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Profit retten

Der Größte sein, Wettbewerber klein halten - das gilt als das Mantra vieler Unternehmer, und das hört sich ja auch erstmal vernünftig an. Dem widerspricht aber ein Dreierteam von Wirtschaftswissenschaftlern. Unternehmen müssten wegkommen von der Kultur der Aggressivität. Wer einen Preiskrieg anzettele, der vernichte mögliche Gewinne im gesamten Marktsegment auf Jahre. Das Gegenprogramm hat Philipp Krohn gelesen und befunden: Es ist nicht nur für Unternehmer lesenswert.

    Wer Unternehmen gegenüber kritisch eingestellt ist, wird wohl kaum glauben, dass man sie an ihr Gewinnziel erst erinnern muss. Das aber behaupten mit Nachdruck die Autoren, alle drei Mitarbeiter der Unternehmensberatung "Simon, Kucher und Partners". Gegen ruinösen Wettbewerb und den Zwang, die Kosten ins Uferlose zu drücken, setzen sie Messgrößen, die in manchen Kreisen eher einen negativen Klang haben: Rendite und Profit. Schon geringe Preiserhöhungen könnten mehr für den Gewinn bewirken als viele eingesparte Arbeitskräfte, so argumentieren sie. Was Manager wie Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann in Misskredit bringe - die Ausrichtung auf eine hohe Rendite, sei aber genau richtig, sagt Hermann Simon,
    Betriebswirtschafts-Professor und einer der drei Co-Autoren:

    "Ich habe den Eindruck, dass in Deutschland viele Leute, die auch öffentlich darüber reden, den Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn nicht kennen. Wenn man Umfragen macht, wie viel übrig bleibt von 100 Euro Umsatz, dann sagen die Leute: 25, 30, 35 Prozent - völlig unrealistisch. In Wirklichkeit ist die Nachsteuer-Umsatzrendite von Industrie-Unternehmen in Deutschland 3,2 Prozent und beim Handel weniger als ein Prozent. Es bleibt also nur ganz wenig übrig, um die Investitionen der Zukunft zu finanzieren."
    Und obwohl Deutschland im internationalen Vergleich mit Spitzenländern wie Dänemark und der Schweiz besonders schlecht abschneide, gelte ein Befund weltweit: Unternehmen orientierten sich zu stark am Marktanteil!

    Kagermann: "Die SAP ist Marktführer - bei weitem Marktführer in diesem Segment."
    Allzu häufig würden geringere Gewinne in Kauf genommen, um einen Wettbewerber zu attackieren, dem Marktanteile abgeknöpft werden sollen. Das Absatz-Volumen lasse sich leicht steigern, wenn den Kunden Rabatte angeboten würden. Doch zielführend sei das nicht, so die Analyse des Buchs: Derjenige, der Marktanteile abgibt, steht zwar öffentlich häufig als Verlierer da, hat dem Unternehmen aber unter Umständen Profit gerettet und es damit für die Zukunft gestärkt.

    Kagermann: "Dazu müssen Sie investieren. Und das tun wir, weil wir uns davon hohe Margen und Zusatzgeschäfte versprechen."
    Marktführerschaft an sich sei ein willkürliches Ziel und häufig nur mit Mühen aufrechtzuerhalten, die das Unternehmen von anderen wichtigen Zielen ablenken, argumentieren die Autoren. Hermann Simon:

    "Das kam Anfang der 70er Jahre auf. Die Lehre war: Hoher Marktanteil ist immer besser, weil die Kosten niedriger sind, weil man zusätzliche Vorteile etwa bei der Werbung hat. Deshalb sind viele Firmen darauf ausgegangen, den Marktanteil hochzutreiben, ohne ausreichend auf die Gewinne zu achten. Das ist in Business Schools, in Fallstudien gepredigt worden bis hin zu berühmten Managern wie Jack Welch, der sagte: Nur Nummer-1- oder Nummer-2-Positionen kommen für uns in Frage. Ich halte das für den größten Management-Irrtum der letzten 30 Jahre."
    Einen Irrtum, der nicht nur ärgerlich sei, sondern viele Firmen in den Ruin getrieben habe. Denn bei Rabattschlachten könne kein Marktteilnehmer gewinnen. Doch die drei Autoren bleiben nicht bei diesem Befund. Auf 220 mit vielen Fallbeispielen gefüllten Seiten entwickeln sie ein Gegenprogramm, wie Unternehmen überleben können, auch wenn sie kaum noch Innovationen schaffen. Vier Schritte schlagen sie dafür vor. Zunächst müssten Unternehmen lernen, dass Schadensbegrenzung oft sinnvoller ist als Aggression. So hat etwa der Internet-Dienstleister AOL Gewinne gerettet, indem er sich einer Preissenkung verweigert hat. Zwar hat er dadurch weniger Umsatz erzielt, der Profit sei dadurch aber weniger stark zurückgegangen, als wenn AOL den Konkurrenten gefolgt wäre.
    Im zweiten Schritt müssten die Unternehmen fähig sein, aus vorhandenen Zahlen Marktreaktionen abzuleiten, um eine Preisstrategie zu entwickeln. Detailliert beschreiben die Autoren Verfahren, wie Daten sinnvoll aufbereitet werden. Im dritten Schritt erläutern sie, wie das Preislevel genau an den Bedürfnissen der Kunden ausgerichtet werden kann. So gelang es einem US-amerikanischen Baseball-Verein, seinen Gewinn zu verbessern, indem er Ticketpreise genau auf seine vielen verschiedenen Kundengruppen zuschnitt. Zuletzt betonen sie, wie wichtig es ist, auch das Anreizsystem für Mitarbeiter der Vertriebsabteilung am Gewinn statt am Absatzvolumen auszurichten. Eine wichtige Lehre dabei: In der Regel sei es sinnvoller, den Preis stabil zu halten oder sogar zu erhöhen. Dafür müsse das Unternehmen aber sehr genau ermitteln, welche Bedürfnisse die Kunden hätten - zum Beispiel, ob sie bereit sind, für zusätzlichen Service auch etwas mehr zu bezahlen:

    "Unsere Empfehlung ist: Eher defensiv, friedlich statt aggressiv vorzugehen in der Hoffnung, dass man die Margen einigermaßen retten kann und sich nicht in diese ruinöse Spirale begibt. Sie können natürlich einen Preiskampf nicht generell vermeiden, weil Sie sich ihre Wettbewerber nicht aussuchen können. Es gibt in jedem Markt möglicherweise einen oder mehrere Verrückte, die ohne Rücksicht auf ihre eigenen Gewinne Preise kaputt machen, Margen ruinieren. Wenn es in einem Markt gar nicht anders geht, das sich nicht ändern lässt, dann sollte man sich vielleicht aus diesem Markt zurückziehen. Das ist die letzte Konsequenz, aber manchmal die richtige."
    Und so verteidigt Hermann Simon neben Josef Ackermann einen weiteren umstrittenen deutschen Manager.

    Kleinfeld: "Alle Bereiche sind profitabel - neun von elf Bereichen haben ihr Ergebnis gesteigert."
    Dass Siemens unter Klaus Kleinfeld unumstößlich auf Rendite setzt und sich von unprofitablen Bereichen wie der Handy-Sparte trenne, die später unter BenQ-Führung pleite ging, folge genau dem in dem Buch empfohlenen Vorgehen.

    Kleinfeld: "Unser Ziel war dabei, nachhaltig profitabel wachsen."
    "Der gewinnorientierte Manager” ist didaktisch aufgebaut wie ein Lehrbuch und trotzdem gut zu lesen wie ein spannendes Sachbuch. Die zahllosen Fallbeispiele aus der jahrelangen Beratertätigkeit der Autoren veranschaulichen ihr Programm, das weit über lose aneinandergereihte Management-Lehrsprüche hinausgeht. So warnen die Verfasser auch davor, sich einige Rosinen aus dem Programm - wie etwa die Preiserhöhungen - herauszupicken, ohne die Datenanalyse einzusetzen oder die Vertriebsmitarbeiter nach Gewinn zu belohnen. Auch wenn einige Übel des Management-Jargons nicht umschifft werden konnten und der Band manchmal wie eine Sammlung der heroischen Erfolge der Beratungsfirma wirkt, lohnt sich die Lektüre - und das nicht nur für Manager. Die vielen Beispiele aus so unterschiedlichen Branchen wie den Medien, der Unterhaltungs-Elektronik, Industrie und Dienstleistungen machen es auch lesenswert für den Leser, der am unternehmerischen Alltag interessiert ist - und der mehr über Wirtschaft erfahren will, als durch die tägliche Lektüre der Tageszeitung möglich wäre.

    "Hidden Champions" hieß das Buch, mit dem Hermann Simon vor rund zehn Jahren die Strategie der 500 weltbesten, aber unbekannten Unternehmen untersuchte. Jetzt haben er und zwei Kollegen nachgelegt: "Der gewinnorientierte Manager" heißt das Buch, im Untertitel: Abschied vom Marktanteilsdenken.
    Campus Verlag, 222 Seiten, 39,90 Euro.