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Professionelle Fact-Checker setzen auf Maschinen
Das Überprüfen von Fakten soll einfacher werden

Journalisten und professionelle Fact-Checker setzen zunehmend auf technische Hilfsmittel, um gegen die Verbreitung von Falschnachrichten anzugehen. Maschinen helfen dabei, Aussagen in sozialen Netzwerken und Online-Nachrichten auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Die können bisher allerdings nur einfachen Fakten-Check übernehmen. Komplexere Zusammenhänge sind noch nicht überprüfbar.

Von Benjamin Bathke | 24.04.2017
    Schriftzug Fake News mit At-Zeichen auf gestapelten Zeitungen.
    Fakten müssen mit spezieller Software überprüft werden (imago / Christian Ohde)
    Als Medienkonsument ist es heutzutage schwierig, angesichts der Fülle von Informationen einerseits und der rasanten Verbreitung von Falschnachrichten andererseits Fakten und Fiktion zu unterscheiden. Doch eine Reihe neuer technischer Hilfsmittel und Maschinen versprechen, das Überprüfen von Fakten zu vereinfachen. Zum Beispiel mithilfe von Amazon Echo. Die mit Mikrofonen ausgestattete Box steht im Raum und reagiert mit dem Ruf "Alexa” zum Beispiel auf Fragen, wie Bill Adair demonstriert, Gründer der US-Fact-Checking Organisation PolitiFact. "Alexa, frag die Fact-Checker: War die Menschenmenge im Januar die größte, die jemals eine Amtseinführung miterlebt hat?” "Das Urteil von PolitiFact über die Aussage von Pressesprecher Sean Spicer: An den Haaren herbeigezogen.”
    Journalisten füttern Datenbanken mit Fakten
    Die Amazon Echo App ist eine Anwendung von "Share the Facts”, einer an der Duke University im US-Bundesstaat North Carolina von Adair mitentwickelten Faktendatenbank. ‘Gefüttert’ von Journalisten der Washington Post, PolitiFact und anderen Organisationen, erlaubt es "Share the Facts”- Nutzern zudem, in den Suchergebnissen von Google News als verifiziert gekennzeichnete Meldungen zu teilen - und zwar mithilfe einer Browser-Erweiterung auf Twitter und Facebook. Das Ziel: Seriöse Nachrichten möglichst breit streuen und damit ein Gegengewicht zu Falschmeldungen schaffen. Doch die automatisierte Überprüfung von Behauptungen gestaltet sich im Alltag oft schwierig, was die Verbreitung und Akzeptanz verlangsamen dürfte. Laut Mevan Babakar von der britischen Organisation Full Fact ist vor allem der Mangel an verfügbaren Daten ein großes Hindernis. "Einfache Aussagen wie die, dass die USA 320 Millionen Einwohner haben, lassen sich leicht überprüfen und mit Nutzern teilen. Aber bei komplexeren Behauptungen sind oft mehrere Datensätze nötig, die nur miteinander kombiniert Sinn ergeben. Bereits das Fehlen einer einzigen entscheidenden Information kann den ganzen Datensatz bedeutungslos machen.”
    Fakt-Checking steckt noch in den Kinderschuhen
    Automatisches Fact-Checking ist an vielen Fronten auf dem Vormarsch. Mit iCheck kann man beispielsweise Behauptungen über die Abstimmungs-Historie von Gesetzgebern im US-Kongress überprüfen. Und Claimbuster erkennt Tatsachenbehauptungen in sehr langen Texten wie politischen Debatten, die Fact-Checker dann überprüfen können. Verifizierungs-Experte Adair hat beide Tools an US-Unis mitgestaltet. "ClaimBuster ist wie ein Roboter-Uni-Praktikant, der den ganzen Tag im Repräsentantenhaus sitzt, sich Reden anhört und Behauptungen notiert. Wir haben eine starke Korrelation zwischen den zu identifizierenden Aussagen von ClaimBuster und denen von menschlichen Fact-Checkern festgestellt.” Aber es sind nicht nur Technologiefirmen und Universitäten, die im Kampf gegen Fake News aufrüsten. Auch Medien wie der Bayerische Rundfunk versuchen, dem drohenden Verlust der Deutungshoheit des Journalismus mit Fact-Checking entgegenzuwirken: Die Browser-Erweiterung "Fact Fox" hilft Redakteuren des BR, fraglichen Kommentaren auf sozialen Netzwerken "maßgeschneiderte und aktuelle” Fakten entgegenzuhalten.Trotz großer Fortschritte und deutlich mehr Fördermitteln seit dem Aufkommen der "Fake News”-Debatte steckt das automatisierte Fact-Checking noch in den Kinderschuhen. Und es gibt viele Vorbehalte und offene Fragen, zum Beispiel die Kritik, dass das von Facebook geforderte stärkere Kuratieren von Nachrichten eine Einschränkung der freien Meinungsäußerung sei. Aber damit Fakten die Oberhand behalten, seien Maschinen unverzichtbar, sagt Fact-Checker Alexios Mantzarlis vom US-Amerikanischen Poynter Institut.
    Wissenschaftler arbeiten mit Hochdruck an Fakt-Checking-Software
    "Um Fact-Checking einen Vorteil gegenüber Falschnachrichten zu verschaffen, ist Technologie von elementarer Bedeutung. Denn Fake News verbreiten sich viel schneller und bieten einen höheren finanziellen Anreiz. Also müssen wir technologische Lösungen finden, die Fact-Checking beschleunigen und dessen Reichweite vergrößern.” Dass es bei der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine beim Fact-Checking noch viel Luft nach oben gibt, zum Beispiel bei der Verarbeitung natürlicher Sprache, kann man auch an Amazon Echo erkennen. Als Bill Adair Alexa abermals fragt, ob die Zuschauermenge bei Trumps Amtseinführung die größte in der Geschichte war, dieses Mal anders formuliert, erkennt Alexa zwar, dass es sich um die Amtseinführung handelt. "Gossip Cop bewertete die Behauptung der New York Post, der kanadische Songwriter David Foster würde die musikalischen Aufführungen für Trumps Amtseinführung organisieren, als komplett falsch.” Aber: Alexa präsentiert einen anderen Fact-Check. "Alexa hat zwar das Wort Amtseinführung erkannt, aber die gleiche Frage wird von verschiedenen Nutzern natürlich ganz unterschiedlich formuliert. Um jedes Mal das bestmögliche Resultat zu erreichen, müssen wir die Einstellungen noch optimieren.”