Archiv


Probleme bei der Spargelernte

Etwas später als im Vorjahr beginnt jetzt in Deutschland die Spargelzeit. Allerdings ist es in diesem Jahr noch nicht ganz so klar, wer die Früchte aus dem Acker schält. Die Saisonarbeiter sind nämlich jetzt Bürger der europäischen Union und werden somit auch sozialversicherungspflichtig. Nun fürchten die Spargelbauern, dass die Billigarbeiter womöglich ausbleiben.

Von Folkert Lenz |
    Kommen sie? Oder kommen sie nicht? Normalweise beschäftigt der Hoyerhagener Spargelanbauer Dietrich Paul rund 150 polnische Saisonkräfte, um die weißen Stangen aus dem Boden zu holen. Doch in diesem Jahr weiß der niedersächsische Landwirt noch nicht, ob er wirklich genügend helfende Hände bekommt. Vor wenigen Tagen hat Paul den ersten Spargel geerntet. Auch die ersten Jobber aus dem Osten sind schon auf seinem Hof eingetroffen. Doch die Sozialkassen wollen künftig mitverdienen. So könnte es sein, dass die polnischen Arbeiter am Ende weniger Geld heraus bekommen als zuvor gedacht, kritisiert Paul:

    "Ein gutes Viertel weniger würden die kriegen. Und da sagen die Polen natürlich: Das wollen wir nicht mehr. Da befürchte ich also wirklich - wenn das alles spruchreif wird -, dass noch in dieser Saison die ersten Polen Kehrtmarsch machen und nach Hause fahren werden. Und im nächsten Jahr wird’s dann noch schwieriger werden. "

    Das Problem: Nach Polens Beitritt zur EU müsste der deutsche Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge für die polnischen Helfer an die Kassen in seiner Heimat abführen - etwas über 20 Prozent des Bruttolohns. Zusätzlich soll der Arbeitnehmer mit 27 Prozent des Entgelts zur Kasse gebeten werden.

    Fünf Euro 42 bekommt ein Spargelstecher pro Stunde - so ist es tariflich vereinbart. Wenn davon noch mehr als ein Viertel runter geht, dann lohnt sich der Knochenjob auch für die Billigkräfte aus dem Osten nicht mehr, so Dietrich Paul, der auch Vorsitzender der Vereinigung der niedersächsischen Spargelanbauer ist:

    "Für mich ist es einfach unvorstellbar, dass wir in ein fremdes Land Beiträge zahlen sollen. Wo der Staat nix von hat. Wo die Bevölkerung hier nix von hat. Der polnische Arbeitnehmer hat auch nichts davon. Weil es ja um den Personenkreis geht, die ohnehin in Polen beschäftigt sind und die dort Sozialversicherungsbeiträge bereits abführen. Das heißt, sie werden doppelt besteuert. Und das kann ich nicht mehr nachvollziehen. "

    Kurios: Bislang ist noch nicht einmal klar, an welche Stelle die deutschen Landwirte in Polen genau zahlen sollen und wie die Beitragserhebung verwaltungsmäßig abgewickelt werden könnte. Und auch wenn viele von Pauls Kollegen fürchten, dass die polnischen Erntehelfer wegbleiben, wenn sich die niedrigere Bezahlung erst mal herumspricht: Hinter vorgehaltener Hand werden Durchhalteparolen geflüstert. Auch bei der Arbeitsagentur im nahen Nienburg haben noch keine Spargelbauern nach zusätzlichen Helfern gefragt, sagt der Geschäftsführer Harald Büge:

    "Die Anfragen unsererseits bei den Landwirten haben uns eher in der Annahme bestätigt, dass die Polen in diesem Jahr wie bisher auch kommen werden. Konkrete Stellenforderungen aus der Landwirtschaft liegen uns bisher nicht vor. Es könnte durchaus sein, dass im Einzelfall die Polen nicht zur Arbeit anreisen. Dann sind wir aber optimistisch, dass wir in Einzelfällen den Landwirten durch die Vermittlung einheimischer Arbeitskräfte helfen können. "

    Im Bezirk Nienburg der Agentur für Arbeit haben die Bauern 5.000 Arbeitserlaubnisse für Saisonhelfer beantragt. Würde ein größerer Teil von diesen ausbleiben, herrschte auf den Feldern echter Notstand, glaubt Harald Büge.

    "Bei einem massenhaften Ausbleiben der polnischen Saisonkräfte in unserem Bezirk könnten wir nicht von heute auf morgen die notwendige Anzahl von Spargelstechern zur Verfügung stellen. "

    Über die erneuten Vorschläge aus der Chefetage der Arbeitsagentur, doch deutsche Langzeitarbeitslose mit sanftem Zwang auf die Plantagen zu treiben, können in der traditionellen niedersächsischen Spargelregion alle Beteiligten nur müde lächeln. Zu erfolglos waren die Bemühungen, die die Bauern und die Behörden in den vergangenen Jahren dabei an den Tag gelegt haben.

    Spargellobbyist Dietrich Paul will, dass die deutsche und die polnische Regierung einen direkten Vertrag schließen - das würde die EU sogar erlauben. Und dann könnte alles wieder sein wie früher, glaubt er:

    "Meine Forderung ist ganz klar, dass dieses bilaterale Abkommen zustande kommt. Nur im Augenblick ruht still der See, sag ich mal. Wir wissen wirklich nicht, wie wir uns verhalten sollen. "

    Lohnerhöhungen übrigens lehnen die Bauern ab. Das würde den Spargel noch teurer machen. Sie fürchten, die weißen Stangen dann nicht mehr an den Mann bringen zu können.