Dienstag, 19. März 2024

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Projekt "A global mess"
Punk-Inspiration aus Asien

Für ihr Film- und Buchprojekt "A global mess" sind der Musikmanager Felix Bundschuh und die Journalistin Diana Ringelsiep durch Südostasien gereist – um Subkulturen des Punk zu entdecken. Dabei stellten sie fest: In Malaysia, Indonesien oder Thailand hat Punk wenig mit der Parole "no future" zu tun.

Von Thomas Elbern | 28.06.2019
Jugendliche Punks in Myanmar.
Punk gehört in vielen Teilen Südostasiens zur lebendigen Subkultur. (dpa/ EPA/Nyein Chan Naing)
Punkrock – das war der Inbegriff von Nonkonformität und Unangepasstsein – jedenfalls in den Endsiebzigern. Doch Punk ist längst in Europa als Alternativkultur angekommen und heute in seiner Urform eher ein Ding für die Ewiggestrigen.
In Südostasien scheint die Situation eine andere zu sein. Diana Ringelsiep und Felix Bundschuh wurden tatsächlich fündig bei ihrer Suche nach heißen Subkulturspots von Thailand zu den Inseln Indonesiens.
Waren da die mittlerweile dickbäuchigen Irokesenpunks, die heute immer noch "no future" brüllen?
Felix Bundschuh hat da andere Erfahrungen gemacht: "In Südostasien war das eigentlich noch nicht so der Fall. Da sind immer noch viele junge Leute, die Punk werden und sich für diese Musik begeistern können. Das ist ja hier nicht mehr so der Fall. Aber dort ist der Punk immer noch etwas sehr neues und etwas, was sehr viel verändern will und sehr viel politischer ist als bei uns."
Enttäuschung in Hongkong
Felix Bundschuh und Diana Ringelsiep sind abseits der touristischen Trampelpfade gereist, in Zentren der Subkultur. Den Weg dorthin fanden die Beiden über einschlägige Internetseiten und viel Recherche. Doch so richtig planen ließ sich ihre Reise nicht.
In "A global mess" schreibt Bundschuh beispielsweise über die Enttäuschung, in der Millionenstadt Hongkong keinen einzigen Szenetreffpunkt gefunden zu haben. Schnell fündig wurde er dafür auf den Philippinen. Viele Verabredungen wurden kurzfristig per Mail getroffen und eine abenteuerliche Reise durch Undergroundbewegungen in Südostasien begann.
Und egal wo die beiden ihre Interviews führten, Konzerte besuchten und filmten, der Unterschied zu Europa war laut Diana Bundschuh immer klar erkennbar: "Gleichzeitig muss man auch sagen, dass wir immer wieder festgestellt haben, dass die Subkulturen da viel mehr miteinander verschmelzen. Auf ganz vielen Konzerten hat der Hip Hopper nach dem Punkrocker gespielt und wurde von einem Metaller abgelöst."
Mit Entschlossenheit und Vertrauen
Vom philippinischen Polizisten, der sich als Altpunk outet, um die heimische Korruption zu unterwandern über eine Punkband, die mitten in Kuta, dem balinesischem Gegenstück zum Ballermann entstand: die Geschichten, auf die die beiden neugierigen Deutschen hier treffen, sind ungewöhnlich und erfrischend anders. Und Bundschuh und Ringelsiep führen uns an Orte, die selbst den Journalisten des "Lonely Planet" und ähnlichen sogenannten alternativen Reiseführern wohl immer verborgen bleiben werden. Denn zu solch einer Recherche gehört vor allem auch Entschlossenheit und Vertrauen in die einheimischen Informanten. Und manchmal muss man dann doch allen Mut zusammennehmen.
"Eine Situation, wo mir wirklich zum ersten Mal ein bisschen mulmig zumute war, war diese Geschichte, wo uns in Kuala Lumpur zu diesem alternativen Zentrum erstmal kein Taxifahrer hinfahren wollte und dann wurden wir dort herausgeworfen. Es war um uns herum stockdunkel, wir sind auch über eine halbe Stunde Taxi gefahren und waren komplett am Rande der Stadt. Dann ist der Taxifahrer abgehauen und wir haben festgestellt, dass wir dort keinen Handyempfang haben."
"Etwas mulmig zumute"
"Wir haben diese Location nicht gefunden und sind durch die dunklen Gassen gezogen und mit einem Mal hab ich diese dunklen Gestalten da gesehen. Das waren zwei Silhouetten, die auf uns zu kamen und ich dachte, wir können denen jetzt alles überreichen, was wir an Wertgegenständen dabei haben, denn alles andere ist zwecklos. Dann hat sich zum Glück herausgestellt, das die beiden dieselbe Show gesucht haben und wir sind dann zusammen auf das Konzert gegangen. Was ja dann auch wieder eine gute Wendung genommen hat und da war wieder alles gut. Aber das war so der erste Moment, wo mir dann etwas mulmig zumute wurde."
"A global mess" ist alles andere als eine professionelle Reportage geworden. Es ist eher eine Art persönlicher Reiseblog, der mit seinen vielen Interviews Einblicke in die subkulturelle Szene in Südostasien gewährt. Und zwar dort, wo Bundschuh und Ringelsiep mit ihren Aufnahmegeräten hingekommen sind.
Länder wie Kambodscha, Vietnam oder Laos fehlen zwar auf diesem Trip, aber es besteht in "A global mess" auch kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Abkehr von "no future"
Bundschuh und Ringelsiep nähern sich dem Thema eher als Fans und treffen fast schon als Insider auf streng gläubige muslimische Punks in Indonesien, die keinen Alkohol trinken und trotzdem feiern, bis hin zu einer All Girl Hardcore Band aus Singapur. Und der ewige Schlachtruf "no future" scheint sich in den besuchten asiatischen Ländern mittlerweile eher umzukehren.
Das könnte sogar die Szene in Europa inspirieren: "Eine Sache, die mit besonders aufgefallen ist, was wirklich ein großes Thema war: Es wurden immer ganz, ganz viele Umweltprobleme angesprochen und es ist vielleicht auch ein größeres Thema dort. Es fand überall in der linken Bewegung ein krasser Kampf gegen die Verschmutzung statt.