Dienstag, 19. März 2024

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Pressefreiheit in Brasilien
Bolsonaros Medienattacken und die Folgen

Während des Wahlkampfs in Brasilien wetterte Jair Bolsonaro immer wieder gegen Medien, woraufhin viele Journalisten von Anhängern des Politikers bedroht und angegriffen wurden. Und auch nach seinem Wahlsieg ändere Bolsonaro seinen Ton bislang nicht, sagte die Journalistin Astrid Prange de Oliveira im Dlf.

Astrid Prange de Oliveira im Gespräch mit Henning Hübert | 30.10.2018
    Das Foto zeigt den brasilianischen Politiker Jair Bolsonaro.
    Durch die Wahl von Jair Bolsonaro könnte die Pressefreiheit in Brasilien leiden (dpa-Bildfunk / AP / Pool Reuters / Ricardo Moraes)
    Jair Bolsonaro hat seinen Sieg bei den brasilianischen Präsidentschaftswahlen auch einer Desinformationskampagne auf WhatsApp zu verdanken. Der Messengerdienst, der zum Facebook-Konzern gehört, ist in Brasilien sehr beliebt - ca. 120 Millionen Brasilianerinnen und Brasilianer nutzen das Angebot.
    Während des Wahlkampfs musste WhatsApp allerdings über 100.000 Accounts löschen. Sie hatten Falschnachrichten und Verschwörungstheorien über Bolsonaros Konkurrenten Fernando Haddad an Millionen brasilianische Userinnen und User verschickt - dass dieser zum Beispiel Kirchen verbieten und Pädophilie erlauben wolle. Medien, die über diese Desinformationskampagne berichtet haben, wurden von Bolsonaro als "Fake News" und "Kommunisten" bezeichnet - und von dessen Anhängerinnen und Anhängern attackiert.
    Attacken gegen negative Berichterstattung über Bolsonaro
    Zu den Zielen dieser Attacken gehörte u.a. die zweitgrößte Tageszeitung Brasiliens, "Folha de Sao Paulo" - laut Bolsonaro die "größte Fake-News-Quelle Brasiliens". "Folha de Sao Paulo" hatte mehrere Artikel über die WhatsApp-Desinformationskampagnen von Bolsonaros Anhängerinnen und Anhängern veröffentlicht, darunter eine Investigativ-Recherche der Journalistin Patricia Campos Mello. Demnach hatten mehrere Unternehmen die Verbreitung von Falschnachrichten und Verschwörungstheorien über Haddad via WhatsApp finanziell unterstützt. Nach der Veröffentlichung des Artikels wurde Campos Mello online und per Telefon massiv bedroht und ihr eigener WhatsApp-Account wurde gehackt.
    Auch ein Vorgesetzter von Campos Mello bei der "Folha de Sao Paulo" erhielt Drohungen, und der zeitungseigene WhatsApp-Account wurde durch systematische Attacken lahmgelegt - in nur vier Tagen gingen dort laut der Zeitung über 220.000 Nachrichten ein.
    "Unsere Zeitung hat Beweise für eine orchestrierte Aktion mit dem Ziel, die Pressefreiheit zu strangulieren", schrieb die Redaktionsleitung in einem Statement.
    Mindestens 141 Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten
    ABRAJI, der Verband brasilianischer Investigativ-Journalisten, hat mindestens 141 Fälle dokumentiert, in denen Journalistinnen und Journalisten bedroht oder angegriffen wurden, die über die Wahlen in Brasilien berichtet haben - der große Mehrheit davon von Anhängerinnen und Anhängern von Bolsonaro. Eine Reporterin der Nachrichtenseite NE10 News wurde beispielsweise von zwei Bolsonaro-Wählern mit einem Messer angegriffen und ihr wurde mit Vergewaltigung gedroht. Außerdem schoss ein Unbekannter auf einen Bus, in dem 28 Journalistinnen und Journalisten saßen, die auf dem Weg zu einer Wahlveranstaltung der Arbeiterpartei von Fernando Haddad waren.
    Bolsonaro schrieb auf seinem Twitter-Account, Berichte über Attacken auf Journalistinnen und Journalisten durch seine Anhänger seien "Müll" und von den Medien übertrieben. Kurze Zeit später veröffentlichte er allerdings ein Statement, in dem er Journalistinnen und Journalisten "Freunde" nannte - solange sie neutral seien und die Fakten berichteten.
    Wer nach der Wahl nun auf einen gemäßigteren Ton von Bolsonaro hoffe, der könne enttäuscht werden, sagte die Journalistin Astrid Prange de Oliveira im Gespräch mit @mediasres: "Er hat sich in den ersten öffentlichen Äußerungen versöhnlich gegeben, hat gesagt, die Pressefreiheit sei ihm 'heilig' - aber im selben Atemzug hat der gegen die 'Folha de Sao Paulo' gehetzt und gesagt, sie verbreite weiterhin "Fake News" und alle Anschuldigungen gegen ihn seien schlichtweg falsch." Es spreche viel dafür, dass Bolsonaro sich weiterhin so verhalten werde.
    Bolsonaro droht Medien mit Strafen
    In seinen ersten Fernsehinterviews bekannte sich Bolsonaro dann zwar auch zur Pressefreiheit, ließ laut Prange de Oliveira aber auch klar erkennen, was er unter Pressefreiheit verstehe: "Eine für ihn wohlwollende Berichterstattung - und er hat auch schon angedeutet, dass diejenigen Medien, die nicht auf dieser Linie liegen, mit Strafen rechnen müssen. Die Regierung wird dann keine Anzeigen mehr bei solchen Medien schalten - das heißt, denen entgehen dann Einnahmen."