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Problem Flaschenhals

Raumfahrt. – Eine unabhängige Expertenkommission der USA hat untersucht, wie die US-Raumfahrtagentur NASA Aufbau und Betrieb der Internationalen Raumstation ISS organisiert. Im wesentlichen erhält die NASA in diesem Report gute Noten. Einige Sicherheitslücken haben die Fachleute aber doch gefunden.

Von Guido Meyer |
    "Our first goal is to complete the International Space Station by 2010. We will finish what we have started. We will meet our obligations to our 15 international partners on this project.”"

    Januar 2004. US-Präsident Bush gibt vor, die Internationale Raumstation (ISS) binnen sechs Jahren fertig zu stellen. Was man begonnen habe, werde man zu Ende führen, und damit auch die Verpflichtungen gegenüber den 15 Partnerländern erfüllen. Der nun vorliegende Abschlussbericht einer unabhängigen ISS-Sicherheitskommission bescheinigt der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA, auf gutem Wege zu sein. Die Station ist so sicher wie irgend möglich, alle entscheidenden Systeme mindestens zweifach vorhanden. Nur die Existenz einer einzigen Sojus-Kapsel als Rettungsboot ist einer der von der Task Force aufgezeigten Mängel.

    "”Wenn beispielsweise wegen eines medizinischen Notfalls ein Astronaut zurückkehren muss zur Erde, müssen immer alle drei Mannschaftsmitglieder die Station verlassen. Es gibt nur ein Rettungsfahrzeug für drei Personen. Die Station müsste dann unbemannt vom Boden aus kontrolliert werden, bis die nächste Crew startet."

    Tommy Holloway, der Vorsitzende der Sicherheitskommission, bis 2002 selbst NASA-Manager für die ISS. Zwar wird die Raumstation sowieso fast ausschließlich von der Bodenkontrolle aus überwacht, könnte also autark und unbemannt weiterfliegen. Aber die Raumfahrtbehörde gibt zu, dass dies sich zu einem Problem entwickeln könnte. Alard Beutel vom NASA-Headquarter in Washington, D.C.:

    "Wenn es ein Problem mit der Raumstation gibt, sie zum Beispiel von Weltraumschrott getroffen wird und keine Crew auf der ISS ist, könnte auch niemand den Schaden reparieren. Wenn irgendein Bordsystem ausfällt und kein Astronaut eingreifen kann, könnte aus einem kleinen Zwischenfall ein großer werden."

    So groß, dass nach einer möglichen Evakuierung der ISS sie vielleicht nicht mehr in Betrieb genommen werden kann und ihr Totalverlust zu befürchten ist, so die Warnung der Safety Task Force. Ob bemannt oder unbemannt, die ISS ist laut Kommissionsbericht nur unzureichend gegen Weltraumschrott gesichert. So sind die Fenster des russischen Service-Moduls Swesda derzeit nur einfach gegen Einschläge geschützt. Neue Schutzplatten sind bereits auf der ISS vorhanden, sollten nach bisherigen Planungen aber erst 2009 angebracht werden, da aufgrund anderer Arbeiten bei Weltraumspaziergängen dazu vorerst keine Gelegenheit sei. In diesem Fall hat die Nasa bereits reagiert. Alard Beutel:

    "Einige der neuen Schutzschilder haben wir im Dezember provisorisch an einer Plattform außerhalb der Station befestigt. Sie sind für das Service-Modul bestimmt, das als Crew-Quartier fungiert. Unser Plan ist nun, sie bereits diesen Sommer im Rahmen eines Ausstiegs aus der ISS an den Fenstern anzubringen."

    Teilweise zeigt sich die NASA also lernfähig und gelehrig, auf anderen Feldern will sie ihre Politik jedoch nicht ändern. 2010 will sie das Space Shuttle, ihren Lastesel ins All, ausmustern, ohne derzeit über einen funktionierenden Nachfolger zu verfügen. Auch hier legt die Task Force den Finger in die Wunde. Holloway:

    "”Irgendetwas muss die Raumfähren ersetzen. Die Sojus-Raumschiffe der Russen sind derzeit das einzige erprobte Transportmittel. Wir schlagen vor, dass die Nasa ab 2010, wenn die Shuttles stillgelegt sind, jährlich eine Milliarde Dollar extra ausgibt, um eine Versorgung der ISS zu gewähren. So könnte man die Europäische Weltraumagentur überzeugen, jährlich ein zusätzliches Exemplar ihrer neuen Transporter ATV zu bauen. Mit dem Geld könnte NASA kaufen, was verfügbar ist: europäische ATVs, russische Progress-Kapseln, japanische Transporter oder private Raketen. Erfahrungsbedingt glauben wir aber nicht, dass letztere bis 2010 zur Verfügung stehen werden.""

    Die NASAselbst will sich nach dem Aufbau der ISS 2010 größtenteils zurückziehen und kommerziellen Firmen die Versorgung der Station überlassen – zunächst mit Fracht, später auch mit Astronauten. Beide Hauptaspiranten für derartige Transportaufträge können jedoch noch keinen einzigen erfolgreichen Start vorweisen, was auch Alard Beutel von der NASA zugibt.

    "Die Kommission hat nach erprobter Technik Ausschau gehalten, aber die privaten Unternehmen fliegen nun einmal noch nicht operationell. Dies bereitet der Task Force Sorge, und dies ist der Grund, warum wir für möglichst viele Alternativen offen sind und auch anderen Firmen die Möglichkeit bieten wollen, die Internationale Raumstation mit Nachschub zu versorgen."

    Auf den Report will die NASA offiziell mit eigenen Vorschlägen im April reagieren.