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Pro und Contra Israel

Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel morgen zu Regierungskonsultationen nach Israel fliegt, wird die jüdische Gemeinschaft in Deutschland die Reise aufmerksam verfolgen. Denn das Verhältnis von Juden zu Israel ist ein besonderes.

Von Jens Rosbach | 30.01.2011
    Umfrage:
    "Das Verhältnis von Juden zu Israel ist ein sehr nahes - durch die Tatsache, dass es ein Staat für die Juden ist. Und sehr viele Juden auch immer wieder darüber nachgedacht haben, nach Israel auszuwandern."

    "Nun, viele verbinden das immer noch mit einer Flucht, mit dem Gedanken einer Flucht- und Rettungsmöglichkeit für eventuell ausbrechenden Antisemitismus."

    Das ist eine Versicherungspolice und man soll investieren in diese Versicherungspolice. Sodass viele Leute sich hier nicht trauen, Kritik über die Politik von Israel auszuüben. Was ich sehr problematisch finde."

    Müssen deutsche Juden loyal gegenüber Israel sein? Dürfen sie die israelische Besatzungs- und Siedlungspolitik öffentlich anprangern? Oder sollten sie ihre Bedenken, sofern vorhanden, lieber für sich behalten? Fragen, die die jüdische Gemeinschaft zu entzweien drohen. Auf der einen Seite: Jugendliche, die Israel im Ernstfall mit der Waffe verteidigen würden. So wie der Berliner Abiturient Daniel Ziv:

    "Ich denke schon, dass ich dann auch in die Armee gehen würde in Israel. Geht ja nicht nur um den einen Mann, sondern es geht ja dann darum, dass man seinem Land hilft. Und ich denke, in so einem Fall würde ich dann in jedem Fall auch in den Krieg ziehen, ja."

    Auf der anderen Seite: jüdische Kritiker wie Iris Hefets. Die Psychologin lebt ebenfalls an der Spree und ruft dazu auf, Israels Besatzungsmacht nicht mehr zu unterstützen:

    "Das heißt: Boykott für Institutionen in Israel. Alle Waren, die aus Israel kommen, müssen boykottiert werden."

    Verteidigen oder Anprangern? Zahlreiche deutsche Juden wählen einen dritten Weg: Obwohl sie Israels Politik teilweise bedenklich finden, halten sie sich in der Öffentlichkeit zurück. Zu dieser Gruppe gehört auch Dieter Graumann, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland:

    "Israel wird ja kritisiert, schon seit 40 Jahren, und wie! Heftig und deftig in Deutschland! Und vielleicht denken viele: Da andere Israel schon so hart kritisieren, sollten wir Juden das nicht noch obendrein tun. Und vielleicht ist da auch etwas dran."

    Berlin-Charlottenburg: drei Berliner Jungs auf einem alten Sofa. Sie tragen Kapuzenshirts, Turnschuhe, Kopfhörer - und spielen mit ihren Handys. So wie es 16- bis 19-Jährige eben tun. Daniel Ziv, Benjamin Szajak und Joel Shani haben Väter, die in Israel geboren wurden beziehungsweise dort gelebt haben. Und sie haben Verwandte in Jerusalem oder Tel Aviv. Die Teenager treffen sich jeden Samstag bei der Zionistischen Jugend in Deutschland, kurz ZJD. Die ZJD hat bundesweit rund 120 Mitglieder. Die Vereinigung bringt kleinen Kindern Israel nahe und organisiert Reisen ins heilige Land. Das Hauptziel der Zionisten: die Auswanderung nach Israel. Für Daniel, Benjamin und Joel gäbe es genug Gründe, aus Deutschland zu emigrieren.

    Umfrage:
    "Ich habe jahrelang Fußball gespielt, und da war es öfter wirklich so, ich habe auch bei einem jüdischen Verein gespielt, da war das einfach so, dass man als Scheißjude beschimpft wurde."

    "Man hört so Geschichten von einem Kumpel, der beschimpft wurde oder in Schlägereien gerät – also die schon etwas krasser sind. Und deswegen hat man auch Israel als Fluchtland."

    "Hier in Deutschland fühlt man sich manchmal doch ... nicht als Außenseiter, aber doch ein bisschen anders durch seine Religion. Und dort fühlt man sich dann wirklich einheimisch."

    "Man weiß, man ist sicher, man kann den Davidstern da offen tragen, man wird dafür nicht komisch angeschaut. Das Gefühl nach Israel zu kommen: Strand, auch hübsche Frauen sind dabei, sehr viele (lacht) – es ist ein sehr schönes Gefühl."

    Die drei Schüler werden von ihren nichtjüdischen Altersgenossen immer wieder auf Israel angesprochen – vor allem, wenn im Nahostkonflikt Tote zu beklagen sind. Joel Shani fühlt sich dann aufgerufen, sich vor den jüdischen Staat zu stellen. Etwa beim blutigen Einsatz der israelischen Armee gegen die Gaza-Hilfsflotte:

    "Da sind ja Soldaten raufgekommen. Und das wurde dann als Angriff dargestellt, obwohl das Verteidigung war. Und der Böse war Israel, weil es eine Hilfsflotte war. Da muss sich der israelische Soldat verteidigen, wenn er angegriffen wird."

    Die zionistische Jugend nimmt regelmäßig an Pro-Israel-Demonstrationen teil. Allerdings gibt es in ihren Reihen durchaus unterschiedliche Ansichten zu Israels Militärpolitik – und auch zur Auswanderungsfrage. Viele scheuen sich vor einer Emigration, weil sie dann zwei, drei harte Jahre in der israelischen Armee dienen müssten. Der Chef der Berliner Zionistenjugend, Danil Ziv, kann sich jedoch vorstellen, im Ernstfall für den jüdischen Staat zu kämpfen. Bei verbandsinternen Israel-Debatten setzt sich Ziv für eine differenzierte Argumentation ein:

    "Allerdings ist es dann schon meistens so, dass am Ende die meisten die gleiche Meinung haben. Ja, ich meine ... natürlich ist es klar, dass man als Jude irgendwo hinter seinem Land steht, halt Dinge auch irgendwo legitimieren kann."

    Iris Hefets stammt aus Israel und hat ebenfalls viele Jahre lang die israelische Politik verteidigt. Bis es zum Bruch mit ihrem Staat kam:

    "Ich war eine sehr überzeugte Zionistin. Ich gehörte zu einer Eliteeinheit, die Soldaten Zionismus beibringen muss. Und das habe ich langsam, mehr und mehr, zu spüren bekommen, wie ich selber zum Täter geworden bin, weil ich Zionistin geworden bin. Das gehörte dazu."

    Hefets gelangte zu der Überzeugung, dass Israel an den Palästinensern systematisch Verbrechen begeht. Menschenrechts- und Völkerrechtsverbrechen. Die studierte Biologin zog Konsequenzen – sie kehrte ihrem Land schließlich den Rücken. Zusammen mit ihrem Mann und ihren drei Kindern lebt sie seit neun Jahren in Berlin. Hier absolviert sie eine Ausbildung zur Psychotherapeutin und engagiert sich außerdem in der Initiative "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost". Der kleine, aber lautstarke Verein will nicht, dass Israel auch im Namen der Diaspora-Juden handelt.

    "Was bedeutet: Wir wollen schon eine Trennung zwischen Judentum und Israel. Und wir wollen sagen: Was in Israel passiert, ist nicht jüdisch, das entspricht auf jeden Fall nicht, was in Judentum vorgeschrieben ist. Und deshalb sagen wir: nicht in unserem Namen!"

    Hefets' Initiative sorgt für viel Unruhe in der jüdischen Gemeinschaft. Denn die Aktivisten fordern nicht nur einen Boykott israelischer Waren sowie Sanktionen gegen den jüdischen Staat. Sie wollen auch die Jerusalemer Regierung vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag bringen – wegen der Toten bei der Gaza-Hilfsflotte. Die Friedensbewegten verzichten demonstrativ auf ihr Recht, als Juden jederzeit nach Israel auswandern zu dürfen. Zudem kritisieren sie das Gedenken an den Holocaust als Instrumentalisierung, als "Shoah-Kult". In der Jüdischen Gemeinde zu Berlin kam es deswegen im vergangenen April zum Eklat.

    Auf einer Podiumsdiskussion im Gemeindesaal sollte über Antisemitismus, Israelkritik und Hefets' Thesen diskutiert werden – allerdings ohne Hefets einzuladen. Dies führte dazu, dass rund 20 junge Israelis aufstanden und protestierten – mit Zetteln, auf denen stand: "Wir sind alle Iris Hefets". Die Berliner Gemeindechefin Lala Süsskind war fassungslos.
    Hefets:
    "Dann haben die Leute, die Organisatoren, in Chaos geraten und es gab so eine Viertelstunde, wo es nicht klar wird, was jetzt passieren sollte. Und Lala Süsskind musste die Polizistin, die normalerweise die Jüdische Gemeinde gegen Feinde von außen sozusagen verteidigen, reinholen, und Israelis und Juden aus der Synagoge zu vertreiben. Das ist letztendlich, was passiert ist."

    Süsskind (Demorede):
    "Wir wollen Israel signalisieren ..."

    Die jüdische Gemeinde zu Berlin, die größte Gemeinde in Deutschland, verteidigt immer wieder offensiv die israelische Politik, etwa auf Solidaritäts-Demonstrationen. So zitierte Gemeindechefin Lala Süsskind beim Gaza-Einmarsch 2009 die frühere israelische Staatschefin Golda Meir:

    "Wir können den Arabern vergeben, dass sie unsere Kinder töten. Wir können ihnen nicht vergeben, dass sie uns zwingen, ihre Kinder zu töten. Wir werden erst Frieden mit den Arabern haben, wenn sie ihre Kinder mehr lieben, als sie uns hassen." (Applaus)

    Auf der einen Seite tritt die Gemeindeleitung für die israelische Regierungspolitik ein. Auf der anderen Seite beklagen sich ihre Vertreter immer wieder, dass die Mehrheitsbevölkerung die hiesigen Juden ständig mit dem offiziellen Israel gleichsetze. Maja Zehden, die Sprecherin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, bezeichnete dies vor zwei Jahren als "Antisemitismus":

    "Also, das sind so typische antisemitische Stereotype, dass man eben die Juden, die hier eben in diesem Land leben, gleichsetzt mit den Menschen, die in Israel einen Krieg zu führen haben. Also, jetzt aktuell war es der Gaza-Konflikt. Da wird dann gesagt: Fühlt Ihr Euch gut dabei, wenn Ihr kleine Kinder umbringt? Denn auch da wird wieder gesagt: Die Juden hier in Deutschland müssen automatisch mit den Israelis gleichgesetzt werden."

    Im eher linken Spektrum: jüdische Friedensaktivisten. Rechts davon: vehemente Israel-Verteidiger. Seit Kurzem gibt es in der jüdischen Gemeinschaft eine neue Initiative, die sich zwischen beiden Polen bewegt: JCall – was so viel heißt wie Jewish Call, also Jüdischer Aufruf. Eine ebenfalls kleine Gruppierung – die sich aber entschieden abgrenzt von der kompromisslosen "Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost".

    Helena Stern:
    "Das sind Argumentationen auf der Basis von Gutmenschen und gehen an den politischen Tatsachen vorbei, sind auch nicht hilfreich bezogen eventuell mögliche Friedenslösung."

    Micha Brumlik:
    "Israel verletzt das internationale Recht, das Völkerrecht durch seine Siedlungspolitik. Das sollte man kritisieren, aber das kann man auch nüchtern benennen. Nicht in einem Schwall moralischer Anklagen."

    Micha Brumlik ist Professor für Erziehungswissenschaften in Frankfurt am Main, seine Mitstreiterin, Helena Stern, Rentnerin in Berlin. Ihre JCall-Initiative hat ein amerikanisches Vorbild: J Street, eine Bewegung, die sich von konservativ-jüdischen Lobbyorganisationen abhebt. J Street will die Nahost-Friedensbemühungen von Präsident Barack Obama unterstützen. Der europäische JCall-Partner ist ebenso besorgt über die Siedlungs-Politik der israelischen Regierung.

    Stern:
    "Der Grund ist, dass die Zeit sich verschärft. Dass immer größere Gebiete besiedelt werden, und dass immer weniger Chance dadurch für eine Zwei-Staaten-Lösung gegeben ist."

    Helena Stern, 66 Jahre alt, hat als junge Frau selbst einige Jahre in Israel gelebt. Ebenso wie der 63-jährige Micha Brumlik. Der Vizechef der JCall-Vereinigung ist vor über 40 Jahren wegen der israelischen Besatzungspolitik wieder zurückgekehrt. Brumlik klagt, das deutsche Judentum verschließe heute noch die Augen vor dem Unrecht im Nahen Osten – bis hin zur jüdischen Dachorganisation, dem Zentralrat der Juden:

    "Letzten Endes wird der Zentralrat doch immer mehr oder weniger sich derjenigen Haltung anschließen, die die israelische Regierung oder die Botschaft hier vorgibt."

    Fungiert der Zentralrat der Juden als Sprachrohr der israelischen Regierung? Innerjüdische Kritiker verweisen auf eine großformatige FAZ-Anzeige des Zentralrates – eine Anzeige, die den Gaza-Militäreinsatz verteidigt hat. Andere verweisen auf den "Fall Rolf Verleger". Der Psychologie-Professor war als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Holstein in das mehr als 30-köpfige Direktorium des Zentralrats delegiert worden. Das Problem: Rolf Verleger ist ein scharfer Kritiker der israelischen Besatzungs-Politik und engagiert sich ebenfalls in der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost. So sprach Verleger von "Gettos", in denen die Palästinenser leben müssten. Die Zentralratsleitung sah in dem Begriff allerdings eine Assoziation zur NS-Zeit. Die Folge: Krach im Spitzenverband; Rolf Verleger musste schließlich 2009 gehen. Beobachter sprechen von Mobbing durch die Ratskollegen. Zentralratschef Dieter Graumann dementiert: Kritiker Verleger sei durch seinen Landesverband offiziell abberufen worden:

    "Es ist gelegentlich der Eindruck entstanden, er würde für den Zentralrat sprechen, was er nicht tat. Und in allen Diskussionen zum Thema Israel ist immer wieder deutlich geworden, dass es nur seine Meinung war und dass alle anderen Mitglieder des Direktoriums überhaupt nicht seiner Meinung waren."

    Graumann ist seit Ende letzten Jahres neuer Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Der Frankfurter Geschäftsmann weist den Vorwurf zurück, seine Organisation wirke als Sprachrohr der israelischen Regierung. Schließlich lege sich sein Dachverband auch immer wieder mit der offiziellen Jerusalemer Politik an. Etwa wenn es um den Zuzug osteuropäischer Juden gehe:

    "Rund 200.000 jüdische Menschen sind in den letzten 20 Jahren nach Deutschland gekommen aus der ehemaligen Sowjetunion. Israelische Regierungen haben das immer abgelehnt, haben immer gesagt: Wenn Juden auswandern wollen, dann haben sie ein Land, wo sie hingehen mögen, nämlich nach Israel. Und wir haben immer gesagt: Nein, wer hierher kommen will, der ist willkommen. Da haben wir einen Punkt, wo ein deutlicher Dissens war, es gibt auch noch weitere Punkte."

    Es scheint, dass auch die aktuelle israelische Siedlungspolitik für einen gewissen Dissens sorgen könnte. Insider des Zentralrats beobachten, dass die Spitzenfunktionäre heute stärker vom offiziellen Kurs der israelischen Regierung abweichen als in den vergangenen Jahren. Graumann vor zweieinhalb Wochen:

    "Es gibt bestimmt größere Freunde der israelischen Siedlungspolitik, als ich es bin. Ganz bestimmt."

    Der Hintergrund: Benjamin Netanjahus Kabinett ist vielen deutschen Juden einfach zu rechtslastig. Zudem gibt es viel Kopfschütteln, weil Israel internationale Friedensbemühungen abblockt. Die Unzufriedenheit dürfte noch wachsen durch die neueste Veröffentlichung geheimer US-Depeschen. Die Wikileaks-Dokumente sprechen von einst weitreichenden Verhandlungs-Angeboten der Palästinenser. Trotz allen Missmuts - der Zentralrat der Juden muss sich offenbar vom Mainstream der Israelkritiker - und auch von Israelfeinden - abheben. So ruft Rats-Chef Graumann gerade in der besonders emotionalen Siedlungsfrage zu Verständnis und Mäßigung auf:

    "Denn ich meine, Israel wird unfair oft in den Medien behandelt und darum ist mir ein ganz wichtiges Anliegen, dass man Israel mit mehr Fairness behandeln möge."

    Juden nehmen häufig reflexhaft eine Verteidigungshaltung gegenüber Israel ein – aus einem Gefühl der Defensive heraus. Dies räumte Stephan Kramer, der Generalsekretär des Zentralrats, im vergangenen Sommer in einem taz-Interview ein. Laut Kramer entspricht diese Verteidigungshaltung jedoch nicht immer der eigenen Überzeugung. Der Quasi-Geschäftsführer des Zentralrats plädiert für mehr innerjüdische Debatten. Für Irits Hefets sind das nur leere Worte. Das Vorstandsmitglied der israelkritischen Initiative "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost" spricht von einer Verhinderungstaktik des jüdischen Establishments:

    "Als wir 'ne Anzeige in der Zeitung inseriert haben, dann haben wir Spenden bekommen von Juden, und sie haben gesagt: Ihr kriegt von mir 200 Euro, aber mein Name steht nicht drauf. Das heißt also, sie haben schon Angst und das ist klar. Also, es werden auch Mitglieder der jüdischen Gemeinde, die bei uns sind, werden ab und zu angespuckt. Also sie kriegen auch Telefonate, die sehr unangenehm sind – es gibt viel Druck."

    Doch in den Synagogen scheint das alte Freund-Feind-Denken langsam aufzubrechen. Bislang habe die Jüdische Gemeinde bei einer Israelkritik gern die Antisemitismus-Keule geschwungen, erklärt Hefets. Wenn die Kritik nun aber von Juden ausginge, könnten die Gemeindevertreter nicht mehr wie gewohnt argumentieren. Erst recht nicht, wenn die Juden aus Israel kämen:

    "Also, die Israelis wurden von den deutschen Juden auch bewundert. Also, Israel wurde verkauft als das Land, wo der neue Jude lebt. Also, der ist aktiv und nicht Opfer, sondern Täter. Das haben die Israelis richtig weit getrieben. Leider glauben auch die Juden hier in Deutschland, dass wir anders sind. Und jetzt kommen diese Israelis, die sie bewundern und machen etwas gegen sie. Und das ist jetzt 'ne neue Spannung, die hier entsteht, die hier nicht war."

    Die jüdischen Gemeinden standen in den letzten zwei Jahrzehnten vor großen Herausforderungen: Nach der Wende wurden Ost- und Westjuden miteinander vereinigt. Danach wanderten Hunderttausende Juden ein, die eine fremdartige Sowjet-Kultur mitbrachten. Schließlich kamen in den vergangenen fünf Jahren Tausende Israelis nach Berlin. Viele von ihnen kritisieren offen ihren Heimatstaat - das traditionelle "Zufluchtsland" der Diaspora-Juden. Die große Unruhe, vor allem wegen der Israel-Debatten, ist selbst für frischgebackene Friedensaktivisten eine neue Erfahrung. Die Berlinerin Helena Stern bilanziert:

    "Also, die Tatsache, dass man nicht mehr unisono spricht. Sondern dass es sehr plurale Meinungsäußerungen gibt, ist sicherlich eine Verunsicherung. Und daran muss man sich auch erst gewöhnen."
    Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.
    Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. (AP)