Deutschunterricht in einer siebten Klasse. Am Ende ihrer Schullaufbahn sollen die Mädchen und Jungen sich souverän in ihrer Sprache bewegen, Texte verstehen und verfassen können. Wodurch aber wird der Schulerfolg bewirkt - das ist eine Frage für Unterrichtsforscher.
Eine große Rolle spielt das Engagement der Lehrer. Schüler erahnen selbst an kleinen Gesten, ob die Lehrer lieber Historiker oder Philologen geworden wären. Zugleich beeinflusst es sie, ob sie sich für ihr Fach und dessen Didaktik interessieren. Das berichtet Andreas Helmke von der Universität Koblenz-Landau aus einer neuen Studie.
"Bei dem Desi-Projekt haben wir herausgefunden, dass Lehrer, die sich engagieren und sich um fachdidaktische Weiterbildungen bemühen, regelmäßige Kontakte zum englischsprachigen Ausland haben, ihre Schüler viel besser motivieren können, im Englischunterricht mitzumachen, als Lehrkräfte, die nach ihrem zweiten Examen das nicht mehr getan haben."
Seit drei Jahrzehnten erforscht der Psychologe Unterrichtsqualität und Unterrichtseffekte in der Praxis. Mit der erwähnten DESI-Studie untersuchte er, wodurch erfolgreiches Lernen im Englischunterricht beeinflusst wird. Dabei fand der Wissenschaftler heraus, dass es von Fach zu Fach sehr verschiedene Kriterien für wirksamen Unterricht gibt: Mathematik verlangt Struktur, Sprachenlernen eine kommunikative Atmosphäre. Die Praxis sieht oft anders aus:
"Zum Beispiel haben wir direkt nach der Unterrichtsstunde die Lehrkräfte einschätzen lassen, wie viel Prozent der Zeit sie selbst gesprochen haben und es hat sich herausgestellt, dass Lehrkräfte ihre Rolle völlig falsch einschätzen, das heißt sie halten sich für sehr viel zurückhaltender, schweigsamer und passiver, reden oft viermal so lang, als sie geglaubt haben."
Mit seinen Videostudien zeigt der Wissenschaftler: Selbst im Sprachunterricht haben alle Schüler einer Klasse oft nur halb so viel Zeit zum Sprechen wie der Lehrer. Der stellt zwar Fragen an die Klasse. Doch statt geduldig die Überlegungen der Schüler abzuwarten, antwortet er häufig selbst.
Mit solchen Ergebnissen laden die Unterrichtsforscher die Lehrer ein, ihre Praxis zu reflektierten. Dabei ist für Helmke eindeutig: Unterrichtserfolg wird auf vielfältige, aber nicht auf beliebige Weise erreicht. Anders als von den Praktikern erhofft, gibt es kein Patentrezept. Viel mehr kommt es immer auf die richtige Passung zwischen den vielen Schülern und dem einen Lehrer an. Dazu arbeitet Marcus Hasselhorn, Professor für pädagogische Psychologie an der Georg-August-Universität Göttingen:
"Was wir versuchen, in unserer Forschung nachzuweisen ist, wie zum Beispiel Grundüberzeugungen von Lehrern, wie Lernen passiert, ihr Verhalten beeinflusst und sich positiv auf einige Schüler auswirkt und komischerweise negativ auf andere Schüler."
Lehrer werden in der Regel jene, die als Schüler gern und erfolgreich in diesem oder jenen Fach lernten. Diese Erfahrung macht sie oft blind. Es fällt ihnen schwer, sich vorzustellen, dass es ihren Schüler keinen Spaß bereitet, beispielsweise ein mathematisches Problem zu lösen oder sich im Sport zu bewegen. Schnell nehmen sie ihre eigene Motivation und ihr eigenes Lernen als Grundlage auch für die wertende Rückmeldung - und frustrieren die Schüler. Stoff zum Nachdenken für die Lehrer.
"Wie muss ich meinen Unterricht, die Bewertungsphasen, die ich jeden Schüler gegenüber zeige im Unterricht, wie muss ich die gestalten, dass ich dem gerecht werden, dass ich manches von dem, was ich glaube, was gut funktioniert, nur bei einem Teil meiner Schüler gut funktioniert oder das Gegenteil bewirken kann."
Inzwischen hat die Unterrichtsforschung einige Mythen des Schulalltags als solche entlarvt. Beispielsweise zu glauben, dass allein der Einsatz von Stationen- oder Projektlernen bereits guter Unterricht sei. Oder zu erwarten, dass entdeckendes Lernen im offenen Unterricht den Erfolg garantiert.
"Wenn man im Detail hinguckt, merkt man, wenn man so vorgeht, dann profitieren zwar die Schüler, aber es profitieren vor allem die leistungsstarken Schüler davon und Schüler, die sich in Mathematik schwer tun, würden mehr davon profitieren, wenn der Lehrer anfängt zu mischen, also sein induktiven Elemente, wo Schüler etwas selbständig entdecken, mit den Elementen, in denen er Gesetzmäßigkeiten vorgibt und Übungen vorgibt und ihnen dann immer wieder zeigt, an vielen Beispielen, was da eigentlich dahinter steckt.
In seiner Scholastikstudie fand Andreas Helmke heraus, was optimal lernende Klassen brauchen: Methodenvielfalt und klare Struktur, Motivation und individuelle Unterstützung, ein soziales Klima und eine effiziente Klassenführung. Letzteres allerdings gilt in Deutschland häufig als undemokratisch und wird verpönt:
"Klassenführung heißt überall sonst, nur nicht bei uns, vor allem im angloamerikanischen Sprachraum, wie man durch geeignete Maßnahmen der Vorbeugung gar nicht dazu kommen lässt, dass der Unterricht gestört wird. Das heißt der Einsatz bestimmter Lernmechanismen, dadurch dass man rechtzeitig Regeln etabliert, wer wann was zu machen hat, über den Tafeldienst bis zum Klassensprecher bis hin zur Frage, ob man sich melden muss, wenn man auf die Toilette muss, ob man essen darf. Klassenführung heißt natürlich auch, wenn es mal zu Störungen kommt, dass die Störung dann unaufgeregt, undramatisch geregelt werden, durch ein diskretes Signal, durch ein Ritual. Das sind Dinge, die kann man lernen, die sind keine Zauberkunst. Die kann man lernen und trainieren."
Entsprechende Programme helfen den Lehrern, sich geschickt auch gegenüber aggressiven Schülern und Störern zu verhalten. Ziel sollte sein, jeden Schüler individuell zu fördern. Das betrifft vor allem auch Kinder aus Migrantenfamilien. Sie stellen heute mehr als ein Drittel der Schülerschaft in Deutschland. Was das allerdings für die Unterrichtsqualität bedeutet, ist bisher unerforscht. Zum ersten Mal in deutschen Sprachraum untersucht Andreas Helmke nun in Rheinland-Pfalz und Bremen, wie es den Grundschulunterricht beeinflusst, wenn Kinder mit verschiedenen Herkunftssprachen in einer Klasse lernen:
"Wir gehen in 60 Klassen der Frage nach, welche Rolle die Lehrer- Schüler-Interaktionen für den Lernzuwachs spielen in Mathematik und in Deutsch und dabei berücksichtigen wir besonders die Frage, ob Migrantinnen sich im Unterricht anders verhalten, ob sie vielleicht mehr oder andere Fragen hatten. Ich denke, diese Art von Forschung brauchen wir erst mal, um eine Art Standortbestimmung zu haben. Wenn wir die haben, müssen wir versuchen, spezielle auf die Migranten abgestimmte, individualisierende Unterrichtsmaßnahmen zu erproben. Beispielsweise, dass es klug und geschickt wäre, wenn man etwa im Unterricht der Grundschule, die Identität Migranten als Türken oder Russischsprechende oder albanisch sprechende Personen viel mehr zum Gegenstand machen sollte, Stichwort Zweitsprachendidaktik. Aber wie man das macht, dazu gibt es bisher noch relativ wenig empirisch fundierte Forschung in Deutschland.
Eine große Rolle spielt das Engagement der Lehrer. Schüler erahnen selbst an kleinen Gesten, ob die Lehrer lieber Historiker oder Philologen geworden wären. Zugleich beeinflusst es sie, ob sie sich für ihr Fach und dessen Didaktik interessieren. Das berichtet Andreas Helmke von der Universität Koblenz-Landau aus einer neuen Studie.
"Bei dem Desi-Projekt haben wir herausgefunden, dass Lehrer, die sich engagieren und sich um fachdidaktische Weiterbildungen bemühen, regelmäßige Kontakte zum englischsprachigen Ausland haben, ihre Schüler viel besser motivieren können, im Englischunterricht mitzumachen, als Lehrkräfte, die nach ihrem zweiten Examen das nicht mehr getan haben."
Seit drei Jahrzehnten erforscht der Psychologe Unterrichtsqualität und Unterrichtseffekte in der Praxis. Mit der erwähnten DESI-Studie untersuchte er, wodurch erfolgreiches Lernen im Englischunterricht beeinflusst wird. Dabei fand der Wissenschaftler heraus, dass es von Fach zu Fach sehr verschiedene Kriterien für wirksamen Unterricht gibt: Mathematik verlangt Struktur, Sprachenlernen eine kommunikative Atmosphäre. Die Praxis sieht oft anders aus:
"Zum Beispiel haben wir direkt nach der Unterrichtsstunde die Lehrkräfte einschätzen lassen, wie viel Prozent der Zeit sie selbst gesprochen haben und es hat sich herausgestellt, dass Lehrkräfte ihre Rolle völlig falsch einschätzen, das heißt sie halten sich für sehr viel zurückhaltender, schweigsamer und passiver, reden oft viermal so lang, als sie geglaubt haben."
Mit seinen Videostudien zeigt der Wissenschaftler: Selbst im Sprachunterricht haben alle Schüler einer Klasse oft nur halb so viel Zeit zum Sprechen wie der Lehrer. Der stellt zwar Fragen an die Klasse. Doch statt geduldig die Überlegungen der Schüler abzuwarten, antwortet er häufig selbst.
Mit solchen Ergebnissen laden die Unterrichtsforscher die Lehrer ein, ihre Praxis zu reflektierten. Dabei ist für Helmke eindeutig: Unterrichtserfolg wird auf vielfältige, aber nicht auf beliebige Weise erreicht. Anders als von den Praktikern erhofft, gibt es kein Patentrezept. Viel mehr kommt es immer auf die richtige Passung zwischen den vielen Schülern und dem einen Lehrer an. Dazu arbeitet Marcus Hasselhorn, Professor für pädagogische Psychologie an der Georg-August-Universität Göttingen:
"Was wir versuchen, in unserer Forschung nachzuweisen ist, wie zum Beispiel Grundüberzeugungen von Lehrern, wie Lernen passiert, ihr Verhalten beeinflusst und sich positiv auf einige Schüler auswirkt und komischerweise negativ auf andere Schüler."
Lehrer werden in der Regel jene, die als Schüler gern und erfolgreich in diesem oder jenen Fach lernten. Diese Erfahrung macht sie oft blind. Es fällt ihnen schwer, sich vorzustellen, dass es ihren Schüler keinen Spaß bereitet, beispielsweise ein mathematisches Problem zu lösen oder sich im Sport zu bewegen. Schnell nehmen sie ihre eigene Motivation und ihr eigenes Lernen als Grundlage auch für die wertende Rückmeldung - und frustrieren die Schüler. Stoff zum Nachdenken für die Lehrer.
"Wie muss ich meinen Unterricht, die Bewertungsphasen, die ich jeden Schüler gegenüber zeige im Unterricht, wie muss ich die gestalten, dass ich dem gerecht werden, dass ich manches von dem, was ich glaube, was gut funktioniert, nur bei einem Teil meiner Schüler gut funktioniert oder das Gegenteil bewirken kann."
Inzwischen hat die Unterrichtsforschung einige Mythen des Schulalltags als solche entlarvt. Beispielsweise zu glauben, dass allein der Einsatz von Stationen- oder Projektlernen bereits guter Unterricht sei. Oder zu erwarten, dass entdeckendes Lernen im offenen Unterricht den Erfolg garantiert.
"Wenn man im Detail hinguckt, merkt man, wenn man so vorgeht, dann profitieren zwar die Schüler, aber es profitieren vor allem die leistungsstarken Schüler davon und Schüler, die sich in Mathematik schwer tun, würden mehr davon profitieren, wenn der Lehrer anfängt zu mischen, also sein induktiven Elemente, wo Schüler etwas selbständig entdecken, mit den Elementen, in denen er Gesetzmäßigkeiten vorgibt und Übungen vorgibt und ihnen dann immer wieder zeigt, an vielen Beispielen, was da eigentlich dahinter steckt.
In seiner Scholastikstudie fand Andreas Helmke heraus, was optimal lernende Klassen brauchen: Methodenvielfalt und klare Struktur, Motivation und individuelle Unterstützung, ein soziales Klima und eine effiziente Klassenführung. Letzteres allerdings gilt in Deutschland häufig als undemokratisch und wird verpönt:
"Klassenführung heißt überall sonst, nur nicht bei uns, vor allem im angloamerikanischen Sprachraum, wie man durch geeignete Maßnahmen der Vorbeugung gar nicht dazu kommen lässt, dass der Unterricht gestört wird. Das heißt der Einsatz bestimmter Lernmechanismen, dadurch dass man rechtzeitig Regeln etabliert, wer wann was zu machen hat, über den Tafeldienst bis zum Klassensprecher bis hin zur Frage, ob man sich melden muss, wenn man auf die Toilette muss, ob man essen darf. Klassenführung heißt natürlich auch, wenn es mal zu Störungen kommt, dass die Störung dann unaufgeregt, undramatisch geregelt werden, durch ein diskretes Signal, durch ein Ritual. Das sind Dinge, die kann man lernen, die sind keine Zauberkunst. Die kann man lernen und trainieren."
Entsprechende Programme helfen den Lehrern, sich geschickt auch gegenüber aggressiven Schülern und Störern zu verhalten. Ziel sollte sein, jeden Schüler individuell zu fördern. Das betrifft vor allem auch Kinder aus Migrantenfamilien. Sie stellen heute mehr als ein Drittel der Schülerschaft in Deutschland. Was das allerdings für die Unterrichtsqualität bedeutet, ist bisher unerforscht. Zum ersten Mal in deutschen Sprachraum untersucht Andreas Helmke nun in Rheinland-Pfalz und Bremen, wie es den Grundschulunterricht beeinflusst, wenn Kinder mit verschiedenen Herkunftssprachen in einer Klasse lernen:
"Wir gehen in 60 Klassen der Frage nach, welche Rolle die Lehrer- Schüler-Interaktionen für den Lernzuwachs spielen in Mathematik und in Deutsch und dabei berücksichtigen wir besonders die Frage, ob Migrantinnen sich im Unterricht anders verhalten, ob sie vielleicht mehr oder andere Fragen hatten. Ich denke, diese Art von Forschung brauchen wir erst mal, um eine Art Standortbestimmung zu haben. Wenn wir die haben, müssen wir versuchen, spezielle auf die Migranten abgestimmte, individualisierende Unterrichtsmaßnahmen zu erproben. Beispielsweise, dass es klug und geschickt wäre, wenn man etwa im Unterricht der Grundschule, die Identität Migranten als Türken oder Russischsprechende oder albanisch sprechende Personen viel mehr zum Gegenstand machen sollte, Stichwort Zweitsprachendidaktik. Aber wie man das macht, dazu gibt es bisher noch relativ wenig empirisch fundierte Forschung in Deutschland.