"Heute zeichne ich einen Pinguin mit dem Kopf unseres Premierministers. Aber der ist gar nicht so einfach zu zeichnen, er hat nicht so einen klaren Gesichtsausdruck, finde ich. Seine Vorgänger waren leichter zu karikieren. Aber wir haben uns an ihn gewöhnt."
Selcuk Erden von der Istanbuler Satirezeitschrift "Penguen" kann es nicht lassen. Gerade erst hatte Ministerpräsident Tayyip Erdogan das Wochenblatt wegen Beleidigung angezeigt, da macht der junge Karikaturist den Politiker schon wieder zum Tier: Pinguin Erdogan mit Oberschnabelbart und beleidigter Miene. Anfang März hatten sich die Zeichner von Penguen mit einem Kollegen solidarisch zeigen wollen, der zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, weil er den Ministerpräsidenten als Katze karikiert hatte. Penguen verzierte daraufhin eine ganze Titelseite mit Erdogan- ähnlichen Tiergestalten: Erdogan als Affe, Kamel, Kuh und Ente. Die Antwort von Erdogans Anwälten kam prompt:
"Wir haben gehört, dass uns der Ministerpräsident wegen Beleidigung angezeigt hat. Daraufhin haben wir ihn in der neuesten Nummer wieder als Menschen gezeichnet, allerdings mit Katzenschwanz. Wir können ja schließlich nicht mit jeder neuen Regierung unseren Humor wechseln."
Es ist nicht die Dünnhäutigkeit des Ministerpräsidenten, die türkischen Journalisten in diesen Tagen Kopfschmerzen bereitet. Es ist die lange erwartete und von der EU geforderte Strafrechtsreform. Darin haben die Medienvertreter neben etlichen Verbesserungen, auch für die Pressefreiheit gefährliche Rückschritte ausgemacht. Das 340 Paragrafen starke Gesetzeswerk räumt Frauen mehr Rechte ein und verschärft die Strafen für Folterer. Es stärkt außerdem die Rechte des Einzelnen gegenüber den mächtigen Medien - auch das ein Fortschritt, findet Erol Önderoglu vom
Mediennetzwerk BIA. Allerdings sind auch die willkürlich auslegbaren Paragrafen geblieben:
"Das sind die berühmten Paragrafen, unter denen die Journalisten in der Türkei jahrzehntelang gelitten haben und wegen denen Zahllose in Haft gehen mussten: Die Paragrafen 159 und 312 des Strafgesetzbuches. Demnach macht sich beispielsweise strafbar, wer Staatsorgane beleidigt, gegen die
Grundfesten der Nation aktiv ist oder auch nur ein laufendes
Gerichtsverfahren kommentiert. Dem war die türkische Presse immer
ausgeliefert."
Doch diesmal gingen die Journalisten in der ganzen Türkei auf die
Barrikaden und zwangen die Regierung die Verabschiedung des Reformpakets
zu verschieben. Offenbar ist Ankara bereit, die umstrittenen Paragrafen
159 und 312 mit ihren Beleidigungstatbeständen zu entschärfen. Auch wird
man weiterhin künftig straffrei behauptet können, im Osmanischen Reich
habe ein Völkermord an den Armeniern stattgefunden. Das sollte dem
ursprünglichen Gesetzentwurf zufolge denjenigen untersagt bleiben, die
Lohn oder andere Gelder aus dem Ausland beziehen. Erol Önderoglu vom
Mediennetzwerk BIA meint, dass liberalere Gesetze in der Türkei allein
nicht genügen. Es brauche einen Mentalitätswechsel:
"Wir haben beobachtet, dass es meist dann zu Verfahren gegen Journalisten
kommt, wenn sich die Artikel gegen das Militär, die Gendarmerie oder die
Polizei richten. Es scheint immer noch so zu sein, dass viele Richter und
Staatsanwälte weniger die Umsetzung der EU-Reformen, als vielmehr die
Inschutznahme der Sicherheitskräfte als ihre Aufgabe sehen."
Auch Ministerpräsident Erdogan kann sich offensichtlich nur schwer an eine
freie Presse in der Türkei gewöhnen. Er hat die Satirezeitschrift Penguen
wegen der Tierbilder auf umgerechnet 40.000 Euro Schmerzensgeld verklagt.
Eine unbezahlbar hohe Summe für das kleine Blatt, auch wenn die Erdogan-
Tier-Ausgabe ausverkauft wurde. Der Karikaturist Selcuk Erdem wird dennoch
mit spitzer Feder weiter zeichnen wie bisher:
"Es gibt ein afrikanisches Sprichwort, das lautet: Ziehe nie einen
Leoparden am Schwanz. Tust du es doch, dann darfst du nicht wieder
loslassen." (Ein Beitrag von Gunnar Köhne)
Selcuk Erden von der Istanbuler Satirezeitschrift "Penguen" kann es nicht lassen. Gerade erst hatte Ministerpräsident Tayyip Erdogan das Wochenblatt wegen Beleidigung angezeigt, da macht der junge Karikaturist den Politiker schon wieder zum Tier: Pinguin Erdogan mit Oberschnabelbart und beleidigter Miene. Anfang März hatten sich die Zeichner von Penguen mit einem Kollegen solidarisch zeigen wollen, der zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, weil er den Ministerpräsidenten als Katze karikiert hatte. Penguen verzierte daraufhin eine ganze Titelseite mit Erdogan- ähnlichen Tiergestalten: Erdogan als Affe, Kamel, Kuh und Ente. Die Antwort von Erdogans Anwälten kam prompt:
"Wir haben gehört, dass uns der Ministerpräsident wegen Beleidigung angezeigt hat. Daraufhin haben wir ihn in der neuesten Nummer wieder als Menschen gezeichnet, allerdings mit Katzenschwanz. Wir können ja schließlich nicht mit jeder neuen Regierung unseren Humor wechseln."
Es ist nicht die Dünnhäutigkeit des Ministerpräsidenten, die türkischen Journalisten in diesen Tagen Kopfschmerzen bereitet. Es ist die lange erwartete und von der EU geforderte Strafrechtsreform. Darin haben die Medienvertreter neben etlichen Verbesserungen, auch für die Pressefreiheit gefährliche Rückschritte ausgemacht. Das 340 Paragrafen starke Gesetzeswerk räumt Frauen mehr Rechte ein und verschärft die Strafen für Folterer. Es stärkt außerdem die Rechte des Einzelnen gegenüber den mächtigen Medien - auch das ein Fortschritt, findet Erol Önderoglu vom
Mediennetzwerk BIA. Allerdings sind auch die willkürlich auslegbaren Paragrafen geblieben:
"Das sind die berühmten Paragrafen, unter denen die Journalisten in der Türkei jahrzehntelang gelitten haben und wegen denen Zahllose in Haft gehen mussten: Die Paragrafen 159 und 312 des Strafgesetzbuches. Demnach macht sich beispielsweise strafbar, wer Staatsorgane beleidigt, gegen die
Grundfesten der Nation aktiv ist oder auch nur ein laufendes
Gerichtsverfahren kommentiert. Dem war die türkische Presse immer
ausgeliefert."
Doch diesmal gingen die Journalisten in der ganzen Türkei auf die
Barrikaden und zwangen die Regierung die Verabschiedung des Reformpakets
zu verschieben. Offenbar ist Ankara bereit, die umstrittenen Paragrafen
159 und 312 mit ihren Beleidigungstatbeständen zu entschärfen. Auch wird
man weiterhin künftig straffrei behauptet können, im Osmanischen Reich
habe ein Völkermord an den Armeniern stattgefunden. Das sollte dem
ursprünglichen Gesetzentwurf zufolge denjenigen untersagt bleiben, die
Lohn oder andere Gelder aus dem Ausland beziehen. Erol Önderoglu vom
Mediennetzwerk BIA meint, dass liberalere Gesetze in der Türkei allein
nicht genügen. Es brauche einen Mentalitätswechsel:
"Wir haben beobachtet, dass es meist dann zu Verfahren gegen Journalisten
kommt, wenn sich die Artikel gegen das Militär, die Gendarmerie oder die
Polizei richten. Es scheint immer noch so zu sein, dass viele Richter und
Staatsanwälte weniger die Umsetzung der EU-Reformen, als vielmehr die
Inschutznahme der Sicherheitskräfte als ihre Aufgabe sehen."
Auch Ministerpräsident Erdogan kann sich offensichtlich nur schwer an eine
freie Presse in der Türkei gewöhnen. Er hat die Satirezeitschrift Penguen
wegen der Tierbilder auf umgerechnet 40.000 Euro Schmerzensgeld verklagt.
Eine unbezahlbar hohe Summe für das kleine Blatt, auch wenn die Erdogan-
Tier-Ausgabe ausverkauft wurde. Der Karikaturist Selcuk Erdem wird dennoch
mit spitzer Feder weiter zeichnen wie bisher:
"Es gibt ein afrikanisches Sprichwort, das lautet: Ziehe nie einen
Leoparden am Schwanz. Tust du es doch, dann darfst du nicht wieder
loslassen." (Ein Beitrag von Gunnar Köhne)