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Private Hilfe

Zu keinem anderen ehemals kolonialisierten Volk halten die Spanier so engen und dauerhaften Kontakt wie zu den Menschen aus der Westsahara, Saharauís genannt. Jährlich fahren mindestens drei Hilfskonvois in die Wüste, und auch vor Weihnachten werden Pakete gepackt.

Von Hans-Günter Kellner |
    Die Plaza de España mitten im Zentrum von Madrid. Vor einem kleinen Zelt stehen junge Spanier, sammeln Unterschriften zur Unterstützung der Menschenrechtsaktivistin Amoinatou Haidar. Die Saharauís – wie die Spanier die Menschen in der Westsahara nennen - und ihre Guerillabewegung Polisario sind in Spanien beliebt. Mohammed Hadat, Sprecher des Polisario-Büros in Madrid, hat dafür eine Erklärung:
    " Wir haben eben ein Jahrhundert gemeinsame Geschichte. Viele Spanier haben ihren Militärdienst in der Westsahara abgeleistet, hatten Unternehmen dort oder haben in den Phosphatminen gearbeitet. Die Sprache von Cervantes ist auch unsere. Wir unterrichten sie noch heute unseren Kindern in den Flüchtlingscamps als erste Fremdsprache. Im besten Sinne: Die Spanier verstehen uns sehr gut."

    In Fernando de Henares in der Nähe von Madrid tagt unterdessen die Vereinigung Basiri, die Hilfstransporte in die Westsahara organisiert. Der Namensgeber der Organisation, Mohammed Basiri, war der erste bekannte Unabhängigkeitskämpfer der Westsahara - gegen die damaligen spanischen Kolonialherren, in deren Gefängnissen er 1970 verschwand. Schon der Name des Hilfswerks ist ein kollektives Schuldeingeständnis, sagt Vizepräsidentin Isabel Linares. Doch das schlechte Gewissen betreffe auch die Art, wie sich ihr Land 1975 aus der Verantwortung gestohlen habe:

    "Das war eine Schande, wie wir die Westsahara verlassen haben. Von einem Tag auf den anderen haben wir uns nachts davongeschlichen und diese Leute dem marokkanischen Militär überlassen. Marokko besetzte das Territorium, vertrieb die Saharauís. Die Menschen flüchteten nach Algerien, wurden von marokkanischen Flugzeugen bombardiert. Algerien hat ihnen dann den lebensfeindlichsten Teil der Wüste überlassen. Sie leben noch heute dort. Es war eine Schande. Für ganz Spanien."

    Zu keinem anderen ehemals kolonialisierten Volk halten die Spanier so engen und dauerhaften Kontakt wie zu den Menschen aus der Westsahara. Vielleicht ist es eine Art kollektiver Sühne. Jährlich fahren mindestens drei Hilfskonvois von der iberischen Halbinsel in die Westsahara. Jeder davon besteht aus mindestens 100 Fahrzeugen. Spanische Künstler organisieren in der Wüste Konzerte und ein jährliches Filmfest. Und 8000 Kinder aus der Westsahara verbringen jeden Sommer zwei Monate in Spanien, besuchen Ärzte, bekommen endlich gesundes Trinkwasser. Auch Isabel Linares nimmt jedes Jahr zwei Kinder auf:

    "Oh, diese Kinder geben uns mehr als wir ihnen. Sie sind die besten Botschafter ihres Volks. Sie sind zwischen sieben und zwölf Jahre alt. Wenn sie zum ersten Mal kommen, haben sie noch nie einen Baum gesehen. Oder einen Wasserhahn. Sie sprechen anfangs schon ein wenig Spanisch. Wenn sie nach zwei Monaten wieder nach Hause fahren, sprechen sie es perfekt."

    Die Hilfslieferungen, die Sommerferien für die Kinder - all das organisiert die spanische Zivilbevölkerung. Die spanische Regierung hält sich hingegen zurück. Sie will Marokko nicht verärgern und damit die Zusammenarbeit gegen die illegale Einwanderung oder den internationalen Terrorismus gefährden. Groß ist die Scham über diese Politik, wenn spanische Familien zweimal im Jahr in den Flüchtlingscamps der Polisario die Familien der Kinder besuchen, die im Sommer nach Spanien kommen. Consuelo Sánchez, ebenfalls von der Organisation Basiri, nimmt einen ganzen Koffer von Präsenten mit:

    "Da ist Turrón drin, ein spanisches Weihnachtsgebäck. Schokolade. Honig, den lieben sie. Bonbons für die Kinder. Solche Sachen eben, kleine Präsente. Unterwäsche für die Frauen, das darf man nie vergessen. Und viel Kölnischwasser. Denn als Willkommensgeschenk wollen sie dich immer einparfümieren. So haben sie Nachschub. Das packe ich jetzt alles ein."