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Problematische Signale

Die neuen Bayreuth-Chefinnen Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier haben schon für die ersten Irritationen bei den Festspielen gesorgt: Sie kamen zu spät zur Pressekonferenz, ließen ein paar belanglose Sätze fallen und verschwanden wieder. Das passt nicht so recht zur "neuen Offenheit", die die Festspielleiterinnen propagieren.

Von Jörn Florian Fuchs |
    Ganz so schlimm war alles dann doch nicht. Der Machtkampf zwischen den Bayreuther Festspielen als Arbeitgeber und der Gewerkschaft ver.di verlief letztlich recht glimpflich. Nur die Äußerungen einer lokalen ver.di-Vertreterin sorgten kurzzeitig für Panik, die Dame sagte doch glatt, sie verstehe den ganzen Festspielzirkus nicht, dort träfen sich ja nur die Großkopferten. Sie selbst sei noch nie im Festspielhaus gewesen und werde auch fürderhin da nicht hingehen. Es gibt also tatsächlich Menschen, die nicht auf der Warteliste für Eintrittskarten stehen und die ihren Unmut über den urdeutschen Meistertonsetzer und seinen Hort in der oberfränkischen Provinz frank und frei kund tun.

    Nun ja, da handelt es sich zweifellos um eine unkundige Kulturbanausin. Denn darf man Bayreuth, den Ort, die Institution, den Promiauflauf, die alljährliche Festspielweihe überhaupt infrage stellen? Zu Zeiten Wolfgang Wagners war jede Kritik eigentlich sinnlos, da der Prinzipal mit einer ärgerlichen Handbewegung oder ein paar unverständlichen, mürrischen Worten alles an sich abprallen ließ. W.W., wie ihn die Eingeweihten nannten, hielt den Laden zusammen und behandelte alle irgendwie gleich. Einen Placido Domingo ebenso wie einen Bühnenarbeiter. Ums liebe Geld scherte sich ohnehin niemand so recht, Domingo verdiente anderswo seine Milliönchen und der Bühnenarbeiter fühlte sich geehrt, für seinen Wachner in Bareid arbeiten zu dürfen. Wer länger dabei blieb, für den gab's nette Gimmicks wie das berühmte Eichala, eine Art Festspiel-Humpen.

    So waren sie, die Zeiten. Doch nun herrschen die Halbschwestern Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier auf dem Grünen Hügel. Beide beherrschen zwar den oberfränkischen Dialekt, beiden fehlt es jedoch an der präzisen Mischung aus Bauernschläue, Verbindlichkeit und Machtbewusstsein des alten Wolfgang.

    Eva ist die große Schweigerin, die sich Interviews gern entzieht. Sie gilt als Stimmexpertin und berät Opernhäuser und Festivals von New York bis Aix-en-Provence. Gerade hat sie in Aix allerdings einen szenisch wie sängerisch ziemlich desolaten "Ring" mitverantwortet. Katharina agiert als umtriebige Jungregisseurin, die vor allem durch radikale Schlachtungen der Opern ihres Urgroßvaters für mediale Aufmerksamkeit sorgt. Da mutieren die vermeintlich leichtfüßigen Meistersinger zu bösartigen Meistermalern, Tannhäuser verliert sich in einem Wirrwarr aus Spiegeln und auch der Tribun Rienzi sowie Schwanenritter Lohengrin sind in Katharina Wagners Deutung eher dubiose Gesellen.

    Auch die nächsten Bayreuther Festspielpremieren werden allesamt von radikalen Vertretern des sogenannten Regietheaters bestritten, Hans Neuenfels' "Lohengrin", Sebastian Baumgartens "Tannhäuser" oder Sebastian Nüblings "Holländer" werden die alteingesessenen Wagnerianer sicherlich mit einigen Buhgewittern goutieren.

    Mit der multimedialen Homepage, einem üppigen Souvenirangebot sowie Live-Übertragungen auf den Bayreuther Volksfestplatz und im Internet wollen die Wagner-Schwestern neue Publikümer ansprechen. Für die ganz Kleinen gibt es heuer den "Fliegenden Holländer" als komprimierte 70-Minuten-Version, eingerichtet von Alexander Busche. Da fasst ein Erzähler kindgerecht die Handlung zusammen, erklärt ein bisschen die Musik und animiert zum Mitmachen. Es darf gestampft werden, Senta braucht Hilfe beim Herankarren ihres Himmelbettes und bisweilen werden die Nachwuchs-Wagnerianer sogar direkt gefragt, was sie von all dem halten. Diese einzige "Neuinszenierung" 2009 ist ebenso pfiffig wie klug konzipiert und kommt dabei zum Glück ohne verkrampfte Altherrenpädagogik daher.

    Dieses Jahr gibt es außerdem Christoph Marthalers dunkel-statuarischen "Tristan" als Direktübertragung auf dem Bayreuther Volksfestplatz, eine Aufführung, die eigentlich hohe Konzentration verlangt. Ob sich das allerdings mit dem Konsum von Bratwürsten und Bier verträgt, mag man durchaus bezweifeln. Vielleicht ist es aber auch ein angemessener Kontrapunkt zu den tristen Bildern und schweren Melodeien.