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Programm für EU-Ratspräsidentschaft
Portugal will Aufmerksamkeit auf Terror in Mosambik lenken

Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass islamistische Terroristen mittlerweile hunderttausende Menschen aus dem Norden Mosambiks vertrieben haben. Portugal will seiner ehemaligen Kolonie im Südosten Afrikas Unterstützung zusichern und sich dafür auch während seiner EU-Ratspräsidentschaft einsetzen.

Von Tilo Wagner | 31.12.2020
Portugals Staatspräsiden Marcelo Rebelo de Sousa (r) begrüßt den mosambikanischen Präsidenten Filipe Nyusi während seines Besuchs in Portugal am 2. Juli 2019
Portugals Staatspräsident Rebelo de Sousa begrüßt Mosambiks Präsident Filipe Nyusi in Lissabon im Juli 2019 (AFP/Patricia De Melo Moreira)
Einige Ziele, die der portugiesische Außenminister Augusto Santos Silva für die EU-Ratspräsidentschaft ausgibt, liegen nahe. So will Portugal eine europäische Impfstrategie zum Schutz gegen COVID-19 umsetzen. Zum anderen soll die Wirtschaftskrise der EU-Länder mit den Sondermitteln und dem Geld aus dem gemeinsamen Haushalt eingedämmt werden, die EU soll so außerdem grüner und digitaler werden.
In der Außen- und Sicherheitspolitik richtet Portugal seinen Blick auf die ehemalige portugiesische Kolonie Mosambik. In Cabo Delgado, im Nordosten des afrikanischen Landes, greift die Terrormiliz Islamischer Staat die Zivilbevölkerung immer wieder an.

Thema bereits mit EU-Außenbeauftragtem besprochen

Die mosambikanische Regierung hat die Europäische Union um militärische, logistische, humanitäre und entwicklungspolitische Unterstützung gebeten. Portugal wolle nun an einer konkreten Lösung für den Konflikt in Cabo Delgado "mitarbeiten", so diplomatisch-vorsichtig formuliert es Santos Silva in einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk:
"Die portugiesische Ratspräsidentschaft wird den Hohen Vertreter für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU hier unterstützen. Die Lage in Mosambik war das erste Thema, das ich mit dem Hohen Vertreter beim unserem ersten Treffen in Vorbereitung unsere EU-Ratspräsidentschaft besprochen habe", so Santos Silva.

Berichte über Massenmorde im Norden Mosambiks

Experten begrüßen diesen Schritt. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Inês Vilela war bis vor zwei Jahren in der nordmosambikanischen Provinzhauptstadt Pemba, um dort zu forschen. Schon 2018 seien Spannungen im Landesinneren spürbar gewesen.
"Der Konflikt schien zunächst vor allem eine wirtschaftliche Komponente zu haben mit viel Unmut über die soziale Lage in der Region. Teilweise scheinen wohl auch ethnische Fragen eine Rolle gespielt zu haben. Wie auch immer der Konflikt begann, die Religion wurde dann missbraucht, um das Gefühl von Unzufriedenheit in der Bevölkerung über fehlende Jobs und soziale Probleme zu kanalisieren. Die Lage wurde immer instabiler", sagt Vilela.

Portugal will militärisch helfen

Muslime sind in der Region in der Mehrheit. Laut Medienberichten haben islamistische Terroristen seit 2019 in den Moscheen Kämpfer rekrutiert. Meldungen über Massenmorde, Enthauptungen und anderen Gräueltaten werden häufiger. Die Vereinten Nationen schätzen, dass bereits über 350.000 Menschen geflohen sind.
Der portugiesische Außenminister Santos Silva betont, dass eine Antwort auf den Konflikt auch auf afrikanischer und internationaler Ebene gesucht werde. Die EU jedoch könnte aus seiner Sicht in den kommenden sechs Monaten der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft von den engen Beziehungen profitieren, die Lissabon immer noch zu seiner ehemaligen Kolonie in Afrika unterhält.

Aus Mosambik lernen für andere Krisenregionen?

"Der portugiesische Verteidigungsminister hat Mitte Dezember bei einem Treffen mit dem mosambikanischen Verteidigungsminister in Maputo eine neue Vereinbarung geschlossen: Portugal wird noch mehr in die Ausbildung und Ausrüstung mosambikanischer Truppen investieren", sagt Santos Silva.
Eine Priorität ist es, die Sicherheit der Bevölkerung zu garantieren. Inês Vilela hofft jedoch auch auf wirksame Entwicklungshilfe in den betroffen Gebieten. Aus Sicht der portugiesische Expertin könnte Mosambik in Ostafrika sogar zum Modell für ein erfolgreiches Vorgehen gegen den islamistischen Terror werden:
"Wenn wir eine strukturierte Intervention in Mosambik vorbereiten – professionell organisiert mit einer entwicklungspolitischen und einer militärischen Komponente – dann kann das auch ein wichtiger Teil des Lernprozesses sein. Wir werden Erfahrungen mit neuen Strategien sammeln, die wir in anderen Fällen anwenden können. Mosambik ist anderen Regionen sehr ähnlich, die von islamistischen Terroristen offenbar bewusst ausgesucht werden", sagt die Wissenschaftlerin.
Eine allerdings sehr optimistische Einschätzung. Wenn es Portugal gelingt, diesen Konflikt auf der EU-Agenda nach vorne zu bringen, wäre schon damit ein Ziel erreicht.