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Probleme für den Vogelschutz

Windräder erzeugen umweltverträglich Energie: Rund 18.000 Windkraftanlagen waren im vergangenen Jahr in Deutschland am Netz. Doch rotierende Windräder kosten immer wieder Vögel und Fledermäuse das Leben. Naturschützer sind deshalb nicht nur begeistert über den Boom der Windenergie. Man müsste mehr auf die richtigen Standorte achten, um die Verluste in Grenzen halten. Das ist eins der Ergebnisse einer neuen Studie des Naturschutzbundes NABU.

Von Annette Eversberg | 28.03.2007
    Windkraftanlagen stehen dort, wo die Energieausbeute am größten ist. Das ist in Deutschland in der Nähe der Küsten, aber auch in den Mittelgebirgen. Dort konkurrieren sie mit den Lebensräumen von Vögeln und Fledermäusen. Das galt bereits für die bisherigen Windkraftanlagen, auch wenn sie klein waren. Die neuen Windkraftanlagen sind ungefähr doppelt so hoch. Ihre Rotoren haben einen Durchmesser von bis zu 80 Metern. Die NABU-Studie kommt jedoch nicht zu dem Ergebnis, dass große Anlagen generell ein Problem sind. Es hängt viel mehr davon ab, welche Vögel in ihrem Lebensraum betroffen sind. Dr. Hermann Hötker vom Michael-Otto-Institut Bergenhusen, einem Kooperationspartner des NABU:

    "Es gibt vor allem brütende Vögel, die sich erstaunlich nah an Windkraftanlagen heranwagen. Und da zeigen die Untersuchungen, dass die größeren Anlagen sogar weniger störend wirken als die kleineren. Vielleicht deshalb, weil das eigentliche Geschehen, die Rotordrehung, von den am Boden brütenden Vögel weiter entfernt ist und sie das kaum noch wahrnehmen. "

    Nur Wachteln und Kiebitze halten einen großen Abstand von den Anlagen. Das bedeutet, dass ihre Bestände dort zurückgehen, wo sich Windkraftanlagen befinden. Tiere, die im Schilf brüten, wie die Rohrammer zum Beispiel, lassen sich von den Windkraftanlagen überhaupt nicht stören. Bei den Rastvögeln sieht das Bild jedoch anders aus. Hermann Hötker:

    "Dort haben wir schon beobachtet, dass die Abstände, die diese Vögel von den Windkraftanlagen halten, mit der Größe der Windkraftanlagen zunehmen, das heißt dort ist es ganz offensichtlich so, dass größere Anlagen stärker stören als kleinere Anlagen. Und es ist auch so, dass das Mortalitätsrisiko mit steigender Anlagengröße etwas steigt. "

    Das bedeutet jedoch nicht, dass Rastvögel wie Gänse beim Repowering weniger Fläche zur Verfügung haben. Kai Thomsen vom NABU:

    "Allerdings ist es so, dass natürlich viele kleine Anlagen ebenfalls einen sehr großen Raum beeinflussen. Und durch den Abbau vieler kleiner Anlagen und dafür den Bau weniger großer Anlagen kann man damit den Konflikt ein wenig entschärfen. "

    Wichtiger als die Anlagengröße ist - der NABU-Studie zufolge - jedoch der Standort von Windkraftanlagen. Sie sollten nicht mit den Hauptlebensräumen von Vögeln kollidieren. Das Gleiche gilt für Fledermäuse, die im Flug nach Insekten jagen. Sie sind betroffen, wenn große Windkraftanlagen zum Beispiel in den Mittelgebirgen errichtet werden. Hermann Hötker:

    "Für Fledermäuse ist das ganz eindeutig zu sagen: Anlagen dürfen nicht im Wald oder am Waldrand stehen, weil dort Fledermäuse über den Bäumen und Büschen jagen. Für Vögel ist es so, dass Anlagen nicht an Gewässern stehen sollten, weil dort das Mortalitätsrisiko sprunghaft steigt. In anderen Ländern gibt es noch andere Lebensräume, in denen Windkraftanlagen eigentlich nichts zu suchen haben. Das sind Gebirgsgrate, die von Greifvögel nicht überflogen werden, so etwas gibt es aber in Deutschland nicht. "

    Die Studie des NABU schafft künftig Planungssicherheit. Weil sie Anlagenbauern und Genehmigungsbehörden Hinweise geben kann, wo große Anlagen errichtet werden können. Kai Thomsen:

    "Wir haben ein kleines Rechenprogramm entwickelt, wo wir die Daten aus unserer Studie eingearbeitet haben. Und damit kann man ganz einfach errechnen: Wir bauen so und so viele kleinere Anlagen ab und ersetzen sie durch größere Anlagen, welchen Einfluss hat das auf bestimmte Vogelarten, die dort vorkommen können? Und dann kann man sehen, hat es einen positiven Einfluss für die Vögel, oder einen negativen Einfluss. "

    Für Hermann Hötker bietet diese Form der Standortbestimmung zudem neue Möglichkeiten:

    "Es besteht natürlich im Rahmen des Repowering die große Chance, Windkraftanlagen an den Stellen, an denen sie nicht stehen sollen, zu beseitigen und an anderen Stellen, wo sie kaum messbare Schäden für die Natur verursachen, wieder aufzubauen."