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Probelauf am Main

28 Studierende der Frankfurter Uni in heikler Mission: Im April reisen sie zur traditionell größten UN-Simulation nach New York und sollen dort ausgerechnet Delegierte eines Staat vertreten, der sich auf internationalem Parkett ziemlich ins Abseits manövriert hat: die islamische Republik Iran. Kein leichter Job also, der gut vorbereitet sein will. Einen Probelauf unternehmen die Studierenden deshalb derzeit in Frankfurt.

Von Stephanie Ley |
    Der MainMUN ist quasi die kleine Tochter des großen UN-Planspiels. Rund 200 Teilnehmer aus Deutschland und anderen europäischen Staaten begeben sich dazu vier Tage lang in Klausur, bilden Gremien wie die Generalversammlung oder den Sicherheitsrat nach.

    " Für die Vereinigten Staaten von Amerika sind Nuklearwaffen, in einem Regime, dass Israel mehrfach von der Karte auszulöschen angedroht hat, völlig inakzeptabel. ."

    Klare Worte des US-amerikanischen Diplomaten im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, der den Islam herbeizitiert hat. Doch der islamische Rüstungsexperte kontert unmissverständlich:

    " Die Islamische Republik Iran hat keinerlei Angriffspläne und verfolgt auch nicht die Absicht, eine Atombombe zu bauen. Wir wollen die Atomenergie nur zu friedlichen Zwecken nutzen, was uns der Atomwaffensperrvertrag ja auch zubilligt."

    Alles Spiel, alles Fiktion selbstverständlich, zu Übungszwecken der Teilnehmer in Frankfurt. Der Diskussionsansatz sei keineswegs aus der Luft gegriffen, erläutert Professor Harald Müller von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung. Der Wissenschaftler war lange selbst bei der UNO tätig, und erinnert daran, dass die USA den Iran tatsächlich vor das Gremium bringen wollen, nachdem Präsident Ahmadi-Nedschad durch antisemitische Äußerungen auffiel und auf eine Fortsetzung des Atomforschungsprogramms dringt. Harald Müller beobachtet die fiktive Tagung in Frankfurt genau, lobt den richtigen Umgangston:

    " Im Sicherheitsrat geht es extrem gesittet zu. Da wird nicht geschossen und geprügelt, da wird nur geredet - wenn auch mit einer gewissen Schärfe. Und exakt diese Dosis Schärfe haben wir in der Diskussion eben ja auch gehört. Mehr geht nicht! Wer sich darüber hinaus exponieren würde - wer etwa wie seinerseits Chrustschow in der Generalversammlung mit dem Schuh auf den Tisch schlagen würde - wäre heute draußen vor der Tür."

    Klare Spielregeln also für die Teilnehmer der Simulation in Frankfurt. Zugleich eine Art Generalprobe für die 28 Studierenden der Hochschule, die sich über ein Jahr lang auf ihre heikle Mission in New York vorbereitet haben. In Seminaren lernten sie die Strukturen der Vereinten Nationen kennen, machten sich mit Sachthemen vertraut, wie beispielsweise der iranischen Ökonomie, der Rolle der Frau, Menschenrechtsfragen.

    " Daneben sind auch die "Soft Skills" nicht zu vernachlässigen, also dass man frei zu reden übt, dass man auf Englisch zu reden übt. Auch so Sachen wie Kommunikation, die man bei so einer Simulation gut lernen kann, sind sehr wesentlich und von Vorteil, "

    ergänzt Politikstudent Christoph Lunkenheimer. Sich nun in die "Hölle des Löwen" zu wagen, als Vertreter eines - aus westlicher Sicht- Schurkenstaates, der durch sein Säbelrasseln gegen Israel für große Verstimung sorgte, sei eine enorme Herausforderung, erklärt die Frankfurter Politikprofessorin Tanja Brühl:

    " Weil es ein Land ist, bei dem - denke ich - kaum jemand sagt, meine eigene politische Überzeugung geht mit der Politik einher, die ich da simulieren muss. Es ist weiterhin schwierig, weil ein Staat ja nicht einfach eine falsche Politik macht, sondern wir müssen begreifen, warum vertritt der Iran die Position, die er vertritt. Also zum Beispiel bei den Atomanlagen ist die Argumentation: wir brauchen Strom und ihr wollt uns den Stromhahn zudrehen. Das kann nicht sein, wir brauchen Strom auch für die wirtschaftliche Entwicklung. Diese Dinge zu entdecken, finde ich höchst spannend, und ich finde den Perspektivwechsel auch eine sehr spannende Sache. Die Studierenden werden danach Weltpolitik anders sehen als sie es bisher wahrgenommen haben."

    Schon jetzt relativiere sich sein Blick, bestätigt Christoph Lunkenheimer, so lese er Presseberichte über den Iran heute sehr viel kritischer und beginne:

    " Zumindest Positionen zu verstehen und warum sich ein Land auf die ein oder andere Weise verhält."