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Probiotische Lebensmittel
Auf dem Weg zum personalisierten Joghurt

Probiotischen Lebensmitteln wie Joghurts oder Frühstücksdrinks wird nachgesagt, dass sie die Verdauung fördern oder gar vor Allergien schützen. Forscher der Universität Wageningen nehmen die mit lebenden Bakterien angereicherten Produkte nun genauer unter die Lupe. Ihr Ziel: voraussagen, wer von welchem Bakterium profitieren könnte.

Von Ralf Krauter | 13.10.2014
    Eine Hand hält einen roten Löffel mit Joghurt.
    Ob Probiotika wirklich das Krankheitsrisiko senken, bleibt fraglich. (picture-alliance/ dpa - Heiko Wolfraum)
    Ähnlich wie ein Fingerabdruck besitzt jeder Mensch seine eigene charakteristische Darmflora. Die Zusammensetzung der Billionen Bakterien im Magen-Darm Trakt, die bei der Verdauung helfen und vor Infektionen schützen, ist individuell verschieden. Gleichzeitig ist das sogenannte Mikrobiom nicht das ganze Leben hindurch gleich. Durch den Lebensstil oder die Ernährung kann es dauerhaft verändert werden. Auf diese Weise sollen auch probiotische Lebensmittel wirken. Bestimmte Bakterien, die Joghurts oder Frühstücksdrinks zugesetzt werden, sollen die Darmflora gezielt verändern und dadurch einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben.
    Michiel Kleerebezem und sein Team an der Universität Wageningen untersuchen diesen Effekt genauer. Denn die individuelle Darmflora jedes Menschen sorgt dafür, dass Probiotika nicht immer gleich wirken.
    "Ich denke es ist sehr wichtig, dass wir die Unterschiede in der gesunden Bevölkerung besser verstehen. Probiotika werden zur Vorsorge angeboten, was bedeutet, dass sie das Krankheitsrisiko senken sollen. Aber ob dieser Effekt bei allen Personen hervorgerufen wird, ist wirklich fraglich."
    Um besser zu verstehen, wer von der Einnahme eines bestimmten Bakteriums profitieren könnte, suchen die Forscher nach direkten Zusammenhängen zwischen spezifischen Bakterien und einer physiologisch nachweisbaren Wirkung. Dafür verabreichten sie gesunden Probanden verschiedene Bakterien und untersuchten, ob sie im Dünndarm der jeweiligen Testpersonen einen nachweisbaren Effekt auslösten.
    "Wir haben uns die Wirkung im Wirt angesehen und konnten beobachten, dass es bei gesunden Menschen Veränderungen in der Darmschleimhaut gibt, wenn sie bestimmte Probiotika essen. Und diese spezifischen Veränderungen konnten wir mit bestimmten physiologischen Folgen in Verbindung bringen."
    Ein Bakterium fördert die Wundheilung
    Das Milchsäurebakterium Lactobacillus plantarum aktivierte beispielsweise das Immunsystem der Testpersonen, ohne dass ein Krankheitserreger eingedrungen war. Im Fall einer Infektion ermöglicht das eine schnellere Reaktion und erhöht die Schutzwirkung. Ein anderes Bakterium aktiviert Signalwege, die für die Wundheilung wichtig sind und sorgt dadurch dafür, dass die Barrierefunktion der Schleimhaut aufrecht erhalten wird.
    Um diese Effekte genauer untersuchen zu können, wollten die Forscher außerdem herausfinden, welche zellulären Signalwege für die jeweilige Wirkung verantwortlich sind.
    "Wir haben versucht, die Effekte, die wir bei den Probanden sehen, in etwas zu übersetzen, das wir im Labor untersuchen können. Dafür nehmen wir das Bakterium komplett auseinander und versuchen, das Molekül zu finden, das dafür verantwortlich ist. Denn das ist entscheidend, um zu verstehen, wie die Dinge tatsächlich zusammenhängen. Und letztendlich ist uns das auch gelungen."
    Allgemeingültige Aussagen waren nicht möglich
    Ein Problem bei allen Versuchen blieb allerdings, dass das Ausmaß der beobachteten Effekte im Durchschnitt oft geringer war als der grundsätzliche physiologische Unterschied zwischen einzelnen Probanden, der auch durch die unterschiedliche Zusammensetzung des Mikrobioms entsteht. Deshalb ließ sich nur durch individuelle Betrachtung erkennen, ob eine bestimmte Person von den Probiotika profitiert hatte oder nicht. Aussagen über den Nutzen für die gesamte Gruppe waren nicht möglich.
    "Wir brauchen wahrscheinlich verschiedene Probiotika für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen, damit wir wirklich einen Nutzen haben. Solange wir diese Gruppen nicht unterscheiden können, werden wir immer Leute haben, bei denen eine Wirkung auftritt, während andere nicht profitieren. Und das macht es sehr schwer, allgemeine Schlüsse zu ziehen. Wenn wir wüssten, welche Gruppe am empfänglichsten für eine bestimmte Behandlung ist, wäre der Erfolg deutlich größer."
    Da es zu aufwendig wäre, jeden potenziellen Konsumenten zuerst einer Darmuntersuchung zu unterziehen, soll diese Zuordnung in Zukunft auch über Bluttests möglich werden. Denn der Einfluss des Mikrobioms lässt sich auch im Blut nachweisen, wenn die physiologische Wirkung einzelner Bakterienstämme bekannt ist.