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Pro und Contra der Klimakonzepte

Klimaforschung. - Das Thema Klimaschutz steht ganz oben auf der Tagesordnung beim G8-Treffen an in Heiligendamm. Ganz unterschiedliche Konzepte liegen als den Regierungschefs vor. Die EU fordert verbindliche Ziele bei der Treibhausgasreduktion, die USA, aber auch Australien, sträuben sich gegen eine solche Reduktionsverpflichtung. Der Wissenschaftsjournalist Volker Mrasek erläutert die unterschiedlichen Konzepte im Gespräch mit Gerd Pasch.

    Gerd Pasch: Mit meinem Kollegen Volker Mrasek möchte ich gerne die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Vorstellungen besprechen, vor allem welche wissenschaftliche Erkenntnis sich hinter den einzelnen Plänen verbirgt. Herr Mrasek, in den ersten Klimaschutzkonventionen und dem Kyoto-Protokoll waren ja bereits Maßnahmen gegen den Treibhauseffekt und die Erderwärmung verabredet. Was ist eigentlich davon umgesetzt?

    Volker Mrasek: Vor allen Dingen sind diese Maßnahmen ja weiterhin gültig. Die Industrieländer sollen danach bis zum Jahr 2012 ihren Treibhausausstoß kollektiv um fünf Prozent verringert haben. Das ist das Ziel, das auch beschlossen worden ist. Viele Länder sind ja weit davon entfernt, dieses Ziel überhaupt zu erreichen. Es gibt einige wenige, die auf gutem Weg sind, dazu gehören Großbritannien, Schweden und Deutschland. Viele werden das Ziel aber verfehlen. Die Wissenschaft hat im Grunde schon gesagt: Das Kyoto-Protokoll kann erst mal nur ein erster Schritt sein. Physikalisch wird der Effekt sowieso praktisch Null sein. Man muss sich vorstellen: Minus fünf Prozent, das heißt, wenn der Treibhausgasausstoß im Jahr 2012 am Ende ein Zwanzigstel niedriger ist, als im Bezugsjahr 1990, dann kann das natürlich die Erderwärmung nicht wirklich bremsen.

    Pasch: Das, was getan werden muss, ist also offensichtlich. Wer hat denn den aussichtsreichsten Vorschlag zurzeit auf dem Tisch? Die EU?

    Mrasek: Die EU, ja. Die EU ist ja ein Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Das ist sie auch im Moment wieder. Die EU hat eine erste Hausnummer für die Zeit nach 2012, also für eine Nachfolgeregelung, wenn das Kyoto-Protokoll ausgelaufen ist, vorgelegt. Dieser Vorschlag sagt, man sollte doch im Jahr 2020 ... oder: Die EU signalisiert die Bereitschaft, selbst bis zum Jahr 2020 die Emissionen um 20 Prozent zu reduzieren. Damit liegt also ein ernstzunehmender Vorschlag für weitere Klimaschutzverhandlungen auf dem Tisch. Das entspricht auch im Grunde so in der Richtung der wissenschaftlichen Marschroute. Der Weltklimarat der Vereinten Nationen, dieses Expertengremium hat ja in diesem Jahr einen neuen Weltklimareport vorgelegt. Da heißt es, man sollte bis zur Jahrhundertmitte den Treibhausgasausstoß um 50 bis 60 Prozent vermindern. Das ist eine sehr große Zahl, und auf dem Weg dahin könnte man ja im Jahr 2020 mit 20 Prozent beginnen. Man kann auch sagen: Der wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderung, ein Beratergremium der Bundesregierung, hat heute ein Gutachten der Bundesregierung übergeben. Darin heißt es, man sollte Jahr 2020 bei minus 30 Prozent sein, also bei einer noch größeren Zahl. Allerdings hat die Europäische Union ja gesagt, wir bieten minus 20 Prozent an, wenn andere Industrieländer mitmachen, dann sind wir auch bereit, minus 30 Prozent zu sagen. Das, kann man sagen, ist eine Größenordnung, die ist wissenschaftlich unterfüttert. Die findet die Unterstützung der Wissenschaft.

    Pasch: Vor einer Woche hat auch der US-Präsident Bush einen Vorschlag gemacht. Wie ist denn dieser einzuordnen und stehen diese Zahlen da auch drin?

    Mrasek: Es stehen überhaupt keine Zahlen drin, und das ist offensichtlich auch die große Schwäche dieses Vorschlages im Vorfeld von Heiligendamm. Die US-Regierung, kann man sagen, will so etwas wie einen Klub der größten Klimasünder gründen. Die Länder mit den höchsten Treibhausgasemissionen sollen ein Abkommen beschließen, nach Kyoto, also nach 2012, darunter auch die USA, aber auch Schwellenländer wie China und Indien. Was sollen sie da machen? Nach dem Vorschlag heißt es, die Länder sollen sich ein langfristiges Ziel für globale Treibhausgasreduktion setzen und das immer nach den individuellen nationalen Umständen, also jeder soll eigentlich einen Weg finden der für ihn am günstigsten ist. Und als Maßnahme wird immer wieder genannt in diesem Vorschlagspapier die Förderung sauberer Energietechnologien. Es ist keine Rede davon, dass man den Emissionshandel, ein wichtiges Instrument, von allen als wichtiges Instrument des Kyoto-Protokolls angesehen, irgendwie verfolgen sollte. Es ist von zeitlicher Eile überhaupt keine Rede. Die Wissenschaft hat ja klargemacht, dass vielleicht noch zehn oder 15 Jahre Zeit bleibt. In dem US-Vorschlag ist nicht davon die Rede, dass man das irgendwie in zehn oder 15 Jahren schaffen sollte. Und vor allen Dingen, wie schon erwähnt, keine Reduktionsverpflichtung. Die USA sind nicht bereit, irgendwie eine Obergrenze oder ein Ziel zu erreichen, die Emission zu reduzieren. Das heißt, man kann sagen, dass ist eigentlich gar kein konstruktiver Vorschlag, der bringt nur Unruhe rein, und er bewegt sich auch außerhalb der ganzen Verhandlungen der Vereinten Nationen.

    Pasch: Die Wissenschaft hat ja nun mit den Fakten auf die Dringlichkeit beim Klimaproblems hingewiesen. Herr Mrasek, wie sehen Sie denn die Chancen, dass in Heiligendamm der Gordische Knoten durchgeschlagen werden kann.

    Mrasek: Gordischer Knoten ist wirklich eine treffende Beschreibung. Man hat auf der einen Seite die USA, aber auch ein Land wie Australien, das ja auch das Kyoto-Protokoll nicht unterzeichnet hat. Beide weigern sich nach wie vor standhaft, Reduktionsverpflichtungen einzugehen und verweisen darauf, dass Länder wie China, die sie als große wirtschaftliche Konkurrenten betrachten, dass die auch was machen müssen. Und China und Indien auf der anderen Seite sagen: Bevor die großen Wirtschaftsmächte, die Verursacher des Problems, nicht etwas machen, tun wir auch nichts. Die Wissenschaft sagt klar: Es ist Zeit zum handeln. Die Politik hat offensichtlich kein Konzept, diesen Stillstand zu beheben. Das ist wohl der düstere Ausblick im Moment.