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Professoren zur Untätigkeit gezwungen

Die Hälfte der Professoren in Deutschland kommt ihrer gesetzlichen Pflicht zu Forschung und Lehre nicht nach, so lautet ein Ergebnis des Buchs "Professor Untat". Dabei wollten viele Professoren gar nicht untätig, sein, so Co-Autor Uwe Kamenz - selbst Professor an der Fachhochschule Dortmund. Vielmehr zwinge mangelnde Finanzierung durch den Staat sie zu Nebentätigkeiten, um ihre Forschung zu finanzieren.

Moderation: Jörg Biesler |
    Jörg Biesler: "Professor Untat" ist der Titel eines Buches, das hart ins Gericht geht mit den Professoren. "Was faul ist hinter den Hochschulkulissen" ist der Untertitel, und Professor Uwe Kamenz, Wirtschaftswissenschaftler der Fachhochschule Dortmund, ist einer der Autoren. Guten Tag Herr Kamenz!

    Kamenz: Schönen guten Tag Herr Biesler!

    Biesler: Was ist faul hinter den Hochschulkulissen?

    Uwe Kamenz: Der größte Faulheitskoeffizient ist quasi, dass die Hälfte der Professoren ihrer gesetzlichen Pflicht nach Forschung und Lehre nicht nachkommt.

    Biesler: Wenn Sie sagen die Hälfte, wie haben Sie das ermittelt?

    Kamenz: Wir haben einen kleinen Teil der betriebswirtschaftlichen Professoren genommen, dort mal eine Vollerhebung gemacht und dann auf alle Professoren hochgerechnet.

    Biesler: Aber es sieht bei den Wissenschaftlern, die sich mit Kunstgeschichte oder Geschichte beschäftigen oder vielleicht Germanisten sind, wahrscheinlich ein bisschen anders aus als bei Betriebswirtschaftlern, oder?

    Kamenz: Das ist völlig richtig. Also mit Sicherheit wird es dort Unterschiede geben, und deshalb ist ja auch unser Vorschlag, dass wir im Internet ein Portal aufbauen und alle Leistungen in Forschung und Lehre publizieren. Dann hätten wir innerhalb von einigen wenigen Tagen die genaue Übersicht, wer ist tätig, untätig, und wer ist sogar faul.

    Biesler: Was die Publikationen angeht, zum Beispiel?

    Kamenz: Publikationen, weil im Prinzip ja über das Internet jede Publikation zu erfassen ist heutzutage. Und auch jede Hochschule veröffentlicht ein Vorlesungsverzeichnis, so dass man zumindest weiß, was offiziell gelehrt wird.

    Biesler: Sie haben im Vorfeld dieses Sachbuches, des Erscheinens, eine Stellenanzeige aufgegeben, um die deutschen Professoren sozusagen mal zu locken mit einem attraktiven Angebot. Was haben Sie da genau angeboten?

    Kamenz: Ja, es wurde angeboten, eben von einem größeren Konzern, zwei bis drei Tage in der Woche wurde um Unterstützung gebeten im Bereich quasi Beratung eines Unternehmens. Und darauf haben sich ja über 40 Professoren gemeldet. Die Besonderheit war natürlich in der Annonce diese zwei bis drei Tage pro Woche, weil jeder Professor weiß, dass er nur einen Tag pro Woche nebentätig sein darf.

    Biesler: Das sind ja Zustände, die jeder Akademiker auch schon mal miterlebt hat, also dass die Professoren vielleicht nicht immer da sind, wenn man sie mal braucht, und dass sie die Arbeiten nicht so betreuen, wie man sich das wünscht und wie es auch sinnvoll wäre. Die Kontrolle der Professoren ist ja einfach auch schwierig, weil sie frei lehren und forschen sollen. Was ist denn sozusagen der Mehrwert Ihres Buches jetzt? Das war ja vorher auch schon bekannt.

    Kamenz: Richtig, gerade die Untaten waren sehr bekannt. Dass die Untätigkeit so intensiv ist, nämlich die Hälfte der Professoren, diese Zahl wurde bisher noch nicht publiziert, auch die Hintergründe, warum das so ist, weil nicht jeder untätige Professor ist es freiwillig, sondern man zwingt ihn zu dieser Untätigkeit. Und es wird natürlich Zeit, dass die Öffentlichkeit sich darum bemüht, dass sich da etwas ändert.

    Biesler: Wieso werden die Professoren zur Untätigkeit gezwungen?

    Kamenz: Letztendlich weil der Staat kein Geld hat - das ist erstmal der Hauptpunkt - und weil nach unserer Meinung, nach der Recherche in diesem Buch, auch die untätigen Professoren in den Gremien die Mehrheit haben. Das heißt, derjenige, der tätig ist und der tätig sein will, kann sich gar nicht durchsetzen in diesem System.

    Biesler: Aber in dieser komplexen Situation, also dass auf der einen Seite wenig Geld da ist von den Ländern, um die Forschung zu finanzieren, auf der anderen Seite es aber auch sehr verhaltene Professoren gibt, was die Forschung angeht, muss man da nicht viel differenzierter draufschauen, als Sie das jetzt mit Ihrem Buch tun?

    Kamenz: Ja, selbstverständlich muss man sehr differenziert draufschauen, und das ist ja auch das, was wir wünschen. Also wir möchten ja auch gerade mit Hilfe der Öffentlichkeit und des Internets, dass eben permanent jetzt draufgeschaut wird und dass Transparenz geschaffen wird und dass innerhalb von, ich sage mal, zwei, drei Monaten wir genau wissen, in welchem Fachbereich, in welcher Hochschule, in welchem Bundesland, welcher Professor macht was, und wie kann man ihm helfen.

    Biesler: Abschließend noch die Gretchenfrage: Wie ist es denn eigentlich bei Ihnen? Sie sind ja auch Fachhochschulprofessor in Dortmund, Lehrverpflichtung 18 Semesterwochenstunden, soweit ich weiß, außerdem Honorarprofessor in der Schweiz und wissenschaftlicher Direktor des Marketingportals Profnet, schreiben nebenbei auch noch so ein Buch wie "Professor Untat", auch jetzt keine wissenschaftliche Tätigkeit. Wie kriegen Sie das hin, nicht mehr als acht Stunden in der Woche nebenberuflich tätig zu sein?

    Kamenz: Also ich muss gestehen, dass ich im Augenblick überhaupt keiner Nebentätigkeit nachgehe, weil nach meiner Meinung ist dieses Buch Forschungsfinanzierung und gehört zu meiner Forschungsarbeit. Weil der Staat uns ja in unserer Forschung an den Fachhochschulen nicht unterstützt, obwohl wir den gesetzlichen Auftrag zur Forschung haben, müssen wir selber kreativ eben für Einnahmen sorgen. Und wenn ich das tue, dann ist es für mich eine Forschungsleistung. Aber das werde ich mit Sicherheit dann im nächsten Jahr im Januar mit der Verwaltung klären müssen, was jetzt eine Nebentätigkeit ist. Da gibt es bestimmt dann eine Auseinandersetzung. Ansonsten ist das nur deshalb unter einen Hut zu bringen, weil ich eben mehr als 40 Stunden die Woche arbeite.

    Biesler: Aber auch wenn Sie mehr arbeiten, dürfen Sie nicht mehr als acht Stunden Nebentätigkeit ausüben.

    Kamenz: Das ist völlig richtig, und deswegen könnte man das jetzt so sagen, dass ich das nicht tue. Natürlich ist es so, wenn jetzt, ich sage mal, dieses Buch und vor allen Dingen die Pressegeschichten drum herum als Nebentätigkeit ausgelegt werden, dann habe ich im Augenblick mehr als acht Stunden Nebentätigkeit. Das ist völlig richtig.

    Biesler: Das ist ein Risiko, das Sie eingegangen sind, um Geld für Ihre Forschung zusammenzubekommen?

    Kamenz: Das ist mit Sicherheit ein Risiko, was ich auch sehr einfach eingehen kann. Weil wir dürfen natürlich nicht vergessen, dass jede Art von Publikation durch das Grundgesetz geschützt ist, und von daher käme keine Verwaltung mit dieser Überlegung, das wäre eine Nebentätigkeit, durch. Also so gesehen, schützt uns Professoren in Deutschland zumindest immer das Grundgesetz.