". Christian Thielemann habe die Partien exzellent besetzt. In weiteren Rollen der Inszenierung von Jens-Daniel Herzog sind Christa Mayer, Tuuli Takala, Daniel Behle, Nikolay Borchev und Christoph Pohl.
Christian Thielemann - Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle wird nicht verlängert
Christian Thielemann ist ein sehr prominenter Dirigent, aber sein Vertrag bei der Sächsischen Staatskapelle und der Semperoper in Dresden wird nicht über 2024 hinaus verlängert. Der Musikkritiker Uwe Friedrich sieht fehlende Innovation als Grund.

Abschied von Thielemann und Theiler

Thielemann selbst ist aktuell auch abseits der Premiere ein Thema. Der Chefdirigent verlässt die Staatskapelle und die Semperoper zum Ende der Spielzeit 2023/2024 – und auch Intendant Peter Theiler geht.
Die Diskussionen, die jetzt dazu geführt würden, seien durchaus interessant, meint Dlf-Kritiker Friedrich. "Da hat ja wirklich ein bisschen die Erde gezittert, als die Kulturministerin bekannt gegeben hat: Die Verträge laufen aus."
In der Diskussion gebe es zwei Seiten. Auf der einen diejenigen, die sagten, die Staatskapelle Dresden habe die Aufgabe, Fackelträger deutscher Kultur zu sein. Das weiterzupflegen, sei die Kernaufgabe. Auf der anderen Seite, diejenigen die sagen, "es ist ein bisschen selbstverliebt, sich darauf nur auszuruhen. Was ist denn mit der Gegenwart? Was ist mit jungen Leuten, die in die Oper kommen sollen? Und nicht nur das sehr dominante Touristenpublikum in Dresden?"
Es sei auch der Wunsch geäußert worden, dass der Chef der Staatskapelle doch etwas mehr Verantwortung in der Oper übernehmen solle. "Christian Thielemann ist ja ausdrücklich nicht der Generalmusikdirektor der Oper und dirigiert dort relativ wenig."

Modernisierung der Oper geplant

Kulturministerin Barbara Klepsch habe betont, dass sie für die nächsten gut 10 Jahre eine Umsteuerung und Modernisierung der Oper wünsche. "Thielemann scheint der Ministerin nicht der richtige Mann auf diesem Posten zu sein", meint Dlf-Kritiker Friedrich.
Über die Zukunft Thielemanns könne nur spekuliert werden. "So viele Häuser gibt es nicht, die von der Größe, vom internationalen Renommee für ihn infrage kommen würden." Häuser wie zum Beispiel München, Paris oder Wien hätten alle Chefdirigenten. Zurzeit komme nur das Concertgebouw in Amsterdam infrage, doch dazu habe er bisher keine künstlerischen Bindungen aufgebaut. Die Frage sei auch, ob Thielemann überhaupt noch einmal Verantwortung übernehmen wolle. In den vergangenen Jahren sei er immer dort am besten gewesen "wo er als Gastdirigent kam und glänzen konnte", meint Friedrich.