"Lebensfremd", sagte Wolfgang Weber, vorsitzender Richter des elften Zivilsenats am Oberlandesgericht Frankfurt am Main, "lebensfremd" sei es anzunehmen, dass Leute, die die Rezensionsresümees des Perlentauchers lesen, sich obendrein noch die originalen Zeitungsartikel beschaffen, welche so handlich zusammengefasst werden. Damit sah es schon zu Beginn der mündlichen Verhandlung für den beklagten Perlentaucher schlecht aus, denn genau dies behaupten auch die klagenden Zeitungen: sie fürchten den Abriebeffekt durchs Internet - beziehungsweise in der Sprache des Gerichts: die Ersetzungsfunktion.
In der vorigen Instanz hatte die Sache noch ganz anders ausgesehen: Da war das Gericht noch davon ausgegangen, dass die vom Perlentaucher gefilterten und aufbereiteten Pressestimmen eher ein Stimulans seien, um sich mit den Rezensionen näher zu beschäftigen, besonders wenn sie - wie das ja quer durch den Blätterwald oft der Fall ist - einander diametral widersprechen.
Perlentaucher-Anwalt Simon Bergmann aus Berlin nahm dieses Argument auf und sah darin auch den Unterschied zu einem anderen Fall, in dem es um die Zusammenfassung wissenschaftlicher Texte ging, die gerichtlich untersagt wurde:
" Hier geht es ja nicht um eine wissenschaftliche Arbeit, wo ein konkretes Ergebnis und der Weg dahin im Vordergrund stehen, sondern hier geht es letztendlich um ein literarisches Werk. Eine Kritik der SZ oder der FAZ zeichnet sich ja durch besondere Feinheiten aus, durch einen hohen Qualitätsanspruch, durch eine besondere Sprache, und die kann man nicht ersetzen in drei, vier Worten. Deswegen bin ich der Meinung, dass die Notiz allenfalls ein Hinweis auf die Kritiken ist, und FAZ und SZ eigentlich von diesen Hinweisen auch profitieren, aber niemals diese Kritiken ersetzen kann. "
Doch das Oberlandesgericht scheint die Besonderheiten der literarischen Kultur nicht zu erkennen oder zumindest nicht anzuerkennen. Anders lässt sich der in den Raum gestellte Vergleichsvorschlag nicht deuten, der darin besteht, bei der perlentauchermäßigen Wiedergabe von Rezensionen künftig auf wörtliche Zitate zu verzichten, um an dem eigenschöpferischen Charakter (das ist der entscheidende Begriff des Urheberrechts) keinen Zweifel aufkommen zu lassen. Wenn etwas die Bezeichnung "lebensfremd" verdient, dann ist es wohl die Vorstellung, ausgerechnet auf dem Gebiet der Literatur ohne die in der abendländischen Schriftkultur entwickelte Kunst des Zitierens auszukommen.
Perlentaucher-Gründer Thierry Chervel ist dementsprechend fassungslos:
" Also ich kann mir nicht vorstellen, dass man überall zitieren darf, nur dann nicht, wenn man eine Buchkritik, die selbst oft zum großen Teil aus Zitat besteht, nur dann nicht, wenn man über eine Buchkritik Bericht erstattet. Also das kann vernünftigerweise nicht Urteil werden. "
In der Tat gibt es aber einen ebenso seltsamen wie schneidenden Unterschied, den das Urheberrechtsgesetz vorsieht: Presseschauen etwa im Radio dürfen selbstverständlich längere zusammenhängende Passagen aus Zeitungen zitieren, aber - wie es heißt - zu "politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Tagesfragen". Von Kultur keine Spur. Und das literarische Schaffen kommt erst recht nicht vor.
Da dies für eine Kulturnation und deren Umgang mit dem neuen Medium Internet ein Unding ist, wird der Prozess - egal wie das Urteil, das Mitte November verkündet werden soll, ausfällt - nicht beim Frankfurter Oberlandesgericht enden. Da ist sich Simon Bergmann mit der Gegenseite einig: Es geht wahrhaftig ums Prinzip.
" Wir haben die Möglichkeit, zum BGH zu gehen, die Revision wird auch zugelassen, weil es sich um fundamentale Rechtsfragen handelt, und in solchen Fällen soll der BGH ein Machtwort in letzter Instanz sprechen. "
Was natürlich, wenn es dann gegen den Perlentaucher ausfiele, wegen der dann entstehenden Kosten zugleich das Aus für die ganze Unternehmung bedeuten würde.
" Man muss sich dann etwas umstellen, man muss sich daran orientieren, dass weniger Originaltextstellen übernommen werden, die dann auch nicht mit Anführungsstrichen gekennzeichnet werden, sondern dass man schlicht und ergreifend die Originalkritik noch mehr in eigene Worte fasst. "
In der vorigen Instanz hatte die Sache noch ganz anders ausgesehen: Da war das Gericht noch davon ausgegangen, dass die vom Perlentaucher gefilterten und aufbereiteten Pressestimmen eher ein Stimulans seien, um sich mit den Rezensionen näher zu beschäftigen, besonders wenn sie - wie das ja quer durch den Blätterwald oft der Fall ist - einander diametral widersprechen.
Perlentaucher-Anwalt Simon Bergmann aus Berlin nahm dieses Argument auf und sah darin auch den Unterschied zu einem anderen Fall, in dem es um die Zusammenfassung wissenschaftlicher Texte ging, die gerichtlich untersagt wurde:
" Hier geht es ja nicht um eine wissenschaftliche Arbeit, wo ein konkretes Ergebnis und der Weg dahin im Vordergrund stehen, sondern hier geht es letztendlich um ein literarisches Werk. Eine Kritik der SZ oder der FAZ zeichnet sich ja durch besondere Feinheiten aus, durch einen hohen Qualitätsanspruch, durch eine besondere Sprache, und die kann man nicht ersetzen in drei, vier Worten. Deswegen bin ich der Meinung, dass die Notiz allenfalls ein Hinweis auf die Kritiken ist, und FAZ und SZ eigentlich von diesen Hinweisen auch profitieren, aber niemals diese Kritiken ersetzen kann. "
Doch das Oberlandesgericht scheint die Besonderheiten der literarischen Kultur nicht zu erkennen oder zumindest nicht anzuerkennen. Anders lässt sich der in den Raum gestellte Vergleichsvorschlag nicht deuten, der darin besteht, bei der perlentauchermäßigen Wiedergabe von Rezensionen künftig auf wörtliche Zitate zu verzichten, um an dem eigenschöpferischen Charakter (das ist der entscheidende Begriff des Urheberrechts) keinen Zweifel aufkommen zu lassen. Wenn etwas die Bezeichnung "lebensfremd" verdient, dann ist es wohl die Vorstellung, ausgerechnet auf dem Gebiet der Literatur ohne die in der abendländischen Schriftkultur entwickelte Kunst des Zitierens auszukommen.
Perlentaucher-Gründer Thierry Chervel ist dementsprechend fassungslos:
" Also ich kann mir nicht vorstellen, dass man überall zitieren darf, nur dann nicht, wenn man eine Buchkritik, die selbst oft zum großen Teil aus Zitat besteht, nur dann nicht, wenn man über eine Buchkritik Bericht erstattet. Also das kann vernünftigerweise nicht Urteil werden. "
In der Tat gibt es aber einen ebenso seltsamen wie schneidenden Unterschied, den das Urheberrechtsgesetz vorsieht: Presseschauen etwa im Radio dürfen selbstverständlich längere zusammenhängende Passagen aus Zeitungen zitieren, aber - wie es heißt - zu "politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Tagesfragen". Von Kultur keine Spur. Und das literarische Schaffen kommt erst recht nicht vor.
Da dies für eine Kulturnation und deren Umgang mit dem neuen Medium Internet ein Unding ist, wird der Prozess - egal wie das Urteil, das Mitte November verkündet werden soll, ausfällt - nicht beim Frankfurter Oberlandesgericht enden. Da ist sich Simon Bergmann mit der Gegenseite einig: Es geht wahrhaftig ums Prinzip.
" Wir haben die Möglichkeit, zum BGH zu gehen, die Revision wird auch zugelassen, weil es sich um fundamentale Rechtsfragen handelt, und in solchen Fällen soll der BGH ein Machtwort in letzter Instanz sprechen. "
Was natürlich, wenn es dann gegen den Perlentaucher ausfiele, wegen der dann entstehenden Kosten zugleich das Aus für die ganze Unternehmung bedeuten würde.
" Man muss sich dann etwas umstellen, man muss sich daran orientieren, dass weniger Originaltextstellen übernommen werden, die dann auch nicht mit Anführungsstrichen gekennzeichnet werden, sondern dass man schlicht und ergreifend die Originalkritik noch mehr in eigene Worte fasst. "