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Profit und Pietät

In düsteren Schaufenstern posieren schwere Eichenholzsärge hinter vergilbten Gardinen. Wenig einladend, und trotzdem kann die Bestattungswirtschaft auf goldene Zeiten zurückblicken - denn der Tod unterliegt nun mal weder Konjunkturschwankungen noch Währungsturbulenzen. Spätestens seitdem das Sterbegeld gestrichen und der Friedhofszwang vielerorts aufgehoben wurde, geht es der Branche jedoch an den Kragen.

Von Karin Lamsfuß | 20.11.2005
    O-Ton Georg: " Das Sterben von meinem Vater war mit so die besonderste Zeit in meinem Leben muss ich schon sagen, weil er hatte halt Krebs, und es hat von der Diagnose bis zum Sterben hat das 8 Monate gedauert, und das war halt eine sehr intensive Zeit des Kämpfens, des Abschiednehmens und des Sterbens, und ich habe aber auch irgendwie bei allem Trauern und bei allem sicherlich noch heute traurigen Gefühl auch schöne Erinnerungen daran, weil wir eben Zeit hatten, uns zu verabschieden. "

    Gut 800.000 Menschen sterben jährlich in Deutschland, und jedes Mal öffnet sich die Tür zu einem der rund 4000 deutschen Bestattungsunternehmen.

    Finster, verschlossen. Im Fenster ein wuchtiger Eichenholzsarg und ein vergilbtes Trockenblumengesteck. Ein verstohlener Blick durch die verschlossenen Lamellenvorhänge erlaubt einen zaghaften Blick ins Innere: Linoleumfußboden Typ 1950, fahles Licht, tief in der Ecke ein verlassener Schreibtisch.

    Georg: " Ich bin mir gar nicht sicher, ob es zu der Zeit, als mein Vater starb, ein zweites Unternehmen gab, aber in meinem Kopf hatte dieses Unternehmen eine Monopolstellung. Also ich hätte jetzt keine Lust gehabt, da noch Nachbarorte anzurufen und hinzufahren, um noch irgendwie was zu unterscheiden, es war einfach so, dass man da hingeht, und so ist es nun mal! "

    Grund zur Gelassenheit in der Branche, denn das Geschäft mit dem Tod ist ein krisensicheres: unabhängig von Konjunkturschwankungen und Währungsturbulenzen. Jahrzehntelang, so der Bestattungs-Unternehmensberater Erasmus A. Baumeister, war den "Gehilfen des Todes" der Eintritt ins Paradies vergönnt – zumindest betriebswirtschaftlich gesehen:

    " Jedes dieser Unternehmen hatte in der Regel einen Einzugsbereich – der eine war mehr für die katholisch hochwertige Bestattung zuständig, der andere mehr für die preiswerteren, man hat sich diese Stadtteile aufgeteilt, die Bestatter konnten 50 Jahre lang in ihrem Unternehmen sitzen und warten, dass die Sterbefälle kamen. Sie sind gekommen! Es war so gut wie keine Werbung notwendig, und es gab auch keinen harten Wettbewerb. Man mochte sich nie, aber die Situation war relativ entspannt. "

    Der Kunde im Trauer- und Schockzustand ist unkritisch, dankbar für alles, was man ihm in dieser schwierigen Zeit zur Unterstützung angedeihen lässt. Er hat keine Ansprüche, stellt keine Vergleiche an. Er fragt nicht nach Preisen – obwohl die Unterschiede enorm sind: Rund 2.000 Euro kostet die einfachste Bestattung, 13.000 und mehr die luxuriöseste. Der Kunde aber fragt nicht, ob die Konkurrenz es vielleicht etwas billiger machen würde, er wagt es nicht und er versucht auch nicht zu handeln. Das verbieten einfach die Umstände.

    Georg: " Es ist ein typischer Fall von "das ist das Mindeste, was man machen muss" sagt man ja immer so. Und da will man sich ja auch nicht lumpen lassen, denn er hat’s ja verdient, und die ganze Zeit haben wir von seinem Geld profitiert, und jetzt soll’s daran nicht scheitern – alles so Klischees, die aber irgendwie auch ihre Berechtigung haben, weil man das vielleicht auch so empfindet. Es war tatsächlich so, dass wir a nicht genau geguckt haben, um Geld zu sparen. "

    Doch irgendwann, vielleicht vor zehn Jahren, wurden auch die Bestatter eingeholt von unerbittlichen Marktgesetzen beziehungsweise überholt von der nächsten Generation: Junge, innovative und oftmals studierte Söhne rückten nach, die mit Marketinginstrumenten umgehen konnten – ganz im Gegensatz zu ihren konservativen Vätern. Gleichzeitig begannen die Trauernden zu knausern und gaben für eine Bestattung im Schnitt weniger aus: Nach Umfragen der Verbraucherinitiative Aeternitas waren es im Jahr 2000 noch rund 7500 Euro, im Jahr 2004 hingegen nur 5800 Euro.

    Der Sargzwang fiel in einigen Bundesländern, was gerade Muslimen erlaubte, nach ihrem religiösen Ritus zu bestatten: den Toten nur in einem Tuch zu beerdigen. Das Sterbegeld wurde erst gekürzt und dann komplett gestrichen, und zu guter Letzt drängten Billigwettbewerber aus Osteuropa auf den Markt. Höchste Zeit, um endlich aus dem Dornröschenschlaf zu erwachen, findet der Unternehmensberater:

    " Es gibt einige, die die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt haben, dass es eben einen Wettbewerb gibt, der bis dahin so gut wie unbekannt war, und es gibt einige, die jetzt nicht mal langsam erkennen, dass ein Bestatter werben darf, werben muss, sich präsentieren muss und sein breites Leistungsspektrum den Menschen präsentieren muss; diejenigen, die das nicht begreifen, sind mit Sicherheit bald weg vom Fenster, und in den letzten zwei, drei Jahren gab es durchaus Bestattungsunternehmen, die Insolvenz anmelden mussten, was es bis dahin eigentlich nicht gab. "

    Im Geschäft mit dem Tod sind die Bestatter immer die ersten mit Kundenkontakt. Zwar verteilen sich die Umsätze von jährlich etwa elf Milliarden Euro zu gleichen Teilen auf Bestatter, Steinmetze, Friedhofsgärtner und Friedhofsverwaltungen, doch der Bestatter arbeitet an vorderster Front: niemand ist so nah am Kunden, niemand ist – sollte etwas schief gehen – so harscher Kritik ausgesetzt. Er ist erster Anlaufpunkt, Begleiter, Koordinator und Lotse durch die nachfolgenden Wochen. Grund genug, sich ihn sorgfältig auszuwählen.

    Das aber macht kaum jemand. Bestatterwahl ist häufig ein Zufallsprodukt . Also setzt der geschäftstüchtige Unternehmer alles daran, Menschen zu motivieren, bereits in guten Zeiten einen Fuß über die gefürchtete Schwelle zu setzen.

    Müschenborn: " Also man kommt rein, man kommt dann in diesen Bereich, den man in der Wirtschaftssprache "niedrigschwellig" nennen würde: vorne der Bereich ist einfach, dass man sich Bücher ausleihen kann, dass man Bücher kaufen kann, dass man Karten mitnehmen kann, ohne in Berührung mit einem konkreten Bestattungsgegenstand zu kommen, also sozusagen erst mal die Schwelle zu übertreten, aber nicht Angst davor zu haben, sondern den Eindruck zu haben: ich könnte jetzt hier auch in der Buchhandlung sein; es gab auch Leute, die wollten hier Möbel kaufen, es gab auch welche, die wollten sich hier Dauerwellen legen lassen, bis sich dann so herauskristallisierte, was sie hier erwarten wird.

    Bestatter Brian Müschenborn glaubt, die Zeichen der Zeit verstanden zu haben. Sein Unternehmen ist farbenfroh, hell, freundlich und offen.
    Er lädt ein zu Vernissagen und Lesungen in seinen Geschäftsräumen. Mit dem Erfolg, dass ihn ein Drittel seiner Kunden bereits "in guten Zeiten" kennen lernten.
    Brian Müschenborn gehört zu der neuen Bestattergeneration. Der studierte katholische Theologe und ausgebildete Trauerbegleiter hat bei der Aidshilfe und auf Krebsstationen gearbeitet und sieht seine Hauptaufgabe darin, den Angehörigen stärkend zur Seite zu stehen:

    " Da ist ja so viel Schwere und Traurigkeit drin: man hat einen Menschen lange gepflegt, der ist jetzt nach zwölf Monaten gestorben, dann war man dabei, als der gestorben ist. Wir war das, als ich jetzt seine Hände gehalten hab? Wie war das, als ich auf einmal gesehen hab auf dem Monitor das Herz hört auf zu schlagen? Wie war das, als ich jetzt wusste, nach zwölf Monaten der intensiven Pflege: Der wird seine Augen nicht mehr aufmachen? Also, all diese Sachen erst mal ins Wort zu bringen, das ist erst mal so ein ganz wichtiger Teil für uns. "

    Der konventionelle Bestatter wird dem Trauernden in kürzester Zeit unzählige Entscheidungen abverlangen: Welches Sargmodell darf es sein? Der preiswerte Kiefernholzsarg für 300 Euro oder lieber doch die schwere, geschnitzte Eiche für das Zwanzigfache? Er zückt dicke Kladden, führt die einzelnen Modelle vor. Wie Teppichmuster. Trauerbrief mit schwarzen Rand oder lieber mit floralem Design? Reihengrab, Gemeinschaftsgrab, Urnengrab?

    Dabei wartet die Bestattungsindustrie mit noch weitaus mehr Kuriositäten auf: Darf es vielleicht ein Raumflug sein für die Urne oder den Liebsten doch eher als gepressten Diamanten? Und dann hätten wie noch das "Eternal Reef": Die Bio Urne verrottet in einem "ewigen Felsriff".

    Diese "Eventbestattungen" sind sicherlich medienwirksam, bringen die Branche ins Gespräch, haben aber einen schwindend geringen Anteil in Deutschland, wo sich die meisten immer noch eine konventionelle Erdbestattung wünschen.
    Brian Müschenborn ist froh, wenn die Entscheidungen rund um die "Hardware" – wie er Sarg & Co nennt – zügig abgehakt sind und er sich gemeinsam mit den Angehörigen den eigentlichen Fragen widmen kann.

    " Und dann gucken wir: was brauchen die Angehörigen? Wollen sie sich noch mal verabschieden? Wollen sie den Toten mit versorgen? Wollen sie ihn mit einkleiden? Wo wollen sie mitgestalten, und wo haben sie die eigenen Kräfte und Ressourcen, etwas mitzutun? "

    Der Bestatter als psychologischer Trauerhelfer - eine lukrative Marktnische, die einst Domäne der Kirche war. Doch ihr Monopol bröckelt. Trauergruppe, Trauerchat, Trauerreisen, all das sind Zusatzangebote, die zunehmend das Leistungsspektrum des konkurrenzfähigen Bestatters von morgen ausmachen. Andere Kollegen bilden sich in Rechts- und Vorsorgefragen weiter, wieder andere in "Thanatologie", der Kunst Unfallfolgen zu retuschieren.

    Für den Unternehmensberater Erasmus A. Baumeister allesamt effektive Instrumente, um den Umsatz pro Sterbefall zu steigern.

    "Der Bestatter kann keinen Bedarf wecken. Egal wie nett er ist, wie gut seine Preise sind, wie schön sein Ladenlokal ist: Er kann nicht wie eine Boutique, die einen modischen Artikel hat, eine Nachfrage wecken, und das macht die Sache natürlich sehr anders zu den meisten Branchen. Der Bestatter ist nicht der Totengräber und der Sargtischler, der er früher mal war und wo er herkommt. Der Bestatter ist ein moderner, vielfältiger Dienstleister. Er hat ein riesiges Spektrum, was keiner weiß. "

    Sind mit dem Kunden alle Wünsche geklärt, beginnt die Bestattungsmaschinerie unaufhaltsam zu rattern: Der Bestatter wird den Tod beim Standesamt beurkunden lassen, den Verstorbenen bei Versicherungen abmelden, den Erbschein beantragen und Kontakt zum Pfarrer wegen des Kondolenzbesuchs aufnehmen. Er bestellt Blumengebinde beim Floristen, einen Tisch in einer Gaststätte, koordiniert Termine von Druckerei, Trauerredner, Friedhofsverwaltung und Pfarrer.

    Die Branche kränkelt ein wenig daran, dass ihr oft unterstellt wird, sie profitiere schamlos vom Leid der Menschen. Mangelnde Transparenz ist der häufigste Vorwurf. Und das nicht ganz grundlos, wie Renate Nixdorf bestätigt von "Aeternitas" - der Verbraucherinitiative für Bestattungskultur:

    "Man war überrascht über Rechnungen, die man bekommen hat, da fehlten im Vorhinein die Mehrwertsteuer, man hatte keine Kostenvoranschläge, um das überhaupt zu vergleichen, da waren Positionen, die scheinbar nie abgesprochen waren, aufgeführt, so dass wir gesagt haben: Das kann’s ja nicht sein, die Verbraucher müssen wissen, wie ist ungefähr die Hausnummer einer Bestattung, kann ich das vergleichen? Ist diese Transparenz gegeben, und was können wir tun, um das zu verbessern. "

    Bestattungsunternehmen sind meist kleine Familienbetriebe, oft über Generationen. Die Firma Ahorn-Grieneisen, die etwa 250 Filialen unterhält, ist mit ihren knapp 5 Prozent Marktanteil fast schon Gigant der Branche. Ein Börsengang ist in Planung.

    Die sonstige Datenlage ist äußerst dünn. Man geht nicht nach außen, arbeitet still und diskret vor sich hin. Um ein wenig Transparenz in die Welt der Pietät zu bringen, schickte Aeternitas Testkunden los, die bei fünfhundert Bestattungsinstituten Kostenvoranschläge einholten. - Der Tod im Warentest.

    "Ein Drittelder Bestatter hat generell nie Preise genannt. Es hieß immer "kommen Sie mal zu uns, wir erledigen das für Sie, es geht schon alles so in Ordnung." Ein weiteres Drittel hat gesagt "der Sarg kostet bei uns 3000 und alles andere ist nicht so viel. So dass ich auch nicht über die Gesamtsumme Bescheid wusste. Und ein weiteres Drittel ist heute auch noch sehr vorbildlich, war damals auch sehr vorbildlich, und hat gesagt: diese Einzelleistung biete ich an, zu diesen und diesen Preisen, und dazu bekommen Sie auch einen schriftlichen Kostenvoranschlag, den nehmen Sie mit, da können Sie noch mal drüber nachdenken, und so machen wir’s dann. "

    Das goldenen Geschäft mit der Pietät. Egal ob Bestattungsleistung oder Grabpflege: In allen Branchen findet sich ein starkes Süd-Nord und West-Ost -Gefälle. Gleiche Leistung kann je nach Wohnort das Dreifache kosten, fand auch die Stiftung Warentest heraus. Friedhöfe halten an ihrem Monopol fest und gestalten ihre Preise nach eigenem Gutdünken: Während z.B. in Köln die Gebühren für ein Erdgrab für die gesamte Laufzeit über 2000 Euro betragen, sind es im gerade mal 50 km entfernten Düren nur 1000. Die Gründe dafür sind unklar.

    Was mag der Grund sein für so viel Verschleierung und so wenig Transparenz? Womöglich der Verbraucher, der sich selbst entmündigt, in dem er um das Thema einen großen Bogen macht?

    "Was wir immer hören, ist entweder dass die Kinder sagen zu ihren Eltern "ach, sollen wir nicht mal drüber reden, damit ich dann auch mal Bescheid weiß?" dann sagen die Eltern "ach, willste mich unter die Erde bringen so schnell? Wie kannste denn von dem Thema anfangen!" Oder umgekehrt dass die ältere Generation sagt: "lass uns mal hinsetzen und darüber reden, ich will das geregelt wissen, und die Kinder sagen "Hörmal, also so weit ist es ja noch lange nicht! "

    Bei der Versorgung des Leichnams ist für den Bestatter unter hygienischen Gesichtspunkten erst mal keine Eile geboten. Denn in Großstädten sterben 75 Prozent aller Menschen in Einrichtungen, die über entsprechende Kühlhäuser verfügen: Altenheime, Krankenhäuser, Hospize. Auch in Privaträumen kann der Verstorbene bis zu 36 Stunden bleiben, mit einer Ausnahmegenehmigung sogar bis zu 72.

    Georg: " Dann haben wir eine Zeitlang im Wechsel einfach am Totenbett gesessen, unmittelbar und kurz nach dem Tod haben wir auch mit allen drumgestanden und gebetet – man muss dazu sagen, dass wir eben auch eine gläubige Familie sind – was einen eben auch in solchen Situationen viel hilft, und dann sind wir irgendwann schlafen gegangen. Und am nächsten Morgen – vielleicht hat er eben dann noch 12 Stunden da gelegen – ist er eben abgeholt worden. "

    Der moderne Bestatter wird nun die Angehörigen ermutigen, den Verstorbenen zu verabschieden: ihm ein Gedicht vorzulesen, ihn zu bekreuzigen, zu ölen, zu salben. All diese Rituale, so glaubt die moderne Trauerforschung, helfen Struktur in die aus den Fugen geratene Wirklichkeit zu bringen.

    Nachdem sich die Familie verabschiedet hat, wird der Bestatter nun den Leichnam im Sarg mit dem Leichenwagen in das kommunale Kühlhaus oder in ein Krematorium überführen.

    "Dann haben alle noch mal den Verstorbenen bekreuzigt und haben ihm eine Blume in die Hand gegeben, dann wurde der Sarg geschlossen, und dann haben alle eine Kerze auf den Sarg gestellt, wir haben dort einen Text gelesen, und dann ist er aus dem Haus getragen worden, dann haben alle ein Spalier gebildet, dann ist er in das Auto gestellt worden, und alle haben ihn bis zur Straße begleitet und gewunken, und das war so dicht, das war viel schöner als alles andere, muss ich ganz ehrlich sagen, weil es einfach so eine persönliche, intime und dichte Atmosphäre war. "

    Diesen großartigen Aufwand können sich immer weniger Menschen leisten: In Zeiten von Hartz IV wird ein Drittel aller Bestattungen zum Minimaltarif von unter 2500 Euro durchgeführt: Feuerbestattung und von allem das Einfachste. Polen und Tschechien werben mit Discount-Bestattungen ab 888 Euro all inclusive, einschließlich Überführung. Nebst Vorbesichtigung und Imbiss.

    Finden sich gar keine zahlungskräftigen Angehörigen mehr, springt das Sozialamt ein und bestattet in der absoluten Sparversion von unter 1500 Euro im anonymen Urnengrab. Im Schnitt passiert das bereits in jedem siebten Todesfall, in Großstädten weitaus häufiger.

    Vom Tod bis zur Beisetzung vergehen im Schnitt sieben Tage. Die Fristen variieren je nach Bundesland. In der kommunalen Leichenhalle liegt der Verstorbene in einer so genannten "Totenzelle" bei einer vorgeschrieben Temperatur von höchstens 8 Grad. Der Bestatter wäscht den Toten, desinfiziert ihn, cremt und ölt ihn ein, damit sich die Hautporen schließen und die Fliegen darin keine Eier ablegen. Aus gleichem Grund wattiert er Nase und Rachenraum aus. Der Verstorbene wird eingekleidet und in den Sarg gelegt.

    Die 50 deutschen Sarghersteller sind ein weiteres Sorgenkind der Branche. Ihr Problem: der Anteil an Feuerbestattungen, für die stets das einfachste Sargmodell gewählt wird, liegt schon fast bei 50 Prozent und steigt stetig weiter. Hinzu kommt die unerbittliche Konkurrenz aus Osteuropa:

    "Es gibt Särge, die kommen aus Bulgarien, Rumänien, Weißrussland und inzwischen auch noch weiter. Also Usbekistan steht auch bald mit Särgen hier auf der Matte, ist auch kein Wunder: auch 3000 km in einem holprigen LKW übern Balkan lohnen sich für die Personalkosten, die man in der Gegend hat. Deswegen haben es die deutschen Sarghersteller sehr, sehr schwierig. "

    Die Zeit für die Angehörigen drängt, sich auf eine Grabsteininschrift zu einigen. Die wird – neben Modell, Material und Größe - an den Steinmetz übermittelt, der daraufhin seinen Rechner mit diesen Daten speist.

    "Was der Steinmetz heutzutage liefert, befriedigt ihn als Handwerker leider nicht mehr. Es sind Industriesteine, ein Großteil kommt aus Indien, wird in Seecontainern hier hingeschleppt und der Steinmetz meißelt dann nur noch den Namen rein – und selbst das noch nicht mal mehr: Es gibt immer mehr Grabsteinplotter und Roboter, die das automatisch machen. Man einen Entwurf am Rechner, das kann jeder, mit einer entsprechenden Software, der Grabstein liegt in diesem Plotter drin, und dann bbbrrrrt ist der Grabstein da drin. "

    Nur 60 Prozent aller Gräber haben überhaupt noch einen Grabstein. Fällt irgendwann mal der Meisterzwang bei den 5000 Steinmetzbetrieben, wird sich der Bestatter einen Plotter zulegen und auch diese Dienstleistung übernehmen.

    Am Tag der Bestattung werden die heutigen Vorschriften für ein "steriles Sterben" sehr deutlich: In den meisten Großstädten geht der Trend zu so genannten "Schnellverwesungsgräbern" oder "Turbogräbern", in denen nach zwölf Jahren nichts, aber auch gar nichts von einem Menschen mehr übrig ist. Allerdings haben diese Gräber auch einen Umweltaspekt, denn in vielen Gemeinden gibt es Friedhöfe auf ungeeigneten Böden, unvollständige Verwesung wird zunehmend zu einem Problem für die Grundwasserversorgung.

    Langfristig wird die Hälfte aller Friedhofsflächen überflüssig werden, so die Prognosen. Allein in Berlin, so die Schätzungen, werden in den nächsten Jahren 28 Friedhöfe dicht gemacht. Gelichtete Grabreihen machen Platz für Biergärten, Sportplätze und Parkanlagen oder werden zu Bauland erklärt.

    Gleichzeitig entwickeln sich neue Grabformen wie die Friedwälder, bei denen die Asche in die Wurzeln eines Baumes eingelassen wird. Oder sehr individuell gestaltete thematische Gemeinschaftsgräber wie der "Garten der Frauen" oder der "Garten der Jahreszeiten". Das jeweilige Thema soll – und das ist ein allgemeiner Trend – das Leben der Verstorbenen widerspiegeln. Allgemeine Individualisierungstendenzen finden sich also nicht nur im Leben, sondern auch im Tod wieder. Bestattungskultur verfällt also nicht, wie oft kritisiert wird, sie verändert sich gerade. Und stellt damit auch an ihre Dienstleister ganz neue Ansprüche.

    "Ich glaube, dass die Bestattungs-Hardware über früh oder lang selbst erworben werden kann, es ist einfach nur eine Frage der Zeit, wann sich jemand da ran traut, also einen Sarg-Discount zu eröffnen, sei es jetzt übertrieben vielleicht auch im Bauhaus oder bei Ikea einen Sarg kaufen zu können. Von Gesetzesseite gibt es keinen Grund, das nicht tun zu können, und ich glaube, wenn die Menschen das erst mal tun, dann werden sie nur noch von uns in Anspruch nehmen können, was Beratung und Unterstützung und Organisation ist, weil wir das Know-How haben, aber das wird sich in diese Richtung hineinentwickeln. "
    Überstürzte Fehlentscheidungen zwischen Tod und Beisetzung können nie mehr korrigiert werden. Auch deshalb wird das Kerngeschäft von morgen die Beratung sein. Weniger darüber, ob der Sarg nun aus Mahagoni oder schlichter Kiefer sein soll. Sondern darüber, welche Rituale der Einzelne braucht, um sich verabschieden zu können – in einer Gesellschaft, die angeblich das Trauern verlernt hat.

    Der Trend zur schnellen und anonymen Entsorgung ist natürlich ökonomisch katastrophal für die Bestattungsbranche, aber möglicherweise noch folgenschwerer für die Trauernden. Denn während es manchen reicht, den Verstorbenen "einfach nur im Herzen zu tragen", wünschen sich die meisten nach wie vor einen schönen Ort, an dem sie den Toten gut aufgehoben wissen.

    Georg: "Das Grab wir gehegt und gepflegt von meiner Mutter, es ist für sie ein festes Ritual geworden regelmäßig, jede Woche mehrmals, dahin zu fahren, sich aufzumachen und noch mal zu gucken, ob die Kerze brennt. Ich freue mich immer, wenn ich hingehen kann. Oder wenn mir meine Mutter erzählt hat, welche Blumen sie jetzt draufgestellt hat, ich soll sie mir doch jetzt mal angucken und so, doch ich freue mich, dann da zu sein und nutze diese Konzentration. Diese Konzentration der Nähe mit meinem Vater.