Archiv


"Pressesprecher" der ersten DDR-Regierung

Gerhart Eisler, Bruder des Komponisten Hanns Eisler, war bereits 1918 in die Kommunistische Partei Österreichs eingetreten. Ab den 20er Jahren schickten ihn dann die KPD und die Komintern im Parteiauftrag rund um den Erdball. Als der welt- und redegewandte Eisler 1949 unter abenteuerlichen Umständen aus dem US-amerikanischen Exil nach Ost-Berlin zurückkehrte, avancierte er fast augenblicklich zum Chefpropagandisten der DDR. Erst jetzt erscheint die erste Biographie über Eislers bewegtes Leben, das 1968 endete. Henry Bernhard stellt sie Ihnen vor.

    Karl-Eduard von Schnitzler:
    "Mehr als 3.000 Menschen sind in den Friedrichstadtpalast gekommen, um Gerhart Eisler zu begrüßen, dem es gelungen ist, aus den Gefängnissen der amerikanischen Reaktion zu entkommen. "... ewig der Sklav'rei ein Ende, heilig die letzte Schlacht.""

    Das konnte sich die SED nicht entgehen lassen: Ein deutscher Kommunist wird in den USA verurteilt, entzieht sich der Haft, schmuggelt sich in New York auf ein polnisches Schiff und kommt als blinder Passagier nach Europa und schließlich nach Berlin in der Sowjetischen Besatzungszone. Und er hat nicht nur eine Geschichte zu erzählen, er kann sich auch noch ausdrücken.

    O-Ton Gerhart Eisler:
    "( ... )Ich erklärte den amerikanischen Reaktionären, dass ich sie ebenso aus tiefster Seele hasse, wie ich die Zerstörer Deutschlands, die Hitler-Bande hasse! (Bravo-Rufe, Beifall) Ich hasse die deutschen Kriegsverbrecher und die Deutschland-Zerstörer von gestern, und ich hasse die amerikanischen Möchtegern-Kriegsverbrecher von morgen. (Bravo-Rufe, Beifall) Ich hasse sie wegen der Spaltung Berlins und wegen der Spaltung Deutschlands. Ich hasse sie wegen ihrer Versuche, uns auszubeuten und zu einer Yankee-Kolonie zu machen. Und weil ich klipp und klar sagte, dass ich ein Todfeind bin gegen eine Politik, die unseren endgültigen nationalen Selbstmord bedeutet, sollte ich in amerikanischen Gefängnissen verschwinden.(Bravo-Rufe, Beifall)"

    Gerhart Eisler war für die SED-Propaganda ein Geschenk: Ein welterfahrener Mann, Kampfgenosse Ernst Thälmanns, der für die Komintern in China und in den USA gearbeitet hatte, der in deutschen, französischen und amerikanischen Gefängnissen gesessen hatte. Und deshalb machte die SED Gerhart Eisler auch bald zu einem ihrer obersten Propagandisten: Im Oktober 1949 wird er als Leiter des Amtes für Information quasi der Pressesprecher der ersten DDR-Regierung. Schon bald jedoch fällt er in Ungnade, da er ein "Westemigrant" war, verliert seinen Posten und wird doch vom SED-Chef Walter Ulbricht mit Arbeit versorgt. Ein spannendes Leben, möchte man meinen, in den politischen Stürmen des 20. Jahrhunderts.

    Nun liegt Gerhart Eislers Biographie vor. Der Autor Ronald Friedmann war DDR-Diplomat der jüngeren Generation, heute ein aufgeklärter SED/PDS-Sozialist. Das Buch "Ulbrichts Rundfunkmann" erscheint in der "Edition Ost", dem Berliner Forum der SED-Funktionäre, Stasi- und NVA-Offiziere. Und so liest sich die Biographie über weite Strecken wie eine kommunistische Hagiographie nach dem Motto: Wenn alle Kommunisten so gewesen wären, dann wäre der Sozialismus, der ja eine gute Idee ist, die nur schlecht ausgeführt wurde, nicht gescheitert. Dabei hat der Autor gut recherchiert, zumal die Quellenlage nicht günstig ist. Es ist nicht einfach, einem Menschen nahe zu kommen, der, um es brechtisch zu sagen, "die Länder öfter als die Hemden wechselnd" mit verschiedenen Pseudonymen und gefälschten Pässen ohne Gepäck mit wechselnden Ehefrauen unterwegs war und dem "die Sache" immer wichtiger war als sein persönliches Schicksal. So gerät gerade die Beschreibung der ersten drei Lebensjahrzehnte Gerhart Eislers arg holzschnittartig, oft müssen Indizien herhalten, und auch die verbürgten Fakten verbinden sich nur ungenügend mit den wörtlich zitierten Äußerungen von Zeitgenossen. Dafür erfährt der Leser viel über die Fraktionsstreitigkeiten in der frühen KPD, über den revolutionären Furor der 20er Jahre, über die Unfähigkeit, eine Front gegen die Nazis zu bilden und vor allem über die absolute Allmacht Moskaus über wichtige Entscheidungen der KPD.

    Erwartungsgemäß vollzog eine Funktionärskonferenz der KPD 1925 - obwohl durch das Parteistatut dazu in keiner Weise ermächtigt - die von der Führung in Moskau gewünschte Einsetzung Ernst Thälmanns als Parteivorsitzender. Ruth Fischer, deren lautstarken Widerstand man mit vollem Recht befürchtet hatte, nahm an der Konferenz in Berlin nicht teil. Sie war in Moskau festgehalten worden: "kominterniert", wie die nichtkommunistische Presse in Deutschland spottete.

    Der Streit um die richtige Linie der KPD kostete Eisler 1928 nur seine Parteiämter; er wurde von der Komintern als deren Vertreter zuerst für zwei Jahre nach China, dann für knapp drei Jahre in die USA geschickt, um dort die Linie Moskaus zu vertreten. Wie groß dabei Eislers Einfluss auf die amerikanische Kommunistische Partei war, konnte oder wollte der Autor nicht darlegen. Die Tatsache allerdings, dass Eisler unter falschem Namen als stimmberechtigter amerikanischer Delegierter auf dem siebten Weltkongress der Komintern auftrat, lässt einiges vermuten. Leider lässt der Autor den Leser mit seinen Vermutungen oft allein. Hätte er sich stärker positioniert, dann wäre ihm wohl auch nicht erspart geblieben, das spätere Interesse des FBI an Eisler als verständlich und folgerichtig anzuerkennen. Und das widersprach wohl seinen Intentionen, Eisler als unbeugsamen, zu Unrecht verfolgten, kommunistischen Helden darzustellen. So stammt die vermutlich beste Charakterisierung Eislers in dem Buch auch aus der Schreibmaschine seines zuständigen FBI-Agenten:

    Sein Bild des durch die Welt getriebenen Idealisten war völlig irreführend. Eisler sagte nichts darüber, dass er seit mehr als zwei Jahrzehnten in den Vereinigten Staaten, China und Europa das Geschäft der Revolution betrieben hatte. Er erwähnte nicht die aufrührerischen Artikel, die er für die kommunistische Presse geschrieben hatte, und das Geld, das er vom Joint Antifascist Refugee Committee unter falschem Namen erhalten hatte.

    Eisler war nämlich, nach seiner Rückkehr aus den USA ins krisen- und faschismusgeschüttelte Europa, über Spanien, wo er einen deutschen kommunistischen Radiosender leitete, Prag, Paris und zwei Jahre in französischer Internierung wiederum ins amerikanische Exil geraten. In New York schrieb Eisler unter Pseudonym für kommunistische Zeitungen. Ob er darüber hinaus weiter für die Komintern arbeitete, wird nicht klar. Der Autor gibt sich lieber der Wiedergabe von nostalgisch verklärten Schwärmereien hin, wie zum Beispiel einen Brief von Anna Seghers an Eislers Witwe.

    Auch die Menschen, die den Kommunisten durchaus nicht freundlich gesinnt waren, warteten auf Gerharts Worte wie auf die Worte eines Propheten. Sie sagten: "Wissen sie schon, dass Deutschland Krieg begonnen hat mit Russland?" Gerhart zögerte einen Augenblick, bevor er erwiderte: Dann muss die Sowjetunion Deutschland besiegen." In den folgenden Jahren, die oft schwer waren, erinnerten wir uns an diese Antwort und wurden ruhiger.

    Solcherart Heiligenverklärung findet sich in dem Buch des öfteren, was ärgerlich ist, weil sie in ihrer Einfalt an die Vermittlung von Geschichte in der DDR erinnert, die der trockenen "Geschichte als Geschichte von Klassenkämpfen" gern das Ideal eines sehenden und wissenden Kommunisten beigesellte, das sich in seiner lächerlichen Perfektion immer schon als verlogen offenbarte. Nach Kriegsende verwehrte das FBI, das Gerhart Eisler regelmäßig observiert hatte, die Ausreise nach Deutschland. Ihm wurden - teilweise auch berechtigt - in der Folge diverse Vergehen zur Last gelegt, wie Passfälschung, Falschaussage, Steuerhinterziehung, Missachtung des Parlaments und Verschwörung gegen die Regierung. Die Paranoia der Kommunistenangst in diesen Jahren tat ihr übriges, Eisler zum "Agenten der Komintern" und "Kommunist Nr. 1 der USA" aufzublasen. Binnen kurzer Zeit gab es eine heftige öffentliche Kampagne gegen Eisler. Pikanterweise trugen Eislers erste Frau und seine Schwester Ruth Fischer, die beide dem Kommunismus abgeschworen hatten, maßgeblich zu den Anschuldigungen bei.

    "Drei Jahre spielten sie mit mir Katz und Maus. Aber ich lehnte die zweifelhafte Ehre, die Maus zu sein, ab. ( ... ) Nach drei Jahren sagte ich mir: Jetzt ist's genug! Jetzt fährst du nach Hause, Arbeit gibt's da genug! Freiwillig lassen sie dich nie weg, und so schlich ich mich als blinder Passagier auf das polnische Schiff "Batory" und vergaß dabei, den Bundesstaatsanwalt und dem Chef der amerikanischen Geheimpolizei Good bye und Auf Wiedersehen zu sagen. (Gelächter, Beifall)"

    So schlampig, nachlässig und stümperhaft, wie das FBI Untersuchung und Überwachung anstellte, so verwechselte man ihn des öfteren mit seinem Bruder, dem Komponisten Hanns Eisler. Es kann allerdings kaum von einer organisierten Hetzjagd gegen Eisler gesprochen werden, wie es der Autor nahelegt. So gelang Eisler im Mai 1949, kurz vor dem endgültigen Haftantritt, die Flucht aus den USA. In der SBZ und in der bald gegründeten DDR war Eisler Ulbrichts Mann fürs Grobe: Sei es, dass er nationalistische Vorurteile aus der Nazizeit runderneuerte.

    "Ich hatte das Gefühl, in dem Kampf gegen die amerikanischen Reaktionäre als deutscher Sozialist um die Ehre des fortschrittlichen Deutschland zu kämpfen."

    ... sei es, dass er die Amerikaner beschuldigte, Kartoffelkäfer über ostdeutschen Feldern abgeworfen zu haben ...

    "Sie wollen natürlich unsere Kartoffelernte vernichten, um uns wirtschaftlich zu schaden und dann die Menschen unzufrieden zu machen, weil sie sehen, dass der Aufstieg bei uns unabänderlich ist."

    ... sei es, dass er sich öffentlich und auch in einer Zeitungskolumne unbequemen Fragen stellte - "Ist mein Cousin in der Bundeswehr mein Feind?" "Sind die USA-Weltraumpiloten auch Helden?" - Gerhart Eisler stand immer an vorderster Propagandafront, sei es als Regierungssprecher, sei es später als Chef des DDR-Rundfunks. Trotzdem: Von Mitte 1950 bis 1956 wurde Eisler kaltgestellt. Die osteuropäische Welle der stalinistischen "Parteisäuberungen" war auch über die DDR geschwappt und spülte parteiloyale Westemigranten, Juden und kritische Geister aus ihren Ämtern. Diese nach Eislers Angaben "bittersten Jahre" seines Lebens beschreibt der Autor recht präzise. Über Eislers spätere Tätigkeit als Chef des DDR-Rundfunks schweigt er sich jedoch weitgehend aus. Stattdessen legt er nahe, dass Eisler eigentlich zu den Reformgeistern in der SED gehörte - nur um in nächsten Satz zu behaupten, dass er nie erlaubte, die Beschlüsse der Partei in Frage zu stellen. Die Biographie wirft mehr Fragen auf als sie beantwortet. Sie ist gut gegliedert und mit detaillierten Fußnoten versehen - ein Steinbruch für weitere Forschungen. Sicher muss der Biograph seinem Helden naherücken. Friedmann jedoch ist der Figur, kaum aber dem Menschen Gerhart Eisler nahe gekommen. Unappetitlich sind die Sprachregelungen und der Sprachduktus der DDR, die immer wieder durchschmecken: So ist ein "Antikommunist" etwas durchweg Negatives, "Freiheit" wird in Anführungszeichen gesetzt, die "Eiserne-Vorhang"-Rede Churchills in Fulton bezeichnet der Autor gar als "berüchtigt". Vor 16 Jahren, als die DDR unterging, wäre so ein Buch als versuchte Ehrenrettung zeitgemäß gewesen, heute ist es für eine derart unkritische Würdigung zu spät.

    Henry Bernhard über Ronald Friedmann: Ulbrichts Rundfunkmann. Eine Gerhart-Eisler-Biographie. Erschienen in der edition ost, Berlin, das 285 Seiten starke Paperback kostet 14 Euro und 90 Cent.