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Probiotische Bakterien unter Druck

Mikrobiologie. - Für die Werbung der Lebensmittelkonzerne ist der Vorteil probiotischer Lebensmittel klar: die lebenden Bakterienkulturen beeinflussen die Darmflora positiv und stärken die Abwehrkräfte. Ein EU-Projekt soll jetzt unabhängig klären, was an den Lebensmitteln mit Bakterienkulturen dran ist, und wie sich deren Herstellung verbessern läßt.

    Bei Joghurtkulturen überlebt eine von 100 Bakterien den Gefriertrocknungsprozeß, mit dem die Kulturen für die großindustrielle Produktion vorbereitet werden. Schockfrieren, danach der langsame Wasserentzug im Vakuum, diesem Streß sind nur wenige Mikroorganismen gewachsen. Haben sie es überlebt, dann ist ihre Wiedererweckung relativ einfach. "Sie werden optimalen Wachstumsbedingungen ausgesetzt, erhalten Nährstoffe und Energie und können wieder Wasser aufnehmen", erklärt Dietrich Knorr, Professor für Lebensmitteltechnologie an der Technischen Universität Berlin. In dieser Form werden die Bakterien dann wieder der Milch zugeführt, um daraus Kefir, Joghurt oder sonstige gesunden Produkte zu machen.

    Gefriertrocknen ist noch die schonendste Methode der Bakterienbehandlung, gehört allerdings zu den teuren Alternativen. Im Rahmen des EU-Projekts Protech, das sich mit der Herstellung probiotischer Lebensmittel beschäftigt, arbeitet Knorr daher daran, ein effizienteres Verfahren für die Konservierung probiotischer Bakterien zu etablieren - die Sprühtrocknung. Eine Methode nach der zum Beispiel schon Kaffee- und Milchpulver produziert werden. Knorr: "Die Kosten der Sprühtrockung und auch der Zeitaufwand sind um ein Vielfaches geringer als beim Gefriertrocknen." Sprühtrocknung dauert nur Sekunden statt rund zwei Tagen und kostet nur ein Sechstel. Die Bakterien-Wasser-Suspension wird in einem Trockenturm in winzigen Tröpfchen versprüht und durch einen Heißluftstrom getrocknet, während sie zu Boden rieselt. Doch auch dieses Verfahren hat seine Tücken. Knorr: "Sie setzen die Mikroorganismen Hitze aus und dabei erleiden die Mikroorganismen wieder Schaden. Ziel unserer Arbeiten ist es genau diese Vitalitätsverluste zu minimieren."

    Einen erste Strategie haben Knorr und sein Doktorand Edwin Ananta bereits gefunden: Damit die Bakterien die Hitze besser überleben, setzen sie sie vorher unter Hochdruck von rund 1000 bar, also so viel Druck, wie er im Marianengraben herrscht. Das Rezept setzt auf vorstressen, dann halten die Organismen die Belastung des Heißluftstroms besser aus. Knorr: "Unsere Daten zeigen, dass wir Stressproteine induzieren, das heißt die Mikroorganismen reagieren auf den Stress, produzieren Proteine, die sie gegen die thermische Behandlung widerstandsfähiger machen." Vermutlich verringern die Stressproteine Schäden in der Zellmembran, die sonst bei der Hitze entstehen. Künftig könnte probiotischen Bakterien für ihre Trocknung also hoher Druck und Hitze erwarten, statt Kälteschock und Vakuum.

    [Quelle: Barbara Witthuhn]