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Probleme mit Glatze, Bart und Falten

Wer ab Oktober in die USA reisen möchte, der muss an der Grenze biometrische Merkmale hinterlegen. Auch in der Europäischen Union setzen Sicherheitspolitiker immer mehr auf einwandfreie Identifikation anhand von Fingerabdruck oder Irisbild. Doch die automatische Kontrolle der aufschlussreichen Merkmale gestaltet sich schwieriger als gedacht. Eine Folge davon sind nationale Alleingänge bei den Verfahren.

Von Pia Grund-Ludwig |
    Ein Expertenworkshop des Darmstädter Kompetenzzentrums für Angewandte Sicherheitstechnologie CAST lotete in der vergangenen Woche aus, ob sich biometrische Merkmale in Ausweisdokumente integrieren lassen. Solche biometrischen Kennzeichen sind zum Beispiel Fingerabdrücke, die Iris oder das Gesicht eines Menschen. Ergänzt man Reisepässe mit diesen Kennzeichen, dann wird deren Fälschung erschwert, so hoffen Experten aus den Innenministerien. Doch mit biometrischen Daten aufgepeppte Reisedokumente bringen nichts, wenn Standards fehlen, denn eine Kontrolle bei der Einreise in ein anderes Land ist nur dann möglich, wenn dieses weiß, welche Merkmale abgefragt werden können und mit welchen Verfahren diese erstellt wurden. In diesem Punkt gebe es noch keine Standards, so Peter Hanel von der Generaldirektion der EU für Justiz und Inneres:

    Wir sprechen von zweidimensionaler und dreidimensionaler Gesichtserkennung, wir sprechen von einem Foto oder mehreren Bildern, die mit einem anderen Bild verglichen werden, kurz gesagt, die Standardisierung ist in Bewegung. Man bemüht sich, Standards zu finden, der Prozess ist aber bei weitem nicht abgeschlossen.

    Das führt auch dazu, dass im Moment die Systeme unterschiedlicher Hersteller nicht zusammenarbeiten. Auch das macht den Einsatz bei der Grenzkontrolle schwierig. In Deutschland drängt Innenminister Otto Schily dennoch auf eine Einführung der neuen Dokumente. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hat deshalb in einer Studie Systeme zur Gesichtserkennung untersucht. Astrid Albrecht gab sich als Vertreterin des BSI auf dem Workshop in Darmstadt alle Mühe, die positiven Resultate der Untersuchung herauszustellen. Gesichtserkennung sei grundsätzlich für den Einsatz in Reisepässen tauglich. Vor dem Mikrofon durfte sie aber nicht einmal solche Einschätzungen wiederholen: Ein bereits von der Pressestelle genehmigtes Interview verhinderte Albrechts Vorgesetzter mit dem Verweis auf die Brisanz des Themas, denn im Grunde zieht der Ende Juni vorgelegte Bericht eine ausgesprochen skeptische Bilanz. Bei der Erkennung der Bilddateien müssten noch "große Anstrengungen von Seiten der Algorithmenhersteller unternommen werden, um befriedigende Ergebnisse zu erzielen”, heißt es. Auch die "Überwindungssicherheit muss verbessert werden”, so die Untersuchung. Das bedeutet im Klartext, dass die Systeme im Moment noch zu häufig Personen verwechseln. Außerdem würden Alterungseffekte nicht genügend berücksichtigt, heißt es weiter. Auch das ist ein Problem, denn schließlich sollen Ausweisdokumente wie bislang zehn Jahre halten. Wer in dieser Zeit zu viele Falten bekommt oder eine Glatze, der überfordert damit die sensible Software. Günter Schumacher von der Generaldirektion der EU für die Informationsgesellschaft fühlt sich von der aktuellen Debatte an die Einführung der elektronischen Signatur erinnert. Auch damals, so der Experte, habe man Dinge gefordert, die technisch noch nicht zu realisieren waren. Außerdem müsse man schauen, was die Menschen akzeptieren, so Schumacher:
    Während es manchen Bürgern vielleicht nicht so viel ausmachen würde, ihre Fingerabdrücke auf Personalausweise zu bringen, gibt es wiederum andere europäische Bürger, die da große Hemmschwellen haben, und deswegen ist schon die Frage, ob wir Fingerabdruckdaten überhaupt auf ein europäisches Personaldokument bringen, eine Frage, die sich nicht so leicht beantworten lässt.

    Sein Vorschlag: Es müsste auf europäischer Ebene eine zentrale Instanz geschaffen werden, die diese Fragen diskutiert und den politischen Entscheidungsträgern Vorschläge macht. Doch ob dazu die Zeit reicht, ist fraglich. Einzelne Länder beginnen nämlich bereits mit der Einführung neuer Pässe. EU-Experte Hanel:

    Es haben inzwischen schon einige EU-Staaten begonnen, neue Reisepässe auszustellen. Zum Beispiel hat Dänemark bereits einen Vertrag mit einer Firma abgeschlossen, Österreich ist auch so weit, im nächsten Jahr mit neuen Reisepässen zu beginnen. Soweit es den verpflichtenden EU-Reisepass mit biometrischen Merkmalen betrifft, warten wir noch auf eine Entscheidung des Rates zu den Vorschlägen der Kommission.

    Insgesamt sei wohl mit einer Einführung frühestens in ein bis zwei Jahren zu rechnen. Für Deutschland liegt noch kein Zeitplan, aber immerhin eine Kostenschätzung vor. Das Büro für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags hat ausgerechnet, dass allein für Deutschland durch die notwendige neue Ausweisgeneration einmalige Kosten in Höhe von knapp 670 Millionen Euro durch die Einführung der Dokumente entstehen. Dazu kämen, so die Erhebung, jährlich weitere 610 Millionen Euro. Auch diese Zahlen dürften durchaus Einfluss auf den Zeitplan haben, und zwar keinen positiven.