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Primus: Können überteuerte und unpassende Finanzprodukte aussondern

Die Stiftung Warentest soll künftig Finanzprodukte intensiver überprüfen. 1,5 Millionen Euro gibt es dafür zusätzlich von der Bundesregierung. Ein unverhoffter Geldsegen – oder kauft sich der Staat damit aus der Verantwortung? Fragen an Stiftung-Warentest-Chef Hubertus Primus.

Hubertus Primus im Gespräch mit Benjamin Hammer | 05.03.2012
    Benjamin Hammer: Das Vertrauen der Verbraucher in die Finanzmärkte, es ist spätestens seit der Finanzkrise ziemlich erschüttert. Zu viele Investments gingen verloren, zu viele Aussagen von Finanzberatern entpuppten sich als Schall und Rauch. Die Bundesregierung will das Vertrauen der Verbraucher nun wieder zurückgewinnen. Die Stiftung Warentest bekommt in Zukunft 1,5 Millionen Euro zusätzlich, um Finanzprodukte zu überprüfen. Das hat gestern der Koalitionsausschuss beschlossen. – Zugeschaltet aus Berlin ist nun ein Mann, der sich freuen dürfte über die Geldspritze: Hubertus Primus, Vorstand der Stiftung. Schönen guten Tag, Herr Primus.

    Hubertus Primus: Guten Tag, Herr Hammer.

    Hammer: Herr Primus, 1,5 Millionen Euro zusätzlich – gehören damit geprellte und falsch beratene Kunden jetzt der Vergangenheit an?

    Primus: Das wäre natürlich eine Illusion. Wir können eigentlich nur auf das aufsetzen, was wir sowieso schon tun: Wir testen ja Finanzprodukte schon und veröffentlichen die Ergebnisse im "Finanztest". Wir können da die Untersuchungen etwas verbreitern, wir können mehr in die Tiefe gehen, wir können auch neue Dinge erarbeiten, Risikoklassen, um einfach dazu beizutragen, dass der Verbraucher, der ja zurzeit sehr viel auf Tagesgeld- und Festgeldkonten geparkt hat, auch das Vertrauen wiederfindet, von uns getesteten Produkten zu vertrauen, und wieder ein bisschen mehr in die Finanzmärkte investiert. Wenn das gelingt, ist das schon viel. Und die Summe von 1,5 Millionen – wir stoßen keine Freudenschreie aus, denn wir müssen das Geld ja auch ausgeben und geben das Geld wieder aus. Es ist nicht eine Finanzspritze für die Stiftung Warentest, sondern es sind klare Aufgaben, die auf uns zukommen.

    Hammer: Können Sie uns da ein bisschen was beschreiben? Was für Aufgaben, was für Projekte haben Sie vor?

    Primus: Bis jetzt muss man eigentlich sagen, dass ich nicht viel mehr weiß als Sie. Heute hat kurz die Ministerin angerufen, ich weiß aus den Medien, es kommen irgendwie 1,5 Millionen. Also man kann noch sehr wenig sagen. Aber was wir tun könnten? Wir könnten zum Beispiel bei Investmentfonds die Anlagekategorie ein bisschen erweitern, den Leuten sagen, welche Risikoklassen gibt es, wie könnt Ihr da anlegen. Wir können uns in den Zertifikatemarkt trauen. Das ist ja ein komplexes Produkt, was sehr in Verruf geraten ist. Aber da haben wir schon ein Komplexitätsmaß entwickelt, das auch ein Normalanleger bei bestimmter Komplexität da durchaus anlegen kann, und wir könnten diesen Markt mit vertretbarem Aufwand beobachten und teuere oder unpassende Produkte identifizieren. Das ist überhaupt der Punkt, dass wir teuere und unpassende Produkte aussondern können – dadurch, dass wir einfach die Tests, die wir jetzt schon machen, in der Breite stärker anlegen, aber auch in der Tiefe, und ich denke, da können wir schon eine Menge tun mit 1,5 Millionen. Dass ich jetzt am Morgen danach sozusagen noch nicht konkret Projekte, Produkte besetzen und benennen kann, das verzeihen Sie mir bitte.

    Hammer: Herr Primus, manch einer hätte sich eine staatliche Aufsicht für Finanzprodukte gewünscht, zum Beispiel eine stärkere Rolle der Bankenaufsicht. Jetzt gibt Ihnen der Staat eine, sagen wir, recht überschaubare zusätzliche Förderung. Macht es sich die Bundesregierung damit nicht ein bisschen einfach?

    Primus: Ich glaube, dass das Dinge sind, die ganz nebeneinander bestehen. Ich glaube, dass die staatliche Aufsicht und die BaFin auch wichtige Aufgaben hat, aber die beaufsichtigt den ganzen Markt und wir, wie die Stiftung Warentest das jetzt eigentlich seit 40 Jahren tut, wir helfen, sich für die richtigen Produkte zu entscheiden. Und dann gibt es auch noch die Verbraucherzentralen, die beraten. Also ich glaube, das alles geht Hand in Hand, man kann da nicht sagen, entweder oder, sondern man kann nur sagen, gemeinsam sind wir stark.

    Hammer: Jetzt gibt es seit einigen Monaten diese sogenannten Beipackzettel für Finanzprodukte, und darauf sollen dann Verbraucher über die Risiken aufgeklärt werden. Was wir hören – vielleicht wissen Sie mehr -, sollen Sie auch da einen Schwerpunkt setzen beziehungsweise überprüfen, ob es für die Produkte wirklich genug Informationen gibt oder nicht.

    Primus: Das ist genau ein Punkt. Das ist zum Beispiel ein Projekt, diese Beipackzettel zu überprüfen. Das noch bei viel mehr Banken zu tun, die Stichprobe deutlich zu erweitern, das wird sicherlich einer der Tests sein, die wir angehen.

    Hammer: Das war der Vorstand der Stiftung Warentest, Hubertus Primus. Besten Dank nach Berlin.

    Primus: Bitte schön.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.