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Pro Hauptschule

In der Sommerserie "Für anderer Leute Kinder" stellt Forum Pisa Menschen und Gruppen vor, die sich besonders engagiert im Bildungsbereich einsetzen. So wie Eltern und Lehrer in Mönchengladbach, die ihre bildungspolitischen Ziele mit ganz konkreten Aktivitäten vor Ort untermauern. Sie wollen verhindern, dass den Hauptschulen ihr schlechtes Image zum Verhängnis wird und sind seit Anfang der 90er Jahre in der Initiative "Pro Hauptschule" aktiv.

Von Armin Himmelrath | 20.08.2004
    Wenn Hauptschüler über ihre Schule und ihre beruflichen Ziele reden, dann klingt da häufig ein angeknackstes Selbstbewusstsein durch.

    Wenn einer mit Hauptschulabschluss kommt und einer mit dem vom Gymnasium oder Real, dann hat man als Hauptschüler keine Chance.

    Stimmt nicht, widerspricht eine Gruppe von Eltern in Mönchengladbach. Zum Teil haben sie früher selber einmal eine Hauptschule besucht, zum Teil sind ihre Kinder heute auf solchen Einrichtungen. 1990 schlossen sie sich zusammen, um deutlich zu machen: Wir finden die Arbeit der Hauptschulen wichtig und richtig. Marlene Stähn gehört zu den Gründerinnen der Initiative "Pro Hauptschule".

    Deswegen haben wir Eltern von Hauptschülern uns zusammengeschlossen, weil wir unsere Hauptschulen durch die zunehmenden Gesamtschulen in Gefahr sahen. Wir wollten einfach für die gute Arbeit durch viel Öffentlichkeitsarbeit, durch intensiven Einsatz für diese Schule in der Öffentlichkeit etwas tun. Das ist nach wie vor äußerst schwierig, weil sie in der Politik einen ganz schlechten Stellenwert hat.

    Den Aktiven geht es vor allem darum, das Bild der Hauptschulen in der Öffentlichkeit gerade zu rücken. Rainer Dziuba ist Leiter einer Hauptschule in Mönchengladbach. Die Arbeit des Vereins empfindet er als große Unterstützung, denn Hauptschulen, sagt der Rektor, könnten sich durchaus mit großem Selbstbewusstsein der Öffentlichkeit stellen.

    Da lassen wir auch nicht erschüttern durch so eine Bemerkung von unserem Wirtschaftsminister Clement, die er vor zwei Wochen gemacht hat, wo er von uns mal wieder von der Restschule sprach. So ein Minister, der auch noch aus Nordrhein-Westfalen kommt und die Hauptschule jahrzehntelang unterdrückt hat, dann so was zu sagen - das ist eine Schweinerei.

    Auch Ulrich Flocken, Vater zweier Kinder an einer Hauptschule, war ziemlich sauer über die, wie er findet, verbale Entgleisung des Ministers und dessen Aussage von der Hauptschule als Restschule:

    Wenn das aus dem Munde berufener Politiker kommt, dann ist das etwas, was Meinung bildet, was bestehende Vorurteile immer wieder manifestiert - auch bei Eltern. Das halte ich für sehr, sehr schlimm eigentlich, weil viele sich von diesen bestehenden Vorurteilen gegen die Hauptschule leiten lassen und davon dann letztendlich auch ihre Entscheidung abhängig machen, zu welcher Schule sie denn ihr Kind geben wollen.

    Sachargumente spielen dann keine Rolle mehr, beklagen die 50 Mitglieder von "Pro Hauptschule". Dabei hätten die Hauptschulen gute Argumente auf ihrer Seite: Kleine Klassen, das Klassenlehrerprinzip, eine im Vergleich mit anderen Schulformen unschlagbare Berufswahlvorbereitung. In den Köpfen komme das aber nicht an. Stattdessen wird die Hauptschule schon bei den Kindern mit einem Stigma belegt, hat Irmgard Meuerer beobachtet, Leiterin der Mönchengladbacher Hauptschule Neuwerk:

    Die Kinder, die aus den Grundschulen kommen, waren ja dort die Kinder, die zum schwächeren Drittel gehörten, was die kognitive Leistungsfähigkeit angeht. Und durch Geschehnisse in der Grundschule entstand zumindest das Gefühl bei den Kindern, dass sie dann auch zu dem Drittel schlechteren Menschen gehören - ich überspitz das ein bisschen. Aber rein gefühlsmäßig, emotional, geschieht das ganz einfach, weil alles auf die Gymnasien, auf die Realschulen hinarbeitet. Und wir erleben, dass Schülerinnen und Schüler, die mit ganz wenig Selbstbewusstsein zu uns kommen, wirklich aufblühen.

    Denn wenn die Kinder von dem belastenden Anspruch befreit werden, dass eigentlich nur das Abitur ein wirklich guter Schulabschluss sei, falle ihnen auch das Lernen leichter. Der zweifache Vater Ulrich Flocken jedenfalls verteidigt die angebliche Restschule vehement.

    Ich habe in der Hauptschule durchweg positive Erfahrungen gemacht, die Lehrer sind engagiert, die Schulleitung ist sehr engagiert, die Lehrer sind für die Eltern ansprechbar, die Kinder selber orientieren sich in der Hauptschule sehr positiv. Die werden da gefördert, auch wegen des kleinen Klassenverbandes und wegen des Klassenlehrerprinzips, und sie fühlen sich da wohl.

    Kontaktadresse "Pro Hauptschule":
    Marlene Stähn
    Hovener Str. 349
    41066 Mönchengladbach
    Tel. 02161 - 631264