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"Pressefreiheit überhaupt noch nicht vorhanden"

Am Internationalen Tag der Pressefreiheit hat die Organisation Reporter ohne Grenzen auf Zensur und Menschenrechtsverletzungen auf der ganzen Welt aufmerksam gemacht. Um die Presse- und Meinungsfreiheit sei es in China sehr schlecht bestellt, so das Urteil der ARD-Korrespondentin Petra Aldenrath. Als ausländische Journalistin gehe sie allerdings ein weitaus geringeres Risiko ein als ihre chinesischen Kolleginnen und Kollegen. Diese müssten auch mehrjähriges Arbeitslager befürchten.

03.05.2006
    Noske: Am heutigen Internationalen Tag der Pressefreiheit hat die Organisation Reporter ohne Grenzen auf Zensur und Menschenrechtsverletzungen auf der ganzen Welt aufmerksam gemacht. Und ich habe unsere China-Korrespondentin Petra Aldenrath gefragt, wie es um die Pressefreiheit dort bestellt ist.

    Aldenrath: Sehr schlecht, also wenn man von China so liest und hört, dann sieht man ja meistens nur diesen Turbo-Kapitalismus, der sich da entwickelt. Also diese boomenden Städte vor allem. Aber die Öffnung, was jetzt Pressefreiheit, Meinungsfreiheit angeht, die ist überhaupt noch nicht vorhanden. Ich kann da aus eigener Erfahrung sprechen. Also bei mir im Studio, im ARD-Studio in Peking, da werden grundsätzlich alle meine Mails gelesen. Das merken Sie daran, dass sie oft mit einer Zeitverzögerung ankommen. Es werden auch alle Telefonate abgehört, das hören Sie oft an einem Klicken. Bei einem Kollegen von mir hat sich der Abhörer dann auch mal ins Gespräch dazugeschaltet und einfach ein bisschen mitgeplauscht. Das erst einmal zu unseren Arbeitsbedingungen.

    Und ansonsten ist es einfach so dass wir, traditionellerweise müssen wir eigentlich alle Interviews, die wir machen, genehmigen lassen vom Außenministerium. Das machen wir aber nicht, das wäre einfach ein zu großer Aufwand. Und oft wären die Themen dann vorbei bis wir überhaupt zu einem Interview kommen. Deswegen ist es so: Wir gehen einfach auf die Straße, wir befragen die Leute. Das ist auch überhaupt kein Problem. Die Leute, die reden mit Ihnen. Sie bekommen da alle Informationen. Die kritisieren die Regierung, die kritisieren die Umwelt, die kritisieren eigentlich alles, was ihnen am Herzen liegt. Das ist überhaupt kein Problem. Aber sobald es offiziell wird, da müssen Sie eine Genehmigung haben, ansonsten bekommen Sie keine Interviews. Und da triezt einen die chinesische Regierung wirklich oft. Sie verteilt dann einfach keine Interviewgenehmigung und wartet so lange, bis das Thema, was hier, zum Beispiel in Deutschland interessiert, schon vorbei wäre.

    Noske: Aber gehen denn dann nicht Sie, oder auch die Leute die Ihnen Informationen geben, ein hohes Risiko ein?

    Aldenrath: Es kommt darauf an. Also zum einen die Leute auf der Straße, da ist mir der Name egal. Anders ist es allerdings bei Experten, die einem zum Beispiel sensible Informationen geben. Und wir machen es da ganz einfach - ich denke den Deutschen hier ist es ziemlich egal, ob dieser Mensch nun Wu oder Li heißt - wir verändern da einfach den Namen und so schützen wir dann unsere Informanten. Es ist auch nicht mehr so, dass China ein Überwachungsstaat ist, dass Sie auf der Straße überall Polizisten haben, die dann kucken, was Sie machen.

    Das passiert teilweise noch auf den Dörfern. Auf den Dörfern, wenn Sie da illegal, ohne Erlaubnis, ohne Interviewerlaubnis, hinkommen, da kann es Ihnen schon passieren, dass Sie verpfiffen werden. Dass da irgendjemand bei der Lokalbehörde anruft und sagt, hey, da läuft eine ausländische Journalistin rum, die fragt, die fragt irgendwelche unbequemen Fragen. Und dann kommt die Polizei, dann kommen Sie auch einmal in U-Haft. Das passiert Kollegen immer wieder. Mir ist es noch nicht passiert. Aber mein Kollege vom Fernsehen, der Jochen Gräber, der saß letztens sieben Stunden in U-Haft, wegen einem illegalen Dreh. Das tut aber erstmal nicht weh. Sie werden befragt. Sie bekommen dann die Kassette abgenommen. Und, ja, dann können Sie wieder nach Hause gehen, irgendwann.

    Noske: Nun sind Sie ja als deutsche Journalistin registriert. Was ist denn das Schlimmste, was Ihnen da passieren könnte? Und wie ist das mit den einheimischen Journalisten? Wie arbeiten die?

    Aldenrath: Das ist ein ganz großer Unterschied. Also ich sage immer, das Schlimmste, was mir passieren kann, ist zum einen, das Allerschlimmste ist, dass ich ausgewiesen werde. Also ich habe schon eine Abmahnung bekommen, vom chinesischen Außenministerium, über meine kritische Bush-Berichterstattung, als der US-Präsident George W. Bush in China war. Danach bin ich dann ermahnt worden.

    Wir werden auch regelmäßig zusammengerufen und ermahnt, wir sollten einmal chinafreundlicher berichten. Wir berichten auch durchaus über die schönen Seiten, aber da werden wir immer wieder ermahnt. Wenn der chinesischen Regierung das jetzt überhaupt nicht passen würde, würde es irgendwann heißen, Frau Aldenrath, Sie können gehen, auf Wiedersehen, das war's. Dann werde ich in den nächsten Flieger gesetzt, mit meiner Familie, irgendwann kommen meine Möbel hinterher. Auch das tut nicht weh. Es ist unangenehm, aber es ist erstmal nicht lebensbedrohlich.

    Meinen chinesischen Kollegen allerdings geht es da wesentlich anders. Die chinesische Presse ist relativ gleichgeschaltet. Also, es versuchen immer mal wieder Kollegen, chinesische Kollegen, auch Kritik zu üben. Das machen sie dann auch. Solange es niemanden von der chinesischen Regierung auffällt, können sie das auch tun. Es sind manchmal ganz bissige Artikel da drin. Aber auf einmal gerät ein Artikel ins Kreuzvisier. Und am nächsten Tag ist diese Rubrik, die gibt es nicht mehr, die ist geschlossen. Und der Verantwortliche wandert dann hinter Gitter und das kann wirklich zehn Jahre Arbeitslager bedeuten. Und zehn Jahre Arbeitslager in China ist nicht lustig.

    Noske: Petra Aldenrath war das, über die Situation der Journalisten in China am heutigen Internationalen Tag der Pressefreiheit.