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Produktsicherheit
Hersteller starten vermehrt Rückrufaktionen

Listerien im Biokäse, Gasmelder mit Kurzschluss oder Luxus-Sportwagen, die plötzlich in Flammen stehen: Immer häufiger starten Hersteller Rückrufaktionen für ihre Produkte. Kraftfahrzeuge werden seit 2000 in Deutschland sogar doppelt so häufig zurückgerufen.

Von Jens Jensen | 27.03.2014
    Den 5. Februar 2010 wird Dirk Breuer wohl nicht mehr vergessen. Da musste der Pressesprecher von Toyota Deutschland die bisher spektakulärste Rückrufaktion der Automobilgeschichte vertreten:
    "Es war an einem Freitag um 15.56 Uhr. Eine Stunde später, also um 17 Uhr, war das erste Kamerateam da und es sind innerhalb von eineinviertel Stunden neun Kamerateams hier gewesen, die sich über diesen Sachverhalt informieren wollten."
    Weltweit beorderte Toyota damals über acht Millionen Fahrzeuge in die Werkstatt zurück, nachdem Kunden über Probleme mit Gaspedal und Fußmatten berichtet hatten. Dirk Breuer:
    "Wenn wir die Rückrufaktionen mit all ihren Wenns und Abers betrachten, kann ich aber heute sagen, dass wir zusammenfassend einen Qualitätsstandard erreicht haben, der, so glaube ich, einzigartig ist auf der Welt. Und das wäre ohne diese Aktionen niemals so weit gekommen."
    Hersteller starten schneller freiwilligen Rückruf
    Seit der Jahrtausendwende hat sich die Zahl der jährlichen Kraftfahrzeugrückrufe in Deutschland mehr als verdoppelt. Auch andere Produkte werden häufiger zurückgerufen als früher. Experten führen den Anstieg darauf zurück, dass einerseits die Überwachung schärfer geworden ist und andererseits die Hersteller schneller von sich aus einen freiwilligen Rückruf starten. Während bei Autorückrufen die Adressen der betroffenen Halter über das Kraftfahrtbundesamt abgerufen werden, laufen Lebensmittelrückrufe meist über die Medien.
    "Eine Rückrufaktion ist vor allem eine logistische Herausforderung."
    ... sagt Arno Dopychai vom Verband Deutscher Mineralbrunnen.
    "Jeder Mineralbrunnen, aber auch jeder andere Lebensmittelunternehmer in Europa, nicht nur in Deutschland, ist gesetzlich verpflichtet, einen Rückrufplan bereitzuhalten für den Fall eines Rückrufs. Und da haben wir dieses Tracking-and-Tracing-Prinzip festgeschrieben. Das bedeutet, jeder Unternehmer muss genau wissen, woher seine Einsatzstoffe geliefert wurden und wohin er seine Produkte geliefert hat."
    Mit Chargennummer und Mindesthaltbarkeitsdatum lässt sich jedes Lebensmittel genau identifizieren. Wird beispielsweise eine Verunreinigung festgestellt, kann der Hersteller die betroffene Charge am Etikett ablesen. Bei Mineralwasser könnte schon eine leichte geschmackliche Beeinträchtigung einen aufwendigen Rückruf auslösen.
    "Eine mittlere Anlage macht vielleicht 30.000 Flaschen in der Stunde. Und wenn eine Charge eine Stundenfüllung ist, dann haben wir es mit 30.000 Flaschen zu tun, die zurückgenommen werden. Oft kommt es zu Rückrufen, weil beispielsweise 100 oder 200 Flaschen betroffen sind, aber man weiß eben nicht ganz genau, welche. Dann muss die ganze Charge zurückgenommen werden."
    Aktuelle Rückrufe finden sich auf dem Portal Lebensmittelwarnung.de des Bundesamtes für Verbraucherschutz. Demnächst soll die Internetseite auch um Kosmetik und Bedarfsgegenstände wie Spielzeug und Kleidung ergänzt werden. Andere Produktrückrufe veröffentlichen die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Wie der Hersteller das jeweilige Problem löst, darauf hat der Kunde meist keinen Einfluss, sagt Iwona Husemann von der Verbraucherzentrale NRW.
    Aktuelle Rückrufe stehen auf dem Portal Lebensmittelwarnung.de
    "Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wenn ein Rückruf durchgeführt wird. Zum einen ist es möglich, dass der Verbraucher das Geld zurückbekommt und die Ware zurückschickt. Es gibt auch die Variante, dass ein Gutschein ausgestellt wird oder wenn nur Teile des Produkts fehlerhaft sind, dann kann es auch sein, dass ein Ersatzteil, eine Reparatur angeboten wird."
    Für Zeitverlust und Ärger wird der Kunde meistens nicht entschädigt.
    "Für weitergehende, gerade immaterielle Aufwendungen wie: Ich muss irgendwohin fahren, um das Produkt dahin zu bringen oder ich muss es aufwendig verpacken, weil ich es wegschicken muss, kann der Verbraucher in der Regel keinen weiteren Geldersatz verlangen."
    Nur wenn die zweijährige Gewährleistungsfrist noch läuft, kann es günstiger sein, die Ansprüche direkt beim Verkäufer durchzusetzen, weil der bei einem anfänglich vorhandenen Mangel zum Beispiel auch Transportkosten übernehmen muss.